Die zwei Zeugen (1) |
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2. Die zwei Zeugen 11, 1-141 Und mir wurde ein Rohr gegeben, das einem Meßstab glich, wobei jemand sagte: Steh auf und miß den Tempel und den Altar und die in ihm anbeten. 2 Aber den äußeren Vorhof laß aus und miß ihn nicht; denn er ist den Heiden preisgegeben, und sie werden die heilige Stadt zweiundvierzig Monate lang zertreten. 3 Ich aber werde meinen zwei Zeugen den Auftrag geben, daß sie tausendzweihundertsechzig Tage lang, mit Säcken bekleidet, weissagen sollen. 4 Diese sind die zwei Ölbäume und die zwei Leuchter, die vor dem Herrn der Erde stehen. 5 Wenn jemand ihnen Schaden zufügen will, wird Feuer aus ihrem Munde kommen und ihre Feinde verzehren ja, wenn jemand ihnen Schaden zufügen will, soll er auf diese Weise getötet werden. 6 Die zwei Zeugen haben die Macht, den Himmel zu verschließen, so daß während der Tage ihrer Weissagung kein Regen fällt, und sie haben auch die Macht, die Wasser in Blut zu verwandeln und alle möglichen Plagen über die Erde kommen zu lassen, sooft sie wollen. 11, 1: Johannes wird nun angewiesen, mittels eines Rohres den Tempel, den Altar und die im Tempel Anbetenden zu messen. Dieser symbolisch zu verstehende Auftrag ist identisch mit dem Weissagen der zwei Zeugen. Als Meßstab bzw. als Grundlage ihrer zeugnishaften Verkündigung dient dabei die verschlungene Buchrolle, d.h. das Wort Gottes, das in seiner Ganzheit verstanden und ins geistliche Leben aufgenommen wurde. Es geht bei der Messung somit um die umfassende Anwendung der biblischen Schriften auf das kirchliche Leben. Denn mit dem auszumessenden Tempel ist nicht etwa das Heiligtum des alten, sondern der aus "lebendigen Steinen" bestehende Tempel des neuen Bundes gemeint. Johannes steht hier wie schon angedeutet sinnbildlich für gottgesandte Boten, die mit apostolischer Vollmacht ausgerüstet sind, nämlich für die zwei Zeugen, die von ihrem himmlischen Herrn den Auftrag bekommen, die Ordnungen und Lebensformen der verschiedenen Kirchen und Glaubensgemeinschaften im Lichte der Heiligen Schrift zu beurteilen. Dabei wird besondere Aufmerksamkeit auf den Altar, d.h. auf die Gestalt des Gottesdienstes gerichtet. Natürlich werden auch die im Tempel Anbetenden nicht übergangen: Der geistliche Lebensstil der Getauften wird in Augenschein genommen und am der untrüglichen Richtschnur des Wortes Gottes gemessen. Der beschriebene Meßvorgang beschränkt sich, wie später deutlicher zu sehen sein wird, nicht allein auf eine "Bestandsaufnahme". Vielmehr dient er zur Erstellung eines Planes, nach dem der Tempel des Neuen Bundes in seiner ursprünglichen Gestalt wiederaufgebaut werden soll. Den Boten Gottes ist also auch die Aufgabe anvertraut, Lehre, Leben, Kultus und Verfassung der Kirche durchgreifend zu reformieren. Alles soll dem einst von Gott gegebenen Maßstab entsprechen, damit am Ende des Zeitalters der Kirche in kurzer Zeit eine große Schar Getaufter zu einem Tempel errichtet, darin geistlich heranreifen und auf die nahe Wiederkunft ihres Herrn vorbereitet werden kann. 11, 2: Ausdrücklich wird betont, daß der Vorhof des Tempels nicht gemessen werden soll. Zum Verständnis dieser Aussage sind einige erklärende Bemerkungen notwendig. Der Alte Bund gestattete allein den Priestern den Eintritt ins Heilige, d.h. in den vorderen Teil der Stiftshütte bzw. des Tempels. Während sie dort täglich ihren Dienst