Die 24 Ältesten vor dem Thron Gottes
und die vier lebendigen Wesen

 

 

I. Die sieben Siegel  4, 1 - 8, 6

A. Trostvoller Ausblick: Der Thron Jesu Christi inmitten der erlösten Menschheit  4, 1-11

Wenn die sieben Sendschreiben kirchengeschichtlich gedeutet werden, weist das "danach" (V. 1) auf das Reich Gottes hin, das die Geschichte der Kirche auf Erden und die Reiche dieser Welt für immer ablösen und in dem die verherrlichte Kirche an der Seite ihres Herrn eine Mittelpunktstellung einnehmen wird. So vermittelt das vierte Kapitel der Offenbarung bereits einen Einblick in das zukünftige Reich der Herrlichkeit, in dem der Thron Christi für immer aufgerichtet sein wird:

1 Danach sah ich eine Tür im Himmel, die war geöffnet, und die erste Stimme, die ich wie von einer Posaune zu mir hatte reden hören, sagte: Komm hier herauf, dann werde ich dir zeigen, was danach geschehen muß. 2 Im selben Moment ergriff mich der Geist Gottes, und ich sah einen Thron im Himmel stehen, auf dem jemand saß. 3 Der strahlte wie ein Diamant und wie ein Karneol, und der Thron war von einem Regenbogen umgeben, der wie ein Smaragd aussah.
4 Rings um den Thron sah ich vierundzwanzig Throne, und auf den Thronen saßen vierundzwanzig Älteste, die in weiße Gewändern gehüllt waren und auf dem Kopf goldene Kronen trugen.
5 Und von dem Thron gingen Blitze und laute Donnerschläge aus, und sieben Feuerfackeln brannten vor dem Thron – die sieben Geister Gottes. 6 Vor dem Thron war etwas wie ein Meer aus Glas, das sah wie ein Kristall aus.
Und mitten im Thron und um den Thron herum waren vier lebendige Wesen, die vorn und hinten voller Augen waren. 7 Das erste Wesen glich einem Löwen, das zweite einem Stier, das dritte hatte ein Antlitz wie ein Mensch, und das vierte glich einem fliegenden Adler. 8 Und jedes der vier lebendigen Wesen hatte sechs Flügel, und ringsum und innen waren sie voller Augen. Und sie hatten Tag und Nacht keine Ruhe und sprachen unaufhörlich: Heilig, heilig, heilig ist der Herr, der allmächtige Gott, der war, der ist und der kommt.
9 Und sooft diese Lebewesen Preis und Ehre und Dank dem darbrachten, der auf dem Thron saß und in alle Ewigkeit lebt, 10 fielen die vierundzwanzig Ältesten vor ihm nieder und beteten ihn an, der auf dem Thron saß und in alle Ewigkeit lebt. Und sie legten ihre Kronen vor den Thron und sprachen: 11 Du, unser Herr und Gott, bist würdig, Herrlichkeit und Ehre und Macht zu empfangen, denn du hast alle Dinge erschaffen; durch deinen Willen wurden sie ins Dasein gerufen und erschaffen.

4, 1-3: Die erste Stimme, d.h. dieselbe, die Johannes auf das souveräne herrscherliche Walten Gottes in der gegenwärtigen Kirche hingewiesen hatte, fordert ihn nun nach der Öffnung einer Tür im Himmel auf, heraufzusteigen, sich im Geist über alle Zeitlichkeit hinaus in die noch zukünftige Herrlichkeit der neuen Welt Gottes zu erheben. Sogleich wird Johannes vom Geist ergriffen. Er gerät in Verzückung und wird durch die Wirkung des Heiligen Geistes in die himmlische Welt versetzt, wo er als erstes einen Thron erblickt. Daß es sich hier nicht um den Thron des Vaters, sondern um den des Sohnes handelt, geht aus der Kombination der beiden Edelsteine hervor, mit denen das Aussehen des auf dem Thron sitzenden verglichen wird, nämlich mit einem Diamanten und mit einem Karneol: Die göttliche und die menschliche Natur sind in Christus für immer unlösbar miteinander verbunden.

Die Farbe Grün, die hier durch den smaragdfarbenen Regenbogen ins Spiel kommt, versinnbildlicht als solche das vergängliche Wesen des Menschen – ist doch "alles Fleisch wie Gras". Der Smaragd indes, der die grüne Farbe in unvergänglicher Schönheit und Klarheit aufweist, symbolisiert den verklärten Zustand des Menschen nach der Auferstehung. Der smaragdfarbene Regenbogen, der den Thron umgibt, bezeichnet deshalb den Kreis der verherrlichten Menschen, die Christus in seinem zukünftigen Reich am nächsten stehen werden: Er ist ein Bild der verherrlichten Kirche. Wie Gott den ersten Regenbogen als Unterpfand seiner Gnade und Treue in die Wolken setzte, so wird auch zur Zeit der großen Drangsal der Blick auf den Kreis der bereits in die Herrlichkeit Christi Entrückten denen, die noch unter der Verfolgung des Antichristen zu leiden haben, den nötigen Trost spenden: Nach den Schrecken und "Wetterwolken" der endzeitlichen Sintflut werden gewiß auch sie noch der heimholenden Gnade Gottes teilhaftig werden.

