Der Auszug aus Babylon

 

 

C. Die Flucht der Frau vor dem Drachen 12, 13 -17

13 Als der Drache sah, daß er auf die Erde hinabgeworfen war, verfolgte er die Frau, die das männliche Kind geboren hatte. 14 Doch der Frau wurden die zwei Flügel des großen Adlers gegeben, damit sie an den für sie bestimmten Ort in der Wüste fliegen könnte, um dort eine Zeit und zwei Zeiten und eine halbe Zeit ernährt zu werden; hier war sie vor dem Angriff der Schlange sicher. 15 Da schoß die Schlange aus ihrem Rachen Wasser wie einen Strom hinter der Frau her, um sie darin zu ertränken. 16 Doch die Erde half der Frau, indem sie ihren Mund öffnete und den Strom, den der Drache aus seinem Rachen ausgestoßen hatte, verschlang. 17 Da geriet der Drache in große Wut über die Frau, und er ging hin, um mit den übrigen ihrer Nachkommen Krieg zu führen, die die Gebote Gottes hielten und das Zeugnis Jesu bewahrten.

12, 13+14: Der Drache verfolgt nun die Frau, die das Kind geboren hat. Nachdem der Teufel endgültig aus dem Himmel auf die Erde geworfen ist, konzentriert er sich darauf, seinen Zorn an der dort verbliebenen Gemeinde auszulassen. Aber diese steht nicht schutzlos da: Der Frau werden die zwei Flügel des großen Adlers gegeben, mit denen sie in die Wüste fliegt, um dort dreieinhalb Zeiten ernährt zu werden.

Dieser Vorgang umschreibt die Sammlung der großen Schar durch die zwei Zeugen in den dreieinhalb Jahren der sechsten Posaune. Durch die Wegnahme der Erstlinge aufgeschreckt, sucht nun eine große Anzahl bis dahin halbherziger Christen Schutz vor der Schlange, deren verführerisches Spiel sie nun durchschauen. Mittels seiner zwei Zeugen wird Gott selbst der große Adler sein, unter dessen Flügeln die nach der Entrückung Zurückgebliebenen vor den Angriffen Satans Schutz finden.

Die beiden Flügel sind über die gegebene Deutung hinaus ein Hinweis auf die wiederhergestellten kirchlichen Ordnungen, die sich auf die beiden "Hauptflügel" des apostolischen und des prophetischen Amtes stützen. Nur mit diesen beiden wird sich die Kirche während der Tage der sechsten Posaune in "himmlische Höhen" erheben können.

Die Flügel tragen die Frau zu einem Zufluchtsort in der Wüste: Alle, die unter den "Flügeln" der zwei Zeugen Schutz suchen, werden ins gesellschaftliche Abseits gedrängt. Auch wird die Ernährung, d.h. die geistliche Zurüstung, die die jetzt entstehende Gemeinde auf das Kommen ihres Herrn vorbereitet, inmitten der Zerstörung der bisherigen kirchlichen Ordnungen erfolgen. Dabei wird sie vor dem Angriff der Schlange sicher sein. Trotz größter Anstrengungen wird es dem Teufel zunächst nicht gelingen, das Werk der zwei Zeugen zu behindern.

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2. Die Stimme aus dem Himmel:
    "Geht hinaus aus ihr, mein Volk!"  18, 4-8

4: Und ich hörte eine andere Stimme aus dem Himmel rufen: Mein Volk, geh hinaus aus Babylon, damit du keinen Anteil an ihren Sünden hast und nicht von den Plagen, die über sie hereinbrechen, getroffen wirst. 5 Denn ihre Sünden haben sich bis zum Himmel aufgetürmt, und nun zieht Gott sie für die Ungerechtigkeiten, die sie begangen hat, zur Verantwortung.

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18, 4+5: Die andere Stimme aus dem Himmel, die anscheinend aus dem Mund eines Engels kommt, steht mit dem V.1 erwähnten "Engel" in engster Verbindung, weist also auf die Boten Gottes hin, die dort nur indirekt erwähnt werden, nämlich auf die zwei Zeugen, deren besonderes Wirken weiter oben bereits ausführlich erklärt wurde. In den Tagen der sechsten Posaune fordern sie den treuen Überrest in Babylon eindringlich und unmißverständlich auf, die Stadt der Verwirrung zu verlassen, um dem herannahenden Gericht zu entgehen: Geh hinaus aus Babylon, damit du keinen Anteil an ihren Sünden hast und nicht von den Plagen, die über sie hereinbrechen, getroffen wirst.

Diese dringliche Mahnung zur Absonderung war bis zu diesem Zeitpunkt der Ruf der Sekten, die - selbst mit dem "babylonischen Verwirrungsvirus" in seiner bösartigsten und hartnäckigsten Form infiziert - schon vor der Zeit die großen Kirchen bzw. einzelne Konfessionen mit der großen Stadt Babylon im Endstadium ihres Abfalls gleichsetzten. Doch erst jetzt, in der ersten Hälfte der siebenjährigen Drangsal, werden sich Babylons Sünden bis zum Himmel aufgetürmt haben, so daß Gott nicht länger zögert, sie für die begangenen Ungerechtigkeiten zur Verantwortung zu ziehen. Und erst jetzt soll der treue Überrest nicht mehr in Babylon bleiben und "der Stadt Bestes suchen", sondern kompromißlos die Trennung vollziehen, denn die Plagen der siebten Posaune, von denen die treuen Gläubigen nicht getroffen werden sollen, stehen nun unmittelbar bevor.

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Exkurs 14: Die babylonische Gefangenschaft der Kirche

Als sich nach der Sintflut das Urvolk der Menschheit in Babel durch den Bau eines Turmes, dessen Spitze bis in den Himmel reichen sollte, einen Namen machen wollte, traf es ein ebenso eigenartiges wie einschneidendes Gericht: Gott verwirrte die bis dahin einheitliche Sprache, so daß deren viele entstanden und folglich eine gegenseitige Verständigung nur noch unter großen Mühen möglich war. Auch die soziale Geschlossenheit büßte das Urvolk der Menschheit auf diese Weise ein, denn die verschieden sprechenden Teile der damaligen Menschheit trennten sich voneinander, und jede Gruppe beschritt ihren eigenen Weg. Dies war die Geburtsstunde der verschiedenen Völker sowie der vielfältigen Spielarten und Ausprägungen des Heidentums. Das urgeschichtliche Babylon als Typus des abtrünnigen Gottesvolkes weist die folgenden Kennzeichen auf:

1. Die Vermischung von Geist und "Fleisch".

2. Das unbändige Bestreben, sein zu wollen wie Gott.

3. Die Verwirrung der einen Sprache des Volkes Gottes.

4. Die Zertrennung des einen Volkes Gottes.

Die exakten Merkmale dieser babylonischer Verwirrung finden sich antitypisch inmitten der Christenheit. Als die große Mehrheit der Gläubigen "irdischer Gesinnung" verfiel und danach trachtete, sich schon vor der Wiederkunft Christi "einen Namen zu machen", d.h. mit Hilfe der weltlichen Herrscher zu Macht und Ansehen zu gelangen, verwirrte Gott die bisherige "gemeinsame Sprache" der Christen: Spaltungen entstanden, und jede Teilkirche ging ihren eigenen Weg. Die ursprünglich eine, heilige, allumfassende apostolische Kirche wurde zu einem Konglomerat sich widersprechender Konfessionen, die aufgrund verschiedener geistlicher Sprachen bzw. Akzente einander nicht mehr "verstehen" konnten.

Dieser Zustand war seit den Anfängen ein "Babel der Verwirrung", aber erst am Ende dieser Entwicklung wird "Babylon, die Große", stehen, die verhängnisvolle Vermengung von göttlicher Wahrheit mit Irrtum und Lüge, von himmlischer Gesinnung mit weltlicher Politik, von geistlichem Leben mit ganz und gar unheiligen Motiven, kurz: von Geist mit Fleisch. Wie es nach der urgeschichtlichen Sprachenverwirrung und Teilung den Menschen verwehrt blieb, die Menschheit in den ursprünglichen Zustand zurückzuführen, so werden auch alle von Menschen erdachten Pläne fehlschlagen, den ursprünglichen Zustand der Kirche in ihrer anfänglichen Reinheit und Kraft des geistlichen Lebens wiederherzustellen.

Weiteren Aufschluß über diesen degenerierten Zustand der Kirche gibt das babylonische Exil des jüdischen Volkes im 6. Jahrhundert vor Chr.: Wie ein Großteil des alttestamentlichen Volks Gottes für 70 Jahre in ein Land verschleppt wurde, aus dem es sich selbst weder befreien konnte noch sollte, so ist auch das Volk des neuen Bundes für eine von Gott bestimmte Zeit in eine "babylonische Gefangenschaft" geraten, der es aus eigener Kraft nicht entkommen kann. Versuche, dies dennoch zu erreichen, haben wohl zur Gründung neuer Konfessionen und Sekten geführt, nicht aber den tief verwurzelten Schaden der Kirche geheilt. Im Gegenteil: Die Verwirrung hat stetig zugenommen. Nur Gott selbst kann seine Kirche aus diesem geistlichen Babylon befreien, und dies wird er gewiß tun. Zu einem Zeitpunkt, der nur ihm bekannt ist, wird er sein Volk zur kompromißlosen Absonderung von der großen Hure Babylon auffordern.

Der erste Typus dieser "Auszugs- und Rettungsaktion" findet sich im ersten Buch Mose: Lot und seine Familie werden aus Sodom herausgeführt, bevor Feuer vom Himmel fällt und die gottlosen Städte im Jordantal vernichtet. In ähnlicher Weise floh auch die urchristlich-jüdische Gemeinde aus Jerusalem, um einen Unterschlupf in der östlich des Jordan gelegenen Stadt Pella zu finden, bevor die Römer Jerusalem nach schweren Kämpfen eroberten und zerstörten.

Als das aufschlußreichste Vorbild der Rückkehr und Befreiung des neuen Bundesvolkes aus der "Stadt der Verbannung" können die Umstände des babylonischen Exils im sechsten vorchristlichen Jahrhundert angesehen werden. Die verschleppten Juden wurden damals ausdrücklich vor solchen falschen Propheten gewarnt, die ein baldiges Ende der Gefangenschaft ankündigten. Die Weggeführten sollten nicht etwa versuchen, sich aus eigener Kraft zu befreien, sondern sie sollten es sich in Babylon wohnlich einrichten, Söhne und Töchter zeugen, "der Stadt Bestes suchen" und für sie zum Herrn beten. Er selbst, Gott, würde zu seiner Zeit den Tag der Befreiung heraufführen und alle Zerstreuten in ihre Heimatorte zurückbringen, und zwar wenn für Babel siebzig Jahre voll wären.

Wie dem Gottesvolk des alten, so ist es auch dem des neuen Bundes nicht gelungen, vor dem Ablauf dieser festgesetzten Frist dem geistlichen Babel zu entfliehen. Die Versuche, die Kirche gemäß ihrer ursprünglichen und wahren Ordnung wiederherzustellen und zur geistlichen Kraft der ersten Zeit zurückzuführen, sind sämtlich gescheitert. Neue Konfessionen brachten - und bringen es bis auf den heutigen Tag - lediglich neue Häuser in die alte Stadt hinein, die der Verwirrung nicht etwa entgegensteuern, sondern nur noch steigern - ganz zu schweigen von den Sekten, die mit der Erhebung eines christlichen Exklusivanspruches und der groben Verzerrung und Verfälschung von Grundwahrheiten des Glaubens ganze Stadtteile in Babylon bevölkern, deren Betreten schon immer mit höchster geistlicher Lebensgefahr verbunden war.

In dem geradezu beschwörenden Unterton, der mit aller Dringlichkeit zum Bleiben in Babylon mahnt, liegt somit für das Volk des neuen Bundes der deutliche Hinweis: Es ist Gottes Wille, daß die Gläubigen - solange dies nur irgend möglich ist - dem Teil der Kirche treu bleiben, dem sie schon immer angehörten. Hier ist für sie der Ort, "der Stadt", d.h. der angestammten Konfession "Bestes zu suchen" und für sie zum Herrn zu beten. Und sicher sollte auch genau hier der Ort sein, über den traurigen Zustand Babels und die Schuld, die die Christenheit im Laufe der vielen Jahrhunderte diesbezüglich auf sich geladen hat, nachzudenken, sie zu beklagen und Gott um Hilfe anzurufen - bis zu dem Tag, an dem Gott seine rettende Hand zur Herausführung aus der Stadt der Verwirrung bieten würde.

Dies geschah in besonderer Weise in der Zeit der Reformation und dann weiterführend während der Tage des sechsten Siegels. Im Blick auf die sich daran anschließende Entwicklung kann es nur als tragisch und verhängnisvoll bezeichnet werden, daß diese Reformbewegung des 19. Jahrhunderts von der großen Mehrheit der Getauften nicht als gottgewirkt erkannt wurde. In diesem Sinne ist sie gescheitert, denn das ihr gesteckte Ziel der Rückführung der weltweiten Kirche zu ihren ursprünglichen Grundlagen schlug fehl. Ein weiteres, auf die ebengenannte Bewegung aufbauendes Werk wird folgen, und zwar in einer Zeit, in der der Abfall in der Kirche sein bis dahin höchstes Ausmaß erreicht haben wird, nämlich in den Tagen der sechsten Posaune. Erst jetzt und keinen Tag früher, wenn die Kirche im wahrsten Sinne des Wortes zu einer Wohnstatt dämonischer Geisterheere geworden sein wird, ist für den treuen Überrest Babylons der Zeitpunkt gekommen, die Stadt zu verlassen. Der Aufruf, sich aus den bisherigen kirchlichen Bindungen entschlossen und rigoros zu trennen, wird durch besondere Boten Gottes in einer Zeit, in der die Kirchenführer den Antichristen freudig begrüßen werden, klar und unmißverständlich erfolgen.

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