verrichteten, brachte das Volk seine Opfer im Vorhof dar, und zwar auf dem kupfernen Brandopferaltar. Das Allerheiligste dagegen durfte nur einmal im Jahr am großen Versöhnungstag der Hohepriester betreten, und zwar nicht ohne das vorgeschriebene Opferblut, das sowohl für seine eigenen Sünden als auch die des ganzen Volkes Sühne schaffte und so den Weg in die unmittelbare Nähe Gottes eröffnete. Der alttestamentliche Hohepriester ist der Typus des einzigen und wahren Hohenpriesters nach der Ordnung Melchisedeks, der durch sein eigenes Blut in das himmlische Heiligtum einging und dadurch eine ewige Erlösung erwarb. Es war das große Versöhnungsopfer Christi, sein stellvertretendes Sühneleiden, das dem gesamten Volk des Neuen Bundes, vermittelt durch die Taufe, eine priesterliche Weihe verschaffte, die, den Vorhof zurücklassend, den Zugang ins Heilige ermöglichte. Der kirchliche Gottesdienst findet deshalb im Bild gesprochen nicht mehr im "Vorhof" statt, vielmehr sind alle Getauften berufen, in das "Heilige" einzugehen und Gott "im Geist und in der Wahrheit" anzubeten. Allerdings ist die Kirche im Verlauf ihrer Geschichte wie auch seinerzeit das Volk des Alten Bundes auf seine Weise den an sie gestellten Erwartungen nicht gerecht geworden. Zu allen Zeiten waren es nur wenige Gläubige, die wahrhaftig "ins Heilige eintraten". Das Heilige, d.h. der vordere Teil des Tempels bzw. der Stiftshütte, war nur durch einen Vorhang vom Allerheiligsten getrennt. Die Einrichtungsgegenstände des Heiligen sind die exakten Typen bzw. Symbole des priesterlichen Dienstes der Kirche:
Wie ferner die Priester des Alten Bundes sich vor dem Betreten des Heiligen in dem Waschbecken vor dem Eingang ins Heilige reinigen mußten, so werden auch alle, die sich auf den Namen des dreieinigen Gottes taufen lassen, durch Wasser und den Heiligen Geist "gereinigt" und dadurch zu Mitgliedern des königlichen und priesterlichen Gottesvolkes gemacht. Wenn der Vorhof nicht gemessen wird, dann will dies besagen: Die lauen und nahezu geistlich toten "Vorhof-Christen" werden während der Zeit der sechsten Posaune (noch) nicht berücksichtigt. Sie werden sich allen geistlichen Einwirkungen entziehen; denn nur solche werden den zwei Zeugen folgen, die bereits "ins Heilige eingegangen", d.h. durch die Praxis des Glaubens schon ein "Tempel Gottes" geworden sind. Auch wenn diese "Heiligtum-Christen" nicht zu den Entrückten gehören, so werden sie doch allesamt solche sein, die am Räucheraltar, am Schaubrottisch und am goldenen Leuchter nicht achtlos vorübergegangen sind: Gottesdienst, Gebet, Abendmahl und das Praktizieren der Nächstenliebe in Wort und Tat sind schon ein mehr oder weniger fester Bestandteil ihres Lebens geworden oder doch zumindest nichts Unbekanntes. Sie lassen sich von den apostolischen Boten Gottes willig messen, d.h. ansprechen, belehren und in die wahre Gemeinde der Endzeit aufnehmen. Demgegenüber wird der Vorhof den Heiden preisgegeben. Mit anderen Worten heißt dies: Die "Vorhof-Christen", die dem Tempel Gottes mutwillig den Rücken gekehrt und sich damit von ihrem himmlischen Herrn losgesagt oder doch zumindest sehr weit entfernt haben, widersetzen sich beharrlich dem Ruf zur Umkehr, so daß sie den Heiden, d.h. dem Antichristen und seinen Anhängern, ausgeliefert sind. Die massiven antichristlichen Einflüsse werden schließlich zur Zertretung, zur gänzlichen Zerstörung des geistlichen Lebens oder aber soweit dies noch möglich ist zur Umkehr und wahren Gotteserkenntnis führen. Die Zeit der Zertretung des Tempelvorhofs, der trotz seiner Randlage doch noch zum Tempelbezirk und damit zur heiligen Stadt zählt, wird 42 Monate dauern. Dieser Zeitabschnitt entspricht den im folgenden Vers genannten tausendzweihundertsechzig Tagen, in denen die zwei Zeugen dem Antichristen und seiner Anhängerschaft zunächst erfolgreich widerstehen werden. 