Der Antichrist (3):
Seine Erscheinung

 

 

Das Tier aus dem Meer 12, 18 - 13, 10

18 Dann trat der Drache an den Strand des Meeres. 1 Und ich sah aus dem Meer ein Tier heraufkommen, das zehn Hörner und sieben Köpfe hatte; auf seinen Hörnern waren zehn Kronen und auf seinen Köpfen standen gotteslästerliche Namen geschrieben. 2 Und das Tier, das ich sah, war einem Leoparden gleich; seine Füße waren jedoch wie die eines Bären und sein Maul wie das eines Löwen. Und der Drache gab ihm seine Kraft und seinen Thron und rüstete es mit großer Macht aus.
3 Dann sah ich einen seiner Köpfe wie zum Tode getroffen; doch diese tödliche Wunde wurde wieder geheilt, worauf die ganze Welt dem Tier voller Verwunderung nachlief. 4 Und sie beteten den Drachen an, weil er dem Tier seine Macht gegeben hatte, und sie beteten auch das Tier an und sprachen: wer ist dem Tier gleich, und wer kann mit ihm den Kampf aufnehmen? 5 Dann wurde ihm ein Maul gegeben, das stolze Worte und Lästerungen ausstieß, und es bekam die Macht, es zweiundvierzig Monate lang so zu treiben. 6 Und so öffnete es sein Maul zur Lästerung gegen Gott; es lästerte seinen Namen und seine Wohnung und die, die im Himmel wohnen.

12,18 - 13,1: Der Drache, der nach der Entrückung der Erstlinge mit aller Entschlossenheit die zurückbleibende Gemeinde verfolgt, tritt nun - gleichsam beschwörend - an den Strand des Meeres. Die unter dem Einfluß des Drachen stehenden Volksmassen sind es, die jetzt das Werkzeug hervorbringen, das seinem Herrschaftsanspruch sichtbaren Ausdruck verleihen soll. Das zehnfach gehörnte Tier, das Johannes aus dem Meer aufsteigen sieht, ist mit dem schrecklichen und gewalttätigen Tier identisch, das Daniel als viertes aus dem sturmaufgewühlten Meer heraufsteigen sah. Es versinnbildlicht das römische Weltreich in seiner letzten antichristlichen Ausprägung.

Die zehn Hörner sind die zehn Herrscher, die schon vor der Machtergreifung des Antichristen als ein Zehn-Staaten-Bund in Erscheinung treten und schließlich die politische Führungsriege des letzten Universalreiches bilden werden. Die Kronen auf den Hörnern sind die Zeichen ihrer herrscherlichen Würde.

Die Bildfolge, die Johannes hier vor Augen geführt wird, knüpft an die Vision an, die im 7. Kapitel des Buches Daniel überliefert ist. Daniel sieht hier aus dem sturmaufgewühlten Meer vier Tiere aufstiegen, und zwar einen Löwen, einen Bären, einen Leoparden und schließlich ein schreckliches und überaus starkes viertes Tier mit zehn Hörnern, das mit eisernen Zähnen wild um sich frißt und das Übrigbleibende mit seinen Füßen zertritt. Diese Tiere symbolisieren vier aufeinander folgende Weltmonarchien, die aus dem Meer der Völker hervorgehen, um sich gleichsam "raubtierhaft" über diese zu erheben.

Während Löwe, Bär und Leopard für das babylonische, das medo-persische und das alexandrinische Weltreich stehen, stellt das schreckliche vierte Tier ein Reich dar, das "bis zum Kommen eines Menschensohnes" Bestand haben wird. Es handelt sich um das römische Weltreich, das in biblischer Sicht nicht zu existieren aufgehört hat, sondern bis zum Tag der herrlichen Wiederkunft Christi lediglich verschiedene Stadien seiner Entwicklung durchläuft. Der Menschensohn, der das Reich Gottes in seiner wahrhaft menschlichen Ausgestaltung versinnbildlicht, kommt mit den Wolken des Himmels, um die Weltherrschaft der grausamen, gleichsam tierischen Despoten der Menschheitsgeschichte für immer abzulösen.

Zu beachten ist: Es geht hier um den Gegensatz Mensch-Tier und nicht um die Gegenüberstellung Mensch - Gott. Bei näherer Untersuchung des Begriffes Menschensohn wird aber deutlich, daß diese Bezeichnung nicht nur auf das Reich Gottes, sondern auch auf das Volk Gottes und schließlich auf den obersten Herrscher dieses Reiches bezogen werden kann. Der Menschensohn - als Gottes kommendes Reich - hat demnach sowohl wahrhaft menschlichen als auch wahrhaft göttlichen Charakter - wie denn auch der König dieses Reiches zugleich wahrer Gottes- und Menschensohn ist.