4, 4: Johannes sieht rings um den Thron auf vierundzwanzig Thronen vierundzwanzig Älteste sitzen. Den Aposteln als den "Ältesten" der gesamten Kirche hatte Christus zugesagt, einst auf zwölf Thronen zu sitzen und die Stämme Israels zu richten. Doch hier ist nicht von zwölf, sondern von vierundzwanzig Ältesten die Rede. Im allgemeinen wird angenommen, daß hier neben den Aposteln auch die Repräsentanten des alttestamentlichen Bundesvolkes um den Thron Gottes bzw. Christi versammelt sind. Zweifellos werden die Heiligen des Alten Bundes ihren Platz im Reich Gottes erhalten; doch gebührt es ihnen nicht, neben den Aposteln zu sitzen, denn der "Kleinste im Himmelreich" ist immer noch größer als der größte Prophet des alten Bundes.

Nach katholisch-apostolischer Auffassung handelt es sich bei allen vierundzwanzig Ältesten um Apostel, wobei zu bedenken ist: Der Zahlenwert ist hier nicht im strengen numerischen, sondern im symbolischen Sinn zu verstehen: Er weist auf zwei verschiedene "Reihen" bzw. "Funktionsgruppen" von Aposteln hin – gab es doch im ersten Jahrhundert nicht nur Apostel für die Juden, sondern auch solche, die den übrigen, aus dem Heidentum stammenden Völkern das Evangelium verkünden sollten. Mit dieser Aufgabe waren Paulus und Barnabas betraut; jedoch starben beide, ohne daß weitere Heidenapostel berufen und die das Apostelamt kennzeichnende Zwölfzahl erreicht worden wäre. In den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts traten nun – im Zuge der "katholisch-apostolischen" Bewegung – in England zwölf Männer mit dem Anspruch auf, von Christus als Apostel berufen worden zu sein und den Auftrag empfangen zu haben, die verschiedenen Kirchen und Konfessionen zu ihren ursprünglichen Grundlagen und damit auch zu ihrer gottgewollten Einheit zurückzuführen.

Wenn diese Männer tatsächlich Apostel im engen Sinne dieser Bezeichnung waren, dann böte sich eine schlüssige Erklärung der hier erwähnten vierundzwanzig Ältesten an: Zum einen wären hier die Apostel für die Juden, zum anderen die für die aus dem Heidentum stammenden Völker erwähnt. Oder unter einem anderen Aspekt: sowohl die Apostel des Anfangs, die den "guten Samen des Evangeliums ausgestreut" haben, als auch die Apostel des Endes, die dann folgerichtig den Auftrag gehabt hätten, alles im Laufe der bisherigen Kirchengeschichte Gewachsene zu sichten und für die Ernte vorzubereiten.

Die Ältesten waren in weiße Gewänder gehüllt und hatten auf dem Kopf goldene Kronen. Diese schon bekannte Symbolik unterstreicht, daß hier von vollendeten Menschen die Rede ist, die bereits in die himmlische Herrlichkeit versetzt worden sind.

4, 5: Und von dem Thron gingen Blitze und laute Donnerschläge aus. Der Thron Jesu Christi ist Zentrum und Ausgangspunkt seiner Autorität und Herrschaft über die gesamte Schöpfung. Von hier aus gehen seine Anordnungen und Befehle wie Blitze und laute Donnerschläge aus.

Die sieben Feuerfackeln, die vor dem Thron brannten, werden sogleich als die sieben Geister Gottes erklärt. Sie umschreiben also die vollkommene und unerschöpfliche Fülle des göttlichen Geistes. Seine Weisheit erforscht die Tiefen Gottes, und mit feurigem Eifer hält er sich bereit, alle Pläne und Ratschlüsse Gottes bis zur vollkommenen Verwirklichung seiner Herrschaft im Himmel und auf Erden zu ihrem Ziel zu führen.

4, 6+7: Vor dem Thron erblickt Johannes etwas wie ein Meer aus Glas, das wie ein Kristall aussieht. In den Psalmen werden tobende und aufgebrachte Menschenmengen mit dem Meer vor dem Thron Gottes verglichen, das dort allerdings unruhig hin- und herwogt. Ein gläsernes Meer, das klar und durchsichtig wie ein Kristall ruhig daliegt, ist deshalb ein Sinnbild für das große Völker-Meer der erlösten Menschheit. Von keinem Sturm gottfeindlicher und seelenverderblicher Ideologie aufgepeitscht und von keinem Wind falscher Lehre mehr bewegt, liegt das Meer der Menschheit endlich ruhig und in vollkommenem Frieden da. Dies ist ein Vorausblick auf den Frieden des Tausendjährigen Reiches und dann – nach der allgemeinen Auferstehung – auf das vollendete Reich Gottes, in dem Gott, der Vater Jesu Christi, für immer und ewig "alles in allem" sein wird.

Die vier lebendigen Wesen mitten im Thron und um den Thron herum sind die auch von Hesekiel geschauten Engelmächte. Es handelt sich um die Cherubim; sie werden hier erwähnt, weil sie auch Sinnbilder für die vier neutestamentlichen Dienstämter sind. Diese finden sich nicht allein mitten im Thron, sind also nicht nur in der Person Christi vereinigt, sondern sie erscheinen auch sichtbar um den Thron herum, in den von ihm berufenen Dienern.

Der Löwe verkörpert Kraft, Autorität und Willensstärke. Als dem "König der Tiere" kommt ihm darüber hinaus noch eine besondere Vorrangstellung zu. Er ist Sinnbild des apostolischen Amtes. Der Stier ist dagegen das Symbol des Hirten- und Lehreramtes. Wie die Stiere in damaliger Zeit geduldig das Getreide zu dreschen hatten, so ist es die Aufgabe der Hirten, aus der "Schale" des Wortlauts der Heiligen Schrift den zur geistlichen Ernährung lebenswichtigen "Kern" herauszuarbeiten und für die Gemeinde "genießbar", d.h. verständlich zu machen. Das lebendige Wesen mit dem Gesicht wie ein Mensch stellt das Amt des Evangelisten dar. Seine besondere Fähigkeit und Gabe besteht darin, die Botschaft von der Gnade und Liebe Gottes solchen Menschen, die dem Evangelium fern stehen, in packender und überzeugender Weise nahe zu bringen. Dabei beherrscht Evangelist die Kunst, gleichsam "von Mensch zu Mensch" zu reden. Der fliegende Adler schließlich, der sich mit seinen mächtigen Schwingen in das lichte Blau des Himmels erhebt und mit seinen scharfen Augen auch Dinge wahrnehmen kann, die weit entfernt sind, ist das Symbol des Prophetenamtes. Vermöge geistlicher Inspiration sind ihm "Schwingen" verliehen, mit deren Hilfe es sich in "höhere Regionen" erheben kann, die den übrigen Gläubigen nicht zugänglich sind. Zur Belehrung, zum Trost und zur Ermahnung, kurz zur "Erbauung" der ganzen Gemeinde ist der Prophet in der Lage – je nach dem Maß der ihm verliehenen Gabe – nicht nur die Tiefen der Heiligen Schrift auszuloten; soweit es ihm offenbart wird, vermag er auch wichtige, die Gemeinde betreffende zukünftige Ereignisse vorauszusagen.

Der größte Prophet der Menschheitsgeschichte, auf den schon Mose hingewiesen hatte, ist der menschgewordene Gottessohn. Es ist sein Wille, daß auch nach seiner Himmelfahrt das Prophetenamt weitergeführt wird – wie auch die Ämter der Apostel, Hirten und Evangelisten ursprünglich dazu bestimmt waren, fortwährend in der Kirche wirksam zu sein. Sie bilden die vom Herrn der Kirche gestiftete Ordnung, durch die allein der Bau der Kirche nach dem Plan Gottes gestaltet und vollendet werden kann. Diese Ämterordnung ist, wie die vorliegende Vision deutlich macht, nicht nur für die Zeit, sondern auch für die Ewigkeit bestimmt.

4, 8: In Abweichung zu den Cherubim, die Hesekiel schaute, weisen die hier beschriebenen Wesen nicht vier, sondern sechs Flügel auf. Diese versinnbildlichen die Helfer, die den Inhabern der vier Hauptämter der Kirche zur Seite gestellt sind und sie bei ihren zahlreichen Aufgaben tatkräftig unterstützen.

Die Cherubim waren innen und ringsherum voller Augen. Augen sind das Symbol geistlicher Erkenntnis. Die hier beschriebenen "Rundumblicks-Möglichkeiten" deuten an, daß das den Inhabern der vier kirchlichen Hauptämter verliehene "Erkenntnislicht" unumschränkt ist. Es vermag nicht allein das der Vergangenheit angehörige Heilsgeschehen richtig zu deuten, es kann auch gegenwärtige Situation geistlich beurteilen und sogar die auf die Zukunft gerichteten Ratschlüsse Gottes treffsicher erfassen und ausleuchten. Wie die Seraphim, so loben auch die Cherubim den dreieinigen Gott mit den Worten, die in das "Sanctus" aufgenommen worden sind: Heilig, heilig, heilig ist der Herr, der allmächtige Gott, der war, der ist und der kommt.

4, 9-11: In den Lobgesang der himmlischen Chöre stimmen nun die an der Spitze der erlösten Menschheit stehenden vierundzwanzig Ältesten auf ihre Weise ein, indem sie die Zeichen ihrer Herrscherwürde, ihre Kronen, vor dem Thron dessen niederlegen, der allein würdig ist, Herrlichkeit, Ehre und Macht zu empfangen. Denn alle Dinge, alles, was ist, den Himmel, die Erde und alle Lebewesen hat er, der Sohn Gottes, ins Dasein gerufen und erschaffen. Kein anderer als er ist der Allmächtige, der wahre "Pantokrator", der Herrscher über das All. Ihm allein gebühren Herrlichkeit und Anbetung für alle Zeit und Ewigkeit.

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