Exkurs 10: Zum Verständnis der Heiligen Schrift
    Eine dezidierte "Theologie der Heiligen Schrift" haben die
    katholisch-apostolischen Theologen nicht erstellt. Dennoch sind in den zahlreichen
    Schriften eindeutige Aussagen gemacht worden, die im Folgenden thesenartig aufgeführt
    sind: 
     
    1. Die Heilige Schrift als Zeugnis der unverfälschten und endgültigen Offenbarung Gottes
    Der Kanon der biblischen Schriften ist als vollständig anzusehen.
    Seine Integrität darf weder durch Hinzufügen noch durch Auslassen einzelner
    Schriftstellen oder gar ganzer Bücher angetastet werden. Die Apokryphen gehören nicht
    zum Alten Testament, denn nur die Bücher des jüdischen Kanons sind von Christus und den
    Aposteln als Wort Gottes angeführt und somit bestätigt worden. 
     
    2. Die Inspiration der Heiligen Schrift
    Die ganze Schrift Alten und Neuen Testaments ist als inspiriert bzw.
    "von Gottes Geist eingegeben" zu betrachten. Allerdings kann der unmittelbare
    und eigentliche Prozeß der "Inspiration" nur bei dem nach Gottes Bild
    geschaffenen Menschen stattgefunden haben, wobei dessen Freiheit und
    Denkvermögen nicht etwa als beeinträchtigt oder gar ausgeschlossen zu denken sind.
    Vielmehr hat sich der Heilige Geist im Vollzug der Inspiration der ganzen Kraft des
    menschlichen Denk- und Erinnerungsvermögens bedient. Eine Inspiration der einzelnen
    biblischen Bücher, Abschnitte oder auch Worte der Bibel kann - im oben
    beschriebenen Sinne - vertreten werden; allerdings ist ein zu eng gefaßtes Verständnis
    der Verbalinspiration abzulehnen. Nicht selten wird das menschliche Element bei der
    Abfassung der biblischen Schriften zu wenig berücksichtigt. Auf diese Weise offenbart
    sich ein nach intellektueller Sicherheit strebender, ja teilweise an Aberglauben
    grenzender Rationalismus, der als Ausdruck geistlicher Verarmung zu werten ist. Nicht
    vergessen werden darf, daß die Bibel wohl von der Fleisch-, niemals aber von einer
    "Buch-Werdung" Gottes spricht. Die "Unfehlbarkeit der Schrift" im
    absoluten Sinne ist deshalb eine unsinnige Vorstellung. Kein Verfasser einer biblischen
    Schrift erhebt darauf Anspruch, außerdem sprechen auch die vielfach variierenden
    Textüberlieferungen dagegen. Spannungen und nicht auflösbare Widersprüche in
    Randaussagen und besonders in mehrfach überlieferten Ereignissen sind daher möglich.
    "Unfehlbar" und hinreichend klar und deutlich sind allerdings die in der Schrift
    überlieferten grundlegenden "Heilstatsachen". 
     
    3. Vielfalt und Einheit der Heiligen Schrift
    Die verschiedenen Schriften und Abschnitte der Bibel haben zweifellos
    unterschiedlichen Stellenwert; dennoch wäre die Heilige Schrift ohne die - nach
    menschlichem Urteil - "weniger wichtigen" Abschnitte unvollständig. Sie
    enthält deshalb, genauer gesagt, nicht etwa wichtige und unwichtige, sondern
    "wichtige und sehr wichtige" Teile. Die Schriften der Bibel sind verschiedenen
    Phasen, Situationen und Bedingungen heilsgeschichtlicher Erfahrung zuzuordnen.
    Nichtsdestoweniger ist die Bibel die eine, heilige und vollkommene Urkunde der göttlichen
    Offenbarung, ja ein majestätischer Wunderbau. Die Einheit der Schrift ist in Gott selbst
    und in seinem Heilsplan für die Menschheit und die Erde verbürgt, der Jesus Christus zum
    Mittelpunkt hat. 
     
    4. Die Heilige Schrift als Gottes- und Menschenwort 
    Die Heilige Schrift ist für die Kirche das Wort Gottes, weil sie eine
    grundlegende - wenn auch nicht die grundlegende - Beziehung zur Kirche besitzt, und zwar
    für alle Zeiten ihrer Existenz unter allen möglichen Umständen ihrer Lage. Diese
    Beziehung, die von Gott selbst vermittelt wurde, ist seitens der Lehrer der Kirche, den
    zeitgeschichtlichen Umständen entsprechend, immer wieder neu zu erheben und in Anwendung
    zu bringen. Obwohl der Heilige Geist bei der Abfassung der biblischen Schriften mitwirkte,
    waren die Autoren doch keine willenlosen Werkzeuge; vielmehr schrieben sie mit eigener
    persönlicher Verantwortung, wandten alle von Gott verliehenen natürlichen Kräfte und
    Fähigkeiten an und erforschten mit der größten Sorgfalt Gottes Handeln in der
    Geschichte. Eine Erforschung der sprachlichen, geschichtlichen, theologischen und auch
    verfasserspezifischen Eigenheiten der biblischen Bücher ist deshalb nicht nur legitim,
    sondern sogar dringend geboten. 
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