11, 3: Die zwei Zeugen haben den Auftrag, tausendzweihundertsechzig Tage lang, mit Säcken bekleidet, zu weissagen. Weissagen meint hier nicht das Ausüben der prophetischen Rede im engen Sinne, sondern die vollmächtige Verkündigung des Evangeliums vom nahe bevorstehenden Reich Gottes. Damit verbunden ist der eindringliche Ruf zur Umkehr, der nur noch eine kurze, von Gott vorherbestimmte Zeit an alle Getauften ergehen wird. Die Säcke, mit denen die zwei Zeugen bekleidet sind, sind Ausdruck der Trauer über den beklagenswerten Zustand des Volkes Gottes auf Erden. Gleichzeitig unterstreicht diese Kleidung auch den Bußcharakter der Verkündigung, die in aller Dringlichkeit zur Umkehr von den bisherigen Wegen aufruft. 11, 4: Die zwei Zeugen werden Ölbäume genannt, weil sie mit dem Öl des Geistes Gottes im höchsten Maß, das für sterbliche Menschen denkmöglich ist, erfüllt sein werden. Wie hellstrahlende Leuchter werden sie das klare und wegweisende Licht Gottes in die geistliche Nacht ihrer Zeit hineinwerfen. Sie stehen vor dem Herrn der Erde, sind Sendboten des höchsten Herrschers, dem allein sie Rechenschaft über die Ausrichtung ihres Auftrages zu geben haben. Gleichzeitig enthält diese Aussage die Andeutung, daß die zwei Zeugen dem göttlichen Anspruch des Antichristen, der tatsächlich so etwas wie die Ausgeburt des "Gottes dieser Welt" und in diesem Sinne ebenfalls der Herr der Erde sein wird, eine Zeitlang erfolgreich Widerstand leisten werden. 11, 5: Das aus dem Munde der zwei Zeugen kommende Feuer, das ihre Feinde verzehren wird, bezeichnet zunächst die kraftvollen Worte, die im "Feuer-Eifer" für den wahren "Herrn der Erde" ausgesprochen werden. Der Überzeugungskraft und dem Wahrheitsgehalt dieser Worte gegenüber sind die Anhänger des Antichristen zunächst völlig machtlos. Ihre Vorwürfe und Anfeindungen erweisen sich bei näherem Hinsehen als haltlos und falsch. Darüber hinaus wird das verzehrende Feuer auch im mehr buchstäblichen Sinne den Worten gleichen, die Petrus an Ananias und Saphira richtete: Nachdem sie den Heiligen Geist belogen hatten, trafen sie die Worte des Petrus so unmittelbar und kraftvoll, daß sie beide augenblicklich und im buchstäblichen Sinne tot zu Boden sanken. 11, 6: Die zwei Zeugen haben die Macht, den Himmel zu verschließen, so daß kein Regen fällt, und sie haben auch die Macht, die Wasser in Blut zu verwandeln und alle möglichen Plagen über die Erde kommen zu lassen. Wie Elia mit seinem Gebet den Himmel verschloß, so daß in dieser Zeit weder Tau noch Regen fiel, so werden auch die zwei Zeugen denen, die sich dem Antichristen unterwerfen, alle belebenden Kräfte und Wirkungen des Heiligen Geistes entziehen. Und wie Mose den Ungehorsam des Pharao bestrafte, so tun es auch die zwei Zeugen mit dem Unglauben ihrer Widersacher: Sie verwandeln den Strom ihrer Taufgnade in Blut, d.h. in brudermörderischen Haß, der letztendlich zum völligen geistlichen Tod führen wird.
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