Johannes sieht das Tier mit sieben Köpfen ausgestattet. Die Siebenzahl stellt das Maß der Vollkommenheit dar, nämlich die siebenfältige Fülle des Heiligen Geistes, mit der das Volk Gottes einst ausgestattet war, die aber in den Tagen des Endes in ein vollkommenes "Maß der Bosheit" pervertieren wird. Seit der Konstantinische Wende waren - und sind - die Bürger des römischen Reiches in der Mehrheit getaufte Menschen, d.h. solche, die mit dem Heiligen Geist beschenkt worden sind. Doch im Laufe der nachfolgenden Jahrhunderte kam es nicht zu einer durchgreifenden inneren Durchdringung der europäischen Völker mit dem Gedankengut und dem Geist des christlichen Glaubens. Vielmehr wurden hier und dort Keime des Unglaubens gesät, die sich im Laufe der Zeit immer stärker ausformten und schließlich in der allerletzten Zeit zu dem Irrglauben führen, ein sterblicher Mensch, der sich als messianischer Heilsbringer ausgibt, wäre in der Lage, ohne den leibhaftig auferstandenen und persönlich wiederkehrenden Christus ein Reich des Friedens zu errichten.

Die sieben Köpfe des Tieres weisen folglich auf die siebenfache Fülle der einst empfangenen geistlichen Kräfte und Lebensgüter hin, die nun im Dienst der Lästerung Gottes stehen. Die gotteslästerlichen Namen sind deshalb schwerlich als ein plattes und blasphemisches Verhöhnen des dreieinigen Gottes mit bloßen Worten zu verstehen. Sie drücken vorerst nur die vermessene Haltung aus, in der - unter Berufung auf biblische Verheißungen - dem Plan Gottes, auf Erden ein ewigwährendes Reich zu errichten, eigenmächtig und verblendet vorgegriffen wird. Die Führerschaft des antichristlichen Weltreiches wird sich in ihrer Hybris erfrechen, einerseits auf Grundprinzipien des christlichen Glaubens zu verweisen, andererseits aber gegen den Gott der Bibel und seinen Christus den schärfsten Kampf zu führen.

13, 2: Das Tier, das Johannes beschreibt, ist ein eigenartiges "Mischwesen", das die Merkmale der von Daniel geschauten Tiere in sich vereinigt: es gleicht zunächst einem Leoparden. Dies besagt, daß das antichristliche Weltreich die spezifischen Eigenschaften des Weltreiches Alexanders des Großen aufweisen wird, das sich durch glänzende Bildung und Wissenschaft sowie durch hochstehende Kunst und Kultur auszeichnete. Gleichwohl war eine schamlos hervortretende Moral- und Sittenlosigkeit das traurige Markenzeichen dieses Großreiches. Auch für das Reich des Antichristen werden die Worte Jeremias gelten: "Kann etwa ein Mohr seine Haut wandeln oder ein Leopard seine Flecken? So wenig könnt auch ihr Gutes tun, die ihr ans Böse gewöhnt seid."

Die Füße des Tieres waren wie Bärenfüße. Der Bär steht bei Daniel für das medo-persische Reich, das sich in Kriegen auf seine großen Flotten verließ und - einem Bären gleich - mit seinen riesigen Heeren den Gegner einfach überrollte. Somit liegt in den Bärenfüßen der prophetische Hinweis, daß das römische Reich in seiner endzeitlichen Ausgestaltung nicht nur "bis an die Zähne" mit modernster Waffentechnik ausgerüstet sein wird; es wird diese auch gezielt einsetzen.

Das Maul des Tieres glich einem Löwenmaul. Der Herrscher des babylonischen Weltreiches, Nebukadnezar, ließ sich in seinem Größenwahn zu den Worten hinreißen: "Das ist das große Babel, das ich durch meine große Macht zu Ehren meiner Herrlichkeit zur Königsstadt erbaut habe." Diese Vermessenheit strafte Gott mit siebenjährigem Wahnsinn, der ihn auf die Stufe eines Tieres herabsinken ließ. In ähnlicher Weise wird auch das Maul des Tieres, das den Herrscher des letzten irdischen Großreiches versinnbildlicht, einem Löwen gleichen: er wird sein Maul auftun und seine Errungenschaften in demonstrativer und selbstherrlicher Manier rühmen. Doch wie Nebukadnezar wird er auch seine gerechte Strafe empfangen, mit dem Unterschied allerdings, daß dieser nur auf Zeit "aus der Gemeinschaft der Menschen" verstoßen wurde, der Antichrist aber "sieben Zeiten" lang alle Möglichkeiten einer Umkehr ungenutzt lassen und auch nach dem Ablauf derselben seine Augen nicht zum Himmel aufheben wird, um den Höchsten zu ehren, der ewig lebt und gegen den alle Menschen auf der Erde für nichts zu rechnen sind. Deshalb wird das Maul des Tieres, der Antichrist, auf ewig in den tiergleichen Zustand der völligen Trennung von Gott versetzt werden.

Das Tier empfängt seine Kraft vom Drachen. Satan selbst wird das Reich des Antichristen stark machen, es protegieren und mit großer Macht, mit lügenhaften Kräften und Zeichen aller Art, ausrüsten, und schließlich wird er sich dieses Werkzeugs bedienen, um seinen Thron, seine gottfeindliche Herrschaft, die auf die Zerstörung aller christlichen Werte und Ordnungen zielt, inmitten der im Abfall begriffenen Christenheit aufzurichten.

