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Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Meldau, Volker: Die Wende aller Zeiten.
Eine Auslegung der Offenbarung des Johannes aus katholisch-apostolischer Sicht.
/ von Volker Meldau - Marburg : Tectum Verlag, 1998 ISBN 3-8288-9022-9
Umschlaggestaltung: Meik Jentsch Herstellung Innenteil und Bindung: Difo-Druck, Bamberg Herstellung Umschlag: Völker und Ritter, Marburg © Alle Rechte beim Tectum Verlag
Meldaus Arbeit soll dazu beitragen, das weithin unbekannt gebliebene
und heute kaum mehr zugängliche Endzeitverständnis der katholisch-apostolischen
Gemeinden, die in den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts entstanden und ihre
Blütezeit in den darauf folgenden Jahrzehnten erlebten, einem größeren Leserkreis
zugänglich zu machen. Das geistliche Leben dieser Gemeinden, deren Leiter mit dem
Anspruch auftraten, unmittelbar von Christus einen reformatorischen Auftrag für die
gesamte Kirche empfangen zu haben, war in starkem Maße von der Hoffnung auf die nahe
Wiederkunft Christi geprägt. Dabei waren Lehre, kirchliches Leben, Kultus und Verfassung
im Gegensatz zu den späteren Abspaltungen von jeglichem Sektierertum weit
entfernt; ein tiefes ökumenisches Anliegen erfüllte die Gemeinden.
Allen an Endzeitfragen Interessierten wird das Studium katholisch-apostolischer
Eschatologie neue und erstaunliche Perspektiven aufzeigen. Die hier vorgelegte Auslegung
der Offenbarung läßt ein geschlossenes und stimmiges Gesamtbild erkennen. Sie bietet zu
verschiedenen Schlüsselstellen höchst bemerkenswerte Erklärungen, die es wert sind,
gründlich durchdacht zu werden. Siebzehn aufschlußreiche Exkurse, ein Anhang, in dem die
kirchengeschichtliche Deutung der sieben Sendschreiben dargestellt wird, und ein
ausführliches Stichwortverzeichnis runden die mit zahlreichen Anmerkungen versehene
Arbeit ab.
Volker Meldau (geb. 1955), Dipl.-Theologe und Gemeindepfarrer im Dienst der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers, befaßt sich seit der Zeit seines Studiums mit dem umfangreichen Schrifttum der katholisch-apostolischen Gemeinden und legt mit diesem Buch seine erste größere Veröffentlichung vor.
Mit der vorliegenden Arbeit möchte ich das weithin unbekannt
gebliebene und heute kaum mehr zugängliche Endzeitverständnis der
katholisch-apostolischen Gemeinden einem größeren Leserkreis zugänglich machen.
Die katholisch-apostolischen Theologen haben die Auslegung der Bibel grundsätzlich nicht
mit historisch-kritischen Mitteln betrieben; deshalb ist auch hier auf eine entsprechende
Arbeitsweise gänzlich verzichtet worden. Die Visionen, die der Apokalypse ihr besonderes
Gepräge verleihen, sind vor allem allegorisch und typologisch gedeutet worden.
Während die Allegorese prophetische Aussagen gleichnishaft bzw. symbolisch versteht,
basiert die Typologie auf der Überzeugung, daß in bestimmten Personen, Ereignissen und
Sachverhalten des Alten Testaments schattenrißartige Vorbilder ("Typen")
solcher Erscheinungen ("Antitypen") vorliegen, die - gleichsam auf einer
höheren Stufe - in der Zeit des Neuen Bundes auftreten, darüber hinaus aber auch für
das Millennium und das darauf folgende Reich Gottes in seiner endgültigen Gestalt von
Bedeutung sein können.
So deutete z.B. Jesus das Gleichnis vom vierfachen Ackerfeld oder den "Sauerteig der
Pharisäer und Sadduzäer" allegorisch. Das Verhältnis Adams zu Christus, die
Bestandteile des isralitischen Wüstenheiligtums oder auch die Erfahrungen der Israeliten,
die in der Wüste ungehorsam geworden waren, haben dagegen typologischen Charakter: Adam,
die Stiftshütte und die Geschichte Israels können - auf je verschiedene Weise - als
beispielhafte "Modelle" konkreter zukünftiger Geschehnisse bzw. Tatbestände
verstanden werden.
Wenn die katholisch-apostolischen Schriftausleger die Visionen der Apokalypse auch in
erster Linie allegorisch und typologisch gedeutet haben, so wurde dies doch nie so
verstanden, daß nicht auch Erklärungen, die dem buchstäblich-wörtlichen Sinn Rechnung
tragen, ihre Berechtigung hätten. Vielmehr wurde stets betont, daß biblische Prophetien
sich auf verschiedenen, einander ergänzenden Bedeutungsebenen erfüllen können.
Um Mißverständnissen vorzubeugen, sei hier ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die
vorliegende Arbeit in keiner Weise den Anspruch erhebt, eine durch die
katholisch-apostolischen Gemeinden anerkannte oder gar autorisierte Auslegung zu sein.
Vielmehr handelt es sich um das Ergebnis der selbständigen Forschung eines nicht zu den
Gemeinden gehörenden evangelisch-lutherischen Theologen. Allen an Endzeitfragen
Interessierten wird das Studium katholisch-apostolischer Eschatologie neue und
erstaunliche Perspektiven aufzeigen. Die hier vorgelegte Auslegung der Offenbarung läßt
ein geschlossenes und stimmiges Gesamtbild erkennen. Sie bietet zu verschiedenen
Schlüsselstellen höchst bemerkenswerte Erklärungen, die es wert sind, gründlich
durchdacht zu werden.
5.Mo 32, 3.4: Preist unsern großen und erhabenen
Gott! Ich rufe ihn bei seinem Namen, ihn, unsern Fels und starken Schutz! In allem, was er
plant und ausführt, ist er vollkommen und gerecht. An niemand handelt er mit Trug und
Tücke, er steht zu seinem Wort, denn er ist treu!
Ps 33, 4: Gottes Wort ist wahrhaftig, und was er zusagt, wird er gewiß
einhalten.
Mt 5, 18: Christus spricht: Amen, das sage ich euch: Bis Himmel und Erde
vergehen, wird auch nicht der kleinste Buchstabe des Gesetzes vergehen, bevor nicht alles
geschehen ist.
Mt 24, 35: Christus spricht: Himmel und Erde werden vergehen, aber meine
Worte vergehen nicht; sie bleiben gültig für immer und ewig bestehen.
3 Glücklich kann sich schätzen, wer die Worte der Weissagung vorliest, und glücklich dürfen sich auch die schätzen, die sie hören und das darin Geschriebene beherzigen; denn es wird sich bald erfüllen. 4 Johannes entbietet seinen Gruß den sieben Gemeinden in Asien: Gnade sei mit euch und Friede von dem, der ist, der war und der kommt, und von den sieben Geistern vor seinem Thron 5 und von Jesus Christus, dem zuverlässigen Zeugen, dem Erstgeborenen von den Toten, dem Herrscher über die Könige der Erde.
Jesus begann seine Verkündigung mit den Seligpreisungen der Bergpredigt, und auch hier eröffnet er seine Weissagung mit einer Seligpreisung. Glücklich dürfen sich die schätzen, die aus dem Buch der Offenbarung - und zwar während der gottesdienstlichen Versammlungen - öffentlich vorlesen; darüber hinaus sicher auch alle, die die verlesenen Worte hören, sie im Herzen bewahren und danach handeln, denn die im vorliegenden Buch aufgezeichneten Weissagungen werden sich bald erfüllen. Dann wird das im voraus erworbene Wissen über diese Dinge von unschätzbarem Nutzen sein. ( ... ) Christus ist der zuverlässige Zeuge: die Worte seiner Verkündigung, die im Neuen Testament aufgezeichnet sind, sind absolut wahr, und alle darin enthaltenen Voraussagen werden sich ohne Abstriche - wenn auch nicht immer im buchstäblich-wortwörtlichen Sinn - erfüllen. Jede Verkürzung des neutestamentlichen Christuszeugnisses ist deshalb ein Zweifel an der treuen Zeugenschaft Jesu Christi.
Und er sagte zu mir: Alles hat sich nun erfüllt. Ich bin das A und das Z, der Anfang und das Ende. Ich werde allen, die Durst haben, umsonst aus der Quelle des lebendigen Wassers zu trinken geben.
Alles hat sich nun erfüllt. Diese Aussage stellt die Tatsache des
zukünftigen Handelns Gottes in einer Zeitform heraus, die die absolute Gewißheit des
Eintretens der beschrieben Ereignisse zum Ausdruck bringt. "Was Gott spricht,
geschieht, und was er gebietet, steht da" - ganz gleich, ob seine Worte sofort oder
erst zu einem späteren, von ihm genau festgesetzten Zeitpunkt eintreffen.
Christus setzt hier nochmals den Anfangs- und den Endbuchstaben des griechischen Alphabets
in Beziehung zu seiner Person: als "A" ist er nicht nur der Anfang aller Dinge
in der materiellen Welt, sondern auch Urheber und Begründer der neuen geistlichen
Schöpfung, nämlich seiner Kirche. Und hier wie dort wird er auch das "Z", das
Ende sein. Was er begonnen hat, wird er zum Ziel führen. Die Aufrichtung seines ewigen,
seit Urzeiten verheißenen Reiches - die Wiederherstellung des verlorenen Paradieses -
wird auch durch den heftigsten Widerstand seiner Feinde nicht aufzuhalten sein.
In dieser kommenden Welt Gottes wird jeglicher Durst der Menschen nach Vollkommenheit und
wahrem himmlischen Leben voll und ganz gestillt werden, denn der Sohn Gottes wird sich als
unerschöpfliche Quelle erweisen, die das lebendige Wasser des Heiligen Geistes umsonst
und in überfließendem Maße all denen zuströmen lassen wird, die die Gabe des neuen
Lebens aus seiner Hand bereits empfangen haben.
Siehe, ich komme bald. Glücklich kann sich schätzen, wer die Worte der Weissagung dieses Buches bewahrt.
In diesem Vers übermittelt der Engel Worte des erhöhten Christus: "Siehe, ich komme bald" ist in kurzer Zusammenfassung der Inhalt des ganzen Buches der Offenbarung. Auch in der Einleitung war hiervon die Rede, doch hier wird diese Ankündigung, wohl um der Dringlichkeit dieser zugleich tröstenden und ermahnenden Botschaft willen, in der ersten Person formuliert. Die folgende Seligpreisung "Glücklich kann sich schätzen, wer die Worte der Weissagung dieses Buches bewahrt" fordert noch einmal in aller Dringlichkeit zum Lesen bzw. Hören des Buches und zum treuen Annehmen und Befolgen seiner Worte auf, denn alles, was darin geschrieben steht, wird sich erfüllen.
Verehrter Theophilus, in meiner ersten Schrift habe ich alles
berichtet, was Jesus tat und lehrte, von Anfang an 2 bis zu dem Tag, an dem er in den
Himmel aufgenommen wurde. Zuvor gab er den Aposteln Anweisungen für die Zukunft. Er hatte
sie früher mit dem Beistand des Heiligen Geistes ausgewählt. 3 Nach seinem Leiden und
Sterben hatte er sich ihnen wiederholt gezeigt und ihnen die Gewißheit gegeben, daß er
lebte. Während vierzig Tagen kam er damals zu ihnen und sprach mit ihnen darüber, wie
Gott seine Herrschaft aufrichten und sein Werk vollenden werde.
4 Als Jesus wieder einmal bei ihnen war und mit ihnen aß, schärfte er ihnen ein:
"Bleibt in Jerusalem und wartet auf die Erfüllung der Verheißung, die ich euch
angekündigt habe; 5 denn Johannes hat mit Wasser getauft, aber ihr werdet schon bald mit
dem Geist Gottes getauft werden." 6 Die Versammelten fragten Jesus: "Herr, wirst
du dann die Herrschaft Gottes in Israel wieder aufrichten?" 7 Jesus antwortete:
"Mein Vater hat festgelegt, welche Zeiten bis dahin noch verstreichen müssen und
wann es soweit ist. Ihr braucht das nicht zu wissen. 8 Aber ihr werdet mit dem Heiligen
Geist erfüllt werden, und dieser Geist wird euch die Kraft geben, überall als meine
Zeugen aufzutreten: in Jerusalem, in ganz Judäa und Samarien und bis ans äußerste Ende
der Erde." 9 Während er das sagte, wurde er vor ihren Augen emporgehoben. Eine Wolke
nahm ihn auf, so daß sie ihn nicht mehr sehen konnten. 10 Als sie noch wie gebannt nach
oben starrten und hinter ihm hersahen, standen plötzlich zwei weißgekleidete Männer
neben ihnen. 11 "Ihr Galiläer", sagten sie, "warum steht ihr hier und
schaut nach oben? Dieser Jesus, der von euch weg in den Himmel aufgenommen wurde, wird auf
dieselbe Weise wiederkommen, wie ihr ihn habt weggehen sehen!"
Die Erwartung der Rückkehr Christi zur Erde gehört zur Grundlage des
christlichen Glaubens. Der im Neuen Testament für die Wiederkunft gebrauchte Ausdruck
parousia bezeichnete im profanen Sprachgebrauch der neutestamentlichen Zeit die Ankunft
eines Herrschers zu einem offiziellen Besuch. Christus, der nach dem Hingang zu seinem
Vater durch die Verkündigung und die Wirksamkeit seiner Zeugen auf Erden eine
Gemeinde sammelt, die seine schon angebrochene Herrschaft bezeugt, wird zu einem nur
Gott bekannten Zeitpunkt (Mt 24, 36; Mk 13, 32) zur Erde zurückkehren. Nach diesem
Ereignis kosmischen Ausmaßes wird er im Auftrag seines Vaters über Gottes entschiedene
Feinde Gericht halten und das lange zuvor verheißene Friedensreich aufrichten.
Jesus selbst hat nicht nur in seinen Endzeitreden (Mt 24; Mk 13) von seiner
Wiederkunft gesprochen. Nach neutestamentlichem Befund wird die Wiederkunft Christi die
Menschen zunächst unvermutet "wie ein Dieb" (Mt 24, 42f) überraschen, so daß
ihnen zu weiterer Besinnung keine Zeit bleibt. Deshalb ermahnt Jesus seine
Jünger in direkter Rede und in Gleichnissen beständig zur Wachsamkeit (z.B. Mt 24, 42;
25, 1-13 u.ö.).
Zu unterscheiden von diesem "Kommen wie ein Dieb", das die Entrückung der
treuen Gläubigen zur Folge hat, ist die Wiederkunft Christi in Majestät und Herrlichkeit
(Mt 24, 30). Einem Blitz gleich (V. 27), auf den Wolken kommend (V. 30; 26, 64; vgl. Dan
7, 13) und von Engeln begleitet (Mt16, 27; 24, 31; 25, 31), wird seine Wiederkunft dann
sein, im Rahmen spektakulärer Bewegungen und Erscheinungen am Himmel. So ist etwa von der
Verfinsterung von Sonne, Mond und Sternen (Mt 24, 29f; Mk 13, 24f; vgl. Joel 2, 10; 3, 3f;
4, 15) und von Erschütterungen der Erde und des Meeres die Rede (Lk 21, 25f).
Schließlich wird das "Zeichen des Menschensohnes" am Himmel erscheinen
(Mt 24, 30) und auf Erden das Schreckensgeheul der Menschen zu hören sein, die das Kommen
des Sohnes Gottes zu verhindern gesucht hatten.
Voraufgehen wird der Wiederkunft eine Zeit immer größer werdender Bedrängnis,
Täuschung und gar Verführung der Glaubenden (vgl. Mt 24; Mk 13). Das Johannesevangelium
und die Offenbarung machen aber deutlich, daß dieses Gericht die Treuen im Glauben nicht
betreffen wird (vgl. Joh 5, 24). Vielmehr ist für diese die Wiederkunft Christi mit der
Verheißung verbunden, daß sie für immer mit ihrem Herrn vereinigt sein (vgl. Mk 13, 27;
Joh 14, 3) und für ihr treues Ausharren und die erduldeten Leiden belohnt werden.
Nicht zuletzt ist an das Zeugnis des letzten Buches der Bibel zu erinnern, in dem die
Ereignisse, die mit der Wiederkunft verbunden sind und ihr vorangehen, in wuchtigen, sich
immer weiter entfaltenden Bildern visionär geschaut und dargestellt sind. Das Thema wird
schon in Offb1, 7 vorgestellt: "Siehe, er kommt mit den Wolken" und klingt in
den Sendschreiben durch (Offb 2, 16.25f; 3, 11.20). Ehe das Zeichen des Menschensohnes am
Himmel erscheint, ergehen durch das verkündigte Wort und durch göttliche Plagen
vielfache Aufforderungen an die Menschen, zu Gottes Wegen umzukehren. Schrecken des
Gerichts erschüttern die Erde (Offb 8, 5-9; 16, 21), aber die Zeit zur Umkehr ist
begrenzt (Offb 10, 6). Schließlich erklingt im himmlischen Chor die Botschaft vom Sieg
des Lammes (Offb 11, 15; 12, 10f; 17, 14), und aus dem geöffneten Himmel (Offb 19, 11ff)
zieht der Herr zum letzten großen Sieg aus, um inmitten seiner Gemeinde, die wie eine
Braut für ihren Mann geschmückt ist (Offb 21, 2), die Erde trotz aller Angriffe Satans
in Besitz zu nehmen (Offb 20, 4). Hier wird auch das letzte Ziel der Wiederkunft deutlich,
wie es schon Paulus in 1.Kor 15, 23f zur Sprache gebracht hat: Christus wird am Ende des
großen Versöhnungswerkes und nach dem Vollzug des Gerichtes die neue Erde Gott selbst
übergeben, der dann unter seinem Volk, der versöhnten Menschheit, für immer wohnen und
regieren wird (Offb 21, 3.5; 22, 3).
1 Dies ist eine Offenbarung Jesu Christi. Gott hat sie ihm zuteil werden lassen, um seinen Dienern zu zeigen, was bald geschehen muß. Dann hat er, Christus, es bekannt gemacht, indem er es durch seinen Engel seinem Diener Johannes zusandte. 2 Der hat das Wort Gottes und das Zeugnis von Jesus Christus - alles, was er gesehen hat - bezeugt. 3 Glücklich kann sich schätzen, wer die Worte der Weissagung vorliest, und glücklich dürfen sich auch die schätzen, die sie hören und das darin Geschriebene beherzigen; denn es wird sich bald erfüllen.
1, 1: Gleich zu Beginn wird der Leser unmißverständlich über die
Herkunft des Buches aufgeklärt: es handelt sich nicht etwa um ein Produkt menschlicher
Erfindungskraft, sondern um eine Offenbarung Jesu Christi. Der Urheber der hier
vorliegenden Visionen ist kein anderer als der menschgewordene Sohn Gottes. Nach seiner
Kreuzigung, Auferstehung und Himmelfahrt hat er den Platz zur Rechten Gottes eingenommen,
der ihm die Offenbarung hat zuteil werden lassen: von seinem Vater empfängt Christus
prophetisches Licht über die Geschichte seiner Kirche auf Erden; aber nicht, um es für
sich zu behalten, sondern um es den Seinen in formender Deutung bekannt zu machen. Sie
sollen nicht im Unklaren über das bleiben, was bald geschehen muß.
Zunächst ist es Johannes, der Apostel und Lieblingsjünger Jesu, der Sohn des Zebedäus,
der das Licht der Offenbarung empfängt, und zwar durch einen Engel. Dieser steht entweder
für die Gesamtheit aller Engel, die Johannes die verschiedenen Teiloffenbarungen zuteil
werden lassen, oder ein bestimmter Engel ist gemeint, der für die Vermittlung sämtlicher
Einzeloffenbarungen die Hauptverantwortung trägt.
Johannes, der als letzter lebender Apostel die vorliegende Offenbarung etwa um 100 n. Chr.
niederschrieb, nennt sich hier bescheiden einen Diener Jesu. Er verzichtet darauf, die
Autorität seines Amtes geltend zu machen, stellt sich vielmehr mit allen Gläubigen auf
eine Stufe.
1, 2: Das Wort Gottes, das Johannes bezeugt hat, ist hier in
erster Linie eine Christus-Umschreibung. Wie ein Wort die Gedanken eines Redenden
offenbart, so offenbart Christus als das Wort des Vaters dessen inneres Wesen: zunächst
seine Barmherzigkeit, Liebe und Gnade, dann aber auch seinen gerechten Zorn.
Mit dem Zeugnis Jesu ist das von Johannes verfaßte vierte Evangelium gemeint. Dieses,
nämlich alles, was er gesehen hat, hat er bezeugt, hat es als Augen- und Ohrenzeuge
Christi nach bestem Wissen und Gewissen in mündlicher und schriftlicher Form seinen
Zeitgenossen verkündigt.
1, 3: Jesus begann seine Verkündigung mit den Seligpreisungen der Bergpredigt, und auch hier eröffnet er seine Weissagung mit einer Seligpreisung. Glücklich dürfen sich die schätzen, die aus dem Buch der Offenbarung - und zwar während der gottesdienstlichen Versammlungen - öffentlich vorlesen, darüber hinaus aber auch alle, die die verlesenen Worte hören, sie im Herzen bewahren und danach handeln, denn die im vorliegenden Buch aufgezeichneten Weissagungen werden sich bald erfüllen. Dann wird das im voraus erworbene Wissen über diese Dinge von unschätzbarem Nutzen sein.
4 Johannes entbietet seinen Gruß den sieben Gemeinden in
Asien: Gnade sei mit euch und Friede von dem, der ist, der war und der kommt, und von den
sieben Geistern vor seinem Thron 5 und von Jesus Christus, dem zuverlässigen Zeugen, dem
Erstgeborenen von den Toten, dem Herrscher über die Könige der Erde.
Ihm, der uns liebt, und der uns von unseren Sünden durch sein Blut erlöst hat, 6 und der
uns zu Königen und zu Priestern für Gott, seinen Vater, gemacht hat: Ihm gebührt die
Ehre und die Macht in alle Ewigkeit. Amen.
7 Ja, Christus kommt mit den Wolken, und jedes Auge wird ihn sehen, auch die, die ihn
durchbohrt haben. Dann werden seinetwegen alle Völker auf Erden von großem Entsetzen und
tiefer Trauer erfaßt werden. Ja, Amen. 8 Ich bin das A und das Z, spricht Gott der Herr,
der ist, der war und der kommt, der Allmächtige.
1, 4-5a: Johannes leitet seine Mitteilungen mit einem feierlichen
Segensgruß ein. Er widmet ihn den in Vers 11 und dann in den folgenden Kapiteln näher
vorgestellten sieben Gemeinden Kleinasiens; aber nicht allein ihnen gilt der Gruß, denn
in ihrer Siebenzahl, die die heilige Fülle umschreibt, repräsentieren die Gemeinden
über die damalige Situation hinaus auch die gesamte Kirche. Der Gruß, den Johannes
übermittelt, wird im folgenden trinitarisch entfaltet:
"Der ist, der war und der kommt" ist eine Abwandlung und Weiterführung der
Selbstbezeichnung Gottes im Alten Testament: "Ich bin, der ich bin". Der
souveräne Gott, der nach seinem Belieben über alle Dinge frei bestimmen kann, ist ein
Gott der Gegenwart, der Vergangenheit und der Zukunft. Vornehmlich um die Zukunft, genauer
um das zukünftige Kommen Gottes, geht es in dem hier vorliegenden Buch der Offenbarung:
wenn der Sohn in sichtbarer Herrlichkeit erscheint, dann erscheint in ihm auch der
unsichtbare Vater.
Die sieben Geister vor dem Thron weisen auf die unerschöpfliche Fülle des Heiligen
Geistes hin, ohne den die Verwirklichung des Heilsplanes Gottes und das Kommen seines
Reiches unmöglich wäre. Sowohl die Kräfte, die der Heilige Geist in sich selbst birgt
und auch zur Anwendung bringt, als auch seine Gaben, die er der Kirche mitteilt und in den
Wirren der Endzeit neu schenken will, sind unerschöpflich.
( ... )
Als erster im Herrlichkeitsleib auferstandener Mensch ist Christus der Erstgeborene von den Toten, dem nicht nur alle Macht im Himmel, sondern auch auf Erden gegeben ist. Obwohl bis zu seiner persönlichen Wiederkunft seine Macht nicht umfassend und durchgreifend in Erscheinung tritt, ist er gegenwärtig dennoch der König über die Herrscher der Erde; denn faktisch sind ihm alle irdischen Herrscher unterstellt: sie wirken - sei es bewußt oder unbewußt - an der Erfüllung seines Heilsplans mit, und eines Tages werden sie ihm für alles Tun und Lassen Rechenschaft ablegen müssen.
( ... )
1, 7: Mit dem folgenden Ausruf faßt Johannes vorausschauend den Inhalt
der Offenbarung zusammen: Ja, Christus kommt mit den Wolken. Nicht atmosphärische Wolken
sind hier gemeint - wenngleich der Blick auf sie symbolisch die Richtung markiert, aus der
der Sohn Gottes zu erwarten ist. Vielmehr weisen die Wolken auf die Scharen lebendiger,
bereits mit Christus verherrlichter, Menschen hin, auf die "vielen tausend
Heiligen", die ihn bei seiner Wiederkunft in Macht und Herrlichkeit begleiten werden.
Die Hoffnung der Christen kann sich deshalb nicht darin erschöpfen, selig sterben zu
dürfen, sondern sie zielt darauf, bei der Wiederkunft Christi als Auferstandene bzw.
Verwandelte an seiner Seite zu stehen und die Erde mit ihm in Besitz zu nehmen.
Und jedes Auge wird ihn sehen. Mit der sichtbaren Erscheinung Christi findet das Reich des
Antichristen, des letzten großen Herrschers des wiederaufgelebten römischen Reiches,
sein Ende - ein Ende, das von denen sehnlichst erwartet wurde, die sich der Herrschaft
dieses letzten selbsternannten "großen Führers" der Menschheit nicht gebeugt
haben. Der wiederkehrende Christus wird von allen Menschen gesehen werden. Auch diejenigen
können ihm nicht mehr ausweichen, die ihn durchbohrt haben, ihn mit dem Speer ihrer
Verachtung und ihres Unglaubens getötet zu haben meinen.
Und alle Völker auf Erden werden seinetwegen von großem Entsetzen und tiefer Trauer
erfaßt werden. Unter den Völkern auf Erden wird es bei dem großen Ereignis der
Wiederkunft Christi nicht nur solche - vor allem Getaufte - geben, die sich dem
Antichristen auf "Gedeih oder Verderb verschrieben" haben und mit ihm - dem
wiederkommenden Christus entgegen - in die Schlacht ziehen; sondern es wird - vorwiegend
unter den nicht getauften Völkern - auch solche Menschen geben, die nicht gezwungen
worden waren, sich eindeutig für oder gegen das antichristliche Regime zu entscheiden.
Deshalb werden viele nicht zu erklärten Anhängern oder gar zu Anbetern des Antichristen
geworden sein. Die Trauer dieser Völker wird beim sichtbaren Erscheinen Christi noch zur
Umkehr führen, während erstere die Wahnwitzigkeit ihres Tuns und das Ausmaß ihrer
Schuld zwar erkennen, aber zu einer durchgreifenden Reue nicht mehr fähig sind: ihre
"Trauer" ist nur noch eine solche ohnmächtiger Wut und haßerfüllter
Verzweiflung. Das Gerichtsurteil, das der wiederkommende Christus über den Antichristen
und seine Gefolgsleute vollstreckt, ist nun kein Gericht der Gnade mehr, sondern das der
Vergeltung. Ja, Amen: So wird es kommen. Kein Weg führt mehr an diesem Abschluß der
Weltgeschichte, an diesem "großen und schrecklichen Tag des Herrn", der aber
zugleich das lang ersehnte Reich immerwährenden Friedens mit sich bringt, vorbei.
9 Dann kam einer von den sieben Engeln, die die sieben Schalen mit den letzten sieben Plagen ausgeschüttet hatten, und er redete mit mir und sprach: Komm hierher, ich will dir die Braut, die Frau des Lammes, zeigen. 10 Und im Geist führte er mich weg auf einen großen und hohen Berg, und er zeigte mir die heilige Stadt Jerusalem, wie sie von Gott aus dem Himmel herabkam.
21, 9-10: Eigentümlicherweise zeigt ausgerechnet einer der Engel, die
die sieben Zornschalen ausgeschüttet hatten, Johannes nun die Braut bzw. die Frau des
Lammes. Das eigentliche und letzte Ziel der Gerichte Gottes, die der Engel repräsentiert,
ist also nicht die Ausrottung aller Gottlosen auf Erden, sondern die Einsetzung der
Erlösten in den ihnen von Gott zugedachten Stand wenngleich es dazu notwendig ist,
alle unverbesserlichen Sünder vom zukünftigen Schauplatz des Reiches Gottes zu
entfernen.
Der Gipfel des großen und hohen Berges, auf den der Apostel zum Zweck des Empfangs der
nun folgenden Vision geführt wird, markiert symbolisch den über alle Zeitläufe
erhabenen Standpunkt der gottgeschenkten Vollkommenheit, das glückselige Betrachten und
Genießen des vollkommenen Zustandes, den Gott am Ende der Tage herbeiführen wird. So
darf Johannes schon viele Jahre vor der Zeit die heilige Stadt Jerusalem von Gott aus dem
Himmel herabkommen sehen.
11 Sie war von der Herrlichkeit Gottes erfüllt, und sie strahlte wie ein überaus kostbarer Edelstein: Sie funkelte wie ein Diamant. 12 Sie hatte eine große und hohe Mauer mit zwölf Toren, und auf den Toren waren zwölf Engel, und Namen waren darauf geschrieben, nämlich die Namen der zwölf Stämme der Söhne Israels. 13 Drei Tore führten vom Osten in die Stadt, drei vom Norden, drei vom Süden und drei vom Westen. 14 Und die Stadtmauer hatte zwölf Grundsteine, auf denen die zwölf Namen der Apostel des Lammes geschrieben waren.
21, 11: Die aus dem Himmel von Gott herabkommende Stadt besitzt wie könnte es auch anders sein Gottes Herrlichkeit. Diese entspricht der alttestamentlichen "Schechina", der persönlichen Gegenwart Gottes, die sich während der Zeit der Wüstenwanderung in der Wolken- und der Feuersäule, später dann in der Rauchwolke der Stiftshütte und zuletzt des Tempels, Ausdruck verlieh.
Stiftshütte und Tempel sind Vorbilder der Kirche: Das Wüstenheiligtum versinnbildlicht die "streitende Kirche" auf Erden; dagegen ist der Tempel ein Typus der verherrlichten Kirche im Himmel. Während jedoch in der Schechina die persönliche Gegenwart Gottes noch in einer Rauchwolke verhüllt erschien, ist sie im menschgewordenen Gottessohn, der "wahrhaftigen Hütte Gottes, die Gott und nicht ein Mensch aufgerichtet hat", unverhüllt hervorgetreten: zunächst im Leben und Wirken Christi auf Erden, dann verhüllt im Heiligen Geist und schließlich, nach seiner Wiederkunft, für alle sichtbar und leiblich gegenwärtig.
Die Herrlichkeit des neuen Jerusalem, die ihren Ursprung und Quell in der persönlichen Gegenwart Christi unter den Seinen hat, wird mit dem Funkeln eines Diamanten verglichen. Gleich diesem edelsten aller Steine ist der verherrlichte Gottes- und Menschensohn derjenige, der in der neuen und verklärten Schöpfung fortwährend das Feuer des göttlichen Geistes in allen Farben und Schattierungen versprühen wird.
21, 12+13: Die große und hohe Mauer dient dem neuen Jerusalem nicht
der Abwehr von Feinden; denn diese sind ja nicht mehr vorhanden. Vielmehr markiert sie die
Abgrenzung der Einwohner der heiligen Stadt von den übrigen Bürgern des Reiches Gottes,
d.h. von den um sie herum wohnenden Menschen und Völkern, die nicht dem
"Allerheiligsten", sondern dem "Heiligen" und dem "Vorhof"
angehören.
Die zwölf Tore sind nach allen vier Himmelsrichtungen offen, um den Zugang in die Stadt
zu ermöglichen. Sie weisen auf zwölf in ihrer Wesensart verschiