Die katholisch-apostolischen Gemeinden

 
Konferenz der leitenden Amtsträger der katholisch-apostolischen
Gemeinden in Deutschland, Berlin 1867

 

Exkurs 6: Die katholisch-apostolischen Gemeinden

Der Ursprung der katholisch-apostolischen Bewegung ist aus den Enderwartungen im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts herzuleiten, als in England viele Gläubige, aufgeschreckt durch die Ereignisse und Folgewirkungen der französischen Revolution von 1789, sich regelmäßig zum Gebet um die Ausgießung des Heiligen Geistes versammelten. In verschiedenen solcher Gebetskreise in England und Schottland kam es dann im Jahr 1830 zu Weissagungen, die unter anderem auch die nahe bevorstehende Wiederkunft Christi zum Gegenstand hatten, der ein mächtiges Heilswerk vorausgehen werde, durch das die Kirche auf das große Ereignis der Ankunft Jesu vorbereitet werden sollte. Dabei wurde einzelnen Mitgliedern der Versammlungen wiederholt und in direkter Anrede mitgeteilt, daß sie zu hohen und heiligen Berufen in der Kirche bestimmt seien. Einige wurden ausdrücklich als Apostel bezeichnet, und bis zur feierlichen Aussendung am 14. Juli 1835 waren es insgesamt zwölf Männer, die sich zu diesem Amt berufen wußten.

Die Apostel nahmen darauf in Albury ihren Wohnsitz, wo sie ein Jahr lang gemeinsam die biblischen Schriften studierten. Zur Seite standen ihnen dabei sieben zu Propheten berufene Männer mit ihren Weissagungen. Bevor sich die Apostel dann auf den Weg in die Länder der Christenheit machten, um den geistlichen Zustand der ihnen zugewiesenen Teile der weltweiten Christenheit zu erforschen, verfaßten sie eine umfangreiche Zeugnisschrift, die den Führern der verschiedenen Konfessionen und auch den weltlichen Häuptern aller christlich geprägten Länder vorgelegt wurde. Nach dem Abschluß der Erkundungsreisen sollte von Albury aus die Hauptaufgabe beginnen, nämlich die Wiederherstellung der Einheit der Kirche und ihre Vorbereitung auf die Wiederkunft Jesu. Als Glaubensgrundlage wurden zusätzlich zur Heiligen Schrift auch das Apostolische, das Nizänische und auch das Athanasianische Glaubensbekenntnis als treuer Ausdruck biblischer Lehre anerkannt.

Es wurde nun damit begonnen, exemplarische Gemeinden zu gründen, für die vor allem die ausgefeilte Struktur der Dienstämter charakteristisch war: Die Aufsicht über die Gesamtkirche oblag den Aposteln, wobei sie von Propheten, Evangelisten und Hirten - ebenfalls mit gesamtkirchlichem Auftrag - unterstützt wurden. In der lokal begrenzten Einzelgemeinde dagegen war dem "Engel", d.h. dem Bischof, die Aufsicht über die Priester und die Diakonen anvertraut. Nachdem Ämter, Lehrgrundlagen und Liturgie ausgestaltet waren, war der Rahmen für eine mögliche Reformation und Vereinigung der weltweiten Christenheit geschaffen, die aber trotz hingebender Bemühungen aufgrund der allseitigen Ablehnung ausblieben. Vielmehr entstand eine weitere christliche Gemeinschaft. Heute leben die über die ganze Welt verstreuten Gemeinden zurückgezogen und pflegen ein inniges gottesdienstliches Leben. Immer noch verstehen sie sich als eine auf ihren Herrn wartende Gemeinschaft. Und trotz des Sterbens der Apostel, denen keine weiteren folgten, ist ihre Hoffnung ungebrochen, denn der Auftrag der Gemeinden wird antitypisch zum Wirken Johannes des Täufers verstanden: Wie einst der Wegbereiter des Herrn "eingesperrt und mundtot gemacht" wurde, so liegt auch die jetzt wartende Gemeinde gleichsam "gebunden" im Gefängnis und muß "abnehmen"; denn ihr Auftrag ist beendet und "ein anderer muß nun zunehmen": Christus selbst werde zu seiner Zeit eingreifen und "das Werk" auf seine Weise - nämlich durch das Auftreten der zwei Zeugen - weiterführen.

Die katholisch -apostolischen Geistlichen und ihre Anhänger wurden von den großen Kirchen als sektiererische Fanatiker eingestuft, so daß die Bewegung mit ihrem Anliegen der Reformation der weltweiten Christenheit nur scheitern konnte. Allerdings sagt diese allgemeine Ablehnung wenig über die tatsächliche Legitimation der Männer aus, die sich als von Christus unmittelbar berufene Apostel verstanden; denn in diesem Sinne "scheiterte" auch Noah, dem es durch seine Predigt nicht gelungen war, seine Volksgenossen zum Einstieg in die Arche zu bewegen. Auch alle Propheten des Alten Testaments, deren Botschaft auf taube Ohren stieß, wären "gescheitert". Ja selbst Jesus wäre "gescheitert", wenn einzig und allein die Bekehrung des gesamten jüdischen Volkes als Erfolg zu werten gewesen wäre. Somit bleibt noch abzuwarten, ob die Männer, die im 19. Jahrhundert mit apostolischem Anspruch in der Christenheit auftraten, wirklich gescheitert oder aber in der Berechtigung ihres Anliegens verkannt worden sind.

Eine gute und (seltenerweise!) recht objektive Darstellung dieser Bewegung findet sich in K. Hutten: Seher Grübler Enthusiasten, Sekten und religiöse Sondergemeinschaften der Gegenwart, Quell-Verlag, Stuttgart. Außerdem sehr empfehlenswert:

1. Johannes Albrecht Schröter: Die Katholisch-apostolischen Gemeinden in Deutschland und der "Fall Geyer", Theol. Diss., Marburg 1997.

2. Albrecht Weber: Die katholisch-apostolischen Gemeinden, ein Beitrag zur Erforschung ihrer charismatischen Erfahrung und Theologie, Theol. Dissertation, Marburg 1977.

Weitere Informationen zur Geschichte der katholisch-apostolischen Gemeinden auf der Homepage des Oculi-Verlages

Lesen Sie, wie nach katholisch-apostolischer Auffassung im 19. Jahrhundert der Wiederaufbau der Kirche auf ihren ursprünglichen Grundlagen seinen Anfang genommen hat!