Die "Nachlese" am Ende der
siebenjährigen Drangsal

 

(...)

3. Die Nachlese: Die große Kelter des Zornes Gottes   14, 17-20

17 Und ein anderer Engel kam aus dem Tempel im Himmel, der hatte ebenfalls eine scharfe Sichel bei sich. 18 Und ein weiterer Engel kam vom Altar her, der hatte Macht über das Feuer, und er rief mit lauter Stimme dem, der die scharfe Sichel hatte, die Worte zu: Sende deine scharfe Sichel aus und schneide die Trauben des Weinstocks der Erde ab, denn seine Beeren sind reif geworden. 19 Und der Engel warf seine Sichel über die Erde und erntete den Weinstock der Erde ab, und er warf die Trauben in die große Kelter des Zornes Gottes. 20 Und die Kelter wurde draußen vor der Stadt getreten, und das Blut floß aus der Kelter heraus bis an die Zügel der Pferde, tausendsechshundert Stadien weit.

Nach dem Abschluß der Getreideernte, wenn die Ärmeren im Volk und die ausländischen Bürger auf den fast schon vollständig abgeernteten Feldern die Nachlese halten durften, erfolgte im ganzen Land die Weinlese. Diese – und nicht etwa die logisch zu erwartende Nachlese auf den Getreidefeldern – wird in den Versen 17-20 geschildert.

Die der Weinlese folgende Kelter, die mit der Gerichtsfolge der sieben Zornschalen identisch ist, zeichnet ein sehr drastisches Bild des letzten und schwersten Abschnittes der großen Drangsal: Die reif gewordenen Trauben werden durch Pferdehufe zertreten. Dabei steigt – in unrealistischer Überzeichnung eines gewöhnlichen Keltervorgangs – der aus den Trauben gepresste Saft wie ein Meer von Blut bis an die Zäume der Pferde und überschwemmt ein weites Gebiet. Doch ohne die Phase dieses letzten und härtesten Gerichtes Gottes, durch das noch in den allerletzten Tagen vor der Wiederkunft Christi etliche Anhänger des Antichristen aufgerüttelt und seiner Verführungs- und Verderbensmacht entrissen werden, bliebe die große Erntearbeit auf dem "Feld der Endzeit" unvollständig.

14, 17-19: Zunächst tritt ein anderer Engel mit einer scharfen Sichel aus dem himmlischen Tempel heraus, um jedoch erst nach dem Befehl eines weiteren Engels sein Werk zu beginnen. Dieser später auftretende Engel hat Macht über das Feuer, das hier nicht im buchstäblichen, sondern übertragenen Sinne zu verstehen ist: Der Engel vermag das Feuer der großen Drangsal anzufachen, die jetzt ihren Höhepunkt erreicht. Sie wird durch die scharfe Sichel versinnbildlicht, mit der der Engel die Trauben schneidet.

Mit den reifen Trauben sind die bisherigen Anhänger des Antichristen gemeint, die sich überraschenderweise weigern, dem selbsternannten Gottkaiser zu huldigen. Sie werden unter die Füße reiterloser Pferde geworfen, d.h. der zügellosen, nun ganz entfesselten menschlichen Natur der Schergen des letzten Großtyrannen schutzlos preisgegeben. Die große Kelter des Zornes Gottes ist somit nichts anderes als die rücksichtslose Vorgehensweise des Antichristen, der in der zweiten Hälfte seiner siebenjährigen Herrschaftszeit alle erbarmungslos verfolgen wird, die ihm die Anbetung verweigern. So wird er in Gottes Hand das Werkzeug sein, mit dem er das Gericht an "seinem Haus" zum Abschluß bringt.

14, 20: Ausdrücklich wird vermerkt, das die Kelter außerhalb der Stadt getreten wird. Nach der Messung des Tempels und der Zertretung des Vorhofes – beides geschieht in den Tagen der sechsten Posaune – wird es auf Erden keine heilige Stadt, d.h. keine schützenden kirchlichen Ordnungen mehr geben. Nur noch einzelne christliche Individuen werden ohne den Schutz der bisher gewohnten Strukturen – gleichsam auf "freiem Feld" – blutiger Verfolgung ausgesetzt sein. Todesmutige Bekenner werden es sein, die dem zuletzt unverhüllt hervortretenden Größenwahn des Antichristen tapfer die Stirn bieten.

Das Blut dieser verfolgten Gläubigen wird bis an die Zügel der Pferde steigen. Ein ungelenktes Pferd versinnbildlicht die entfesselte Natur des Menschen, die sich allen möglichen Leidenschaften hemmungslos hingibt und demzufolge auch zu allen Gewalttaten fähig ist. Dieser zügellosen Willkür werden die zum letzten und schwersten Gericht reif gewordene Christen nun schutzlos preisgegeben. Dennoch wird sich die Wut der mordenden und tobenden Scharen nicht im absoluten Sinne schrankenlos austoben können: Die Zügel der Pferde markieren die von Gott gesetzte Grenze, die weder dämonisierte Menschen noch der Teufel selbst zu überschreiten vermögen. Und wie bei der Kelter die Trauben zwar zertreten, der Saft aber aufgefangen und zum Wein heranreifen wird, so wird auch die schwere Bedrängnis dieser allerletzten Tage unmittelbar vor der Wiederkunft Christi noch eine Möglichkeit zur Bewahrung vor den Qualen des Feuersees bieten, gleichsam eine köstliche Frucht der Freude schaffen, die die Schmerzen der großen Zorneskelter auf ewig vergessen läßt. So sind selbst noch die schwersten Gerichte Gottes ein weiteres Zeugnis dafür, daß er nicht den Tod des Sünders will, sondern daß er sich bekehre und lebe. Die sieben Zornschalen werden zwar bei vielen zur Verstockung führen; dennoch werden sie das "letzte Mittel" sein, das noch etliche zur Umkehr bewegen wird.

 

Der Blutstrom, der sich tausendsechshundert Stadien weit ergießt, deutet die Schwere der Glaubensprüfung an, die die Märtyrer jener Zeit zu bestehen haben. Vierzig ist die Zahl der gewöhnlichen Prüfung, die der Aufnahme der Gläubigen in die himmlische Herrlichkeit und ihrer vollen Gemeinschaft mit Gott vorausgeht. Der Zahlenwert der Tausendsechshundert entspricht der mit sich selbst multiplizierten Vierzig und weist auf das potenzierte und höchstmögliche Maß der Prüfung des Glaubens und der Geduld hin, das den Bekennern der allerletzten Tage nicht erspart bleiben wird.

Zurück zur Hauptseite