Zum Verständnis der Heiligen
Schrift (2)
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5. Recht und Grenzen der BibelkritikBei der Erforschung der biblischen Schriften sind nach bestem Wissen und Gewissen die Verstandeskräfte einzusetzen, und zwar auf dem durch den Heiligen Geist und den Glauben gewiesenen Weg. Dabei darf die Mitte der Schrift, nämlich Christus, das vor Grundlegung der Welt zur Schlachtung bestimmte Lamm, nicht aus den Augen gelassen werden. Auch Skopus, historische Situation und Absicht einer jeden Schrift bzw. eines jeden Abschnittes oder Verses der Schrift sind unter der Berücksichtigung des jeweiligen Kontextes zu beachten. Ferner haben die Einleitungswissenschaften und auch historische Kritik wie text-, literar- und gattungsgeschichtliche Forschung ihre Berechtigung. Die grundlegenden Glaubenstatsachen sind im Vollzug dieser Erforschung - trotz anderslautender Ergebnisse mancher kritischen Schulen - in keiner Weise als gefährdet anzusehen, da sie durch die Predigt der Apostel, das stete Zeugnis des Heiligen Geistes und die Erfahrung der Gläubigen hinreichend gestützt und bezeugt sind. Dem Glauben an die Schöpfung Gottes aus dem Nichts, an die Inkarnation, den stellvertretenden Sühnetod und die leibliche Auferstehung und Wiederkunft des ewigen Gottessohnes sowie die zukünftige Erlösung der Gläubigen ist es ein Geringes, wenn nicht alle biblischen Aussagen - sei es im Blick auf die Zeit vor der Sintflut, die jüdische Geschichte oder die in den Evangelien bezeugten Ereignisse - in Einklang gebracht werden können. Die Kritik der Bibel ist dann abzulehnen, wenn mit der wissenschaftlichen Erforschung eine rationalistisch-skeptische Grundtendenz verbunden ist, die eine unsachgemäße Engführung zur Folge hat. Die in der theologischen Wissenschaft oft einseitig angewandte "historisch-kritische Methode" hat durch die Infragestellung der Autorität der Bibel beträchtlichen Schaden angerichtet. Im Jahre 1898 faßte E. Troeltsch die drei Grundprinzipien der sog. "historischen Methode in der Theologie" zusammen:
Ganz offensichtlich werden hier an die Heilige Schrift ihr nicht gemäße und sachfremde Kriterien herangetragen, deren einseitige Anwendung zur Verzerrung und Verkürzung der theologischen Wahrheit führen muß: So wird außer acht gelassen, daß die kritische Vernunft des Menschen infolge des Sündenfalls grundsätzlich fehlbar ist und niemals als Hauptkriterium der Wahrheitsfindung dienen kann. Andererseits ist Auslegung der Schrift ohne Anwendung der Vernunft nicht möglich; sie hat sich aber der Offenbarung der göttlichen Wahrheit, die der Vernunft keineswegs immer einleuchtet, unterzuordnen. Weiter ist zu bedenken: Die Prinzipien der Analogie und der Korrelation grenzen die Möglichkeiten Gottes, die immer größer als das rationale Fassungsvermögen des Menschen sind, unzulässig ein. So bleibt unberücksichtigt, daß Naturgesetze immer nur insoweit gültig sein können, als keine anderen, nicht in diesen Gesetzen angegebenen, Kräfte wirksam sind. Sachgemäß im Blick auf die Heilige Schrift - wie überhaupt auf Ereignisse der Geschichte - ist allein das Prinzip der "historischen Redlichkeit", das auch solchen Phänomenen gegenüber prinzipiell offen ist, die der kritischen Vernunft zwar nicht unmittelbar einleuchten, aber dennoch eindeutig und nachhaltig bezeugt sind. Es kann hier nicht näher dargelegt werden, daß die Wahrheit des biblischen Offenbarungszeugnisses im wissenschaftlichen Sinne weder zu beweisen noch zu widerlegen ist. Nur dem Glaubenden erschließt sich diese Wahrheit, nicht im Sinne eines "äußeren", wohl aber eines "inneren Beweises". Ist doch der Glaube ein "Überführtsein von der Wirklichkeit solcher Dinge, die nicht gesehen werden können." (Hebr 11, 1)
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