13, 3: Ausgehend von der oben gegebenen Deutung stellt der tödlich verwundete, aber dann geheilte Kopf eine Eigenschaft dar, die den Völkern des römischen Reiches durch die Annahme des Christentums zuteil geworden, dann aber in späteren Zeiten abhanden gekommen war. Die Rede ist vom Einheitsbewußtsein der europäischen Völker. Im Laufe der vergangenen Jahrhunderte hatte dieses hinter einer durch starren Nationalismus geprägten Politik immer wieder zurückstehen müssen, doch in den letzten Tagen der Kirchengeschichte wird diese tödliche Wunde wieder geheilt werden:das Einheitsbewußtsein der Völker Europas wird zu neuem Leben erweckt, und dies wird dazu führen, daß das römische Reich aus dem Grabe seiner nur scheinbar für alle Zeiten festgeschriebenen Zersplitterung ersteht, um für kurze Zeit so machtvoll zu erblühen, daß die ganze Welt, d.h. in erster Linie die "weltlich gesinnten" Christen des "christlichen Abendlandes", dem Tier voller Verwunderung nachlaufen wird.

Nach Kap. 17, 9 bedeuten die sieben Köpfe des Tieres auch sieben Könige. Der tödlich verwundete und dann geheilte Kopf weist dann in Ergänzung zu der oben ausgeführten Deutung auf ein besonderes Wunderzeichen hin, das am letzten Herrscher des römischen Reiches geschehen wird. In dieser aufsehenerregenden Heilung mag die Andeutung liegen, daß der Antichrist vor aller Augen so etwas wie ein Auferstehungswunder demonstriert, dessen verblüffender Wirkung die leicht manipulierbaren Volksmassen sich nicht werden entziehen können. Offenbar wird es die Nachäffung des Auferstehungswunders Jesu sein, die zur einmütigen Huldigung dieses erstaunlichen, ja "christusgleichen" Mannes führen wird.

13, 4: Die Menschen, die die Gebote und Verheißungen Gottes nahezu vergessen und das Vertrauen in ihn weitgehend verloren haben, werden - wenn dies auch größtenteils unbewußt geschehen mag - mehr und mehr dazu übergehen, den Drachen und das Tier anzubeten. Des Lobes und Ruhmes voll wird man die Größe und die Kraft des neuerstandenen Imperiums anerkennen und hervorheben, daß es noch niemals zuvor in der Geschichte der Menschheit eine solche vollkommene Ordnung der menschlichen Verhältnisse, noch niemals ein wirtschaftlich und vermutlich auch militärisch so starkes Reich gegeben hat, denn: wer ist dem Tier gleich, und wer kann den Kampf mit ihm aufnehmen?

Die Verblendung wird so groß sein, daß man die Aufrichtung dieser neuen Weltordnung "Gott" zuschreibt. Dies hat in der Tat etwas Richtiges. Übersehen wird dabei "nur", daß es sich hier nicht um den Vater Jesu Christi, sondern um den "Gott dieser Welt" handelt, der den Menschen den Sinn verblendet. Der Gott des "großen Führers der Menschheit" und seiner Gefolgschaft ist in Wahrheit kein anderer als der Vater der Lüge, der Mörder von Anfang an.

13, 5+6: Die stolzen Worte aus dem Maul des Tieres offenbaren zunächst die Arroganz und den Größenwahn des Anführers der neuen Weltordnung, dann aber auch die Vermessenheit der Menschen, die den stolzen Worten des Pseudo-Messias willig Folge leisten. Man wird sich rühmen, die neue Ordnung der Dinge aus eigener Kraft und Vernunft und durch den entschlossenen Einsatz des "guten Willens" zustande gebracht zu haben. Auch wird man sich auf die "Kraft Gottes" berufen, hinter der jedoch in Wahrheit satanisch gesteuerte Verführungsmächte stehen. Die pseudofromme Euphorie der "Neuen-Welt-Bürger" ist nichts anderes als Selbstvergötzung bzw. Teufelsanbetung, deren logischer Gegenpart die Lästerung des wahren Gottes ist, dem allein sich alle menschlichen Gaben und Kräfte verdanken. Zur unverhohlenen Selbstbeweihräucherung wird schließlich auch die offene Verhöhnung Gottes treten, die sich nicht allein auf seinen Namen, d.h. auf ihn selbst, sondern auch auf seine Wohnung, nämlich auf die auf Erden lebenden Christen, richten wird; ja selbst über die, die im Himmel wohnen, über die bereits in die himmlische Herrlichkeit entrückten Gläubigen, wird sich der Spott der aufgehetzten Massen ergießen.

Der Zeitabschnitt von 42 Monaten bezieht sich hier auf die erste Hälfte der siebenjährigen Drangsal, in der die Lästerung des Antichristen vor allem in den stolzen Worten seines überzogenen Selbstruhmes bestehen wird. Erst nach dieser Phase höchsten äußeren Glanzes wird er mit der Errichtung einer beispiellosen Schreckensherrschaft sein wahres gott- und menschenfeindliches Gesicht offenbaren.

Der Antichrist (4):
Sein Zusammenwirken mit dem Tier aus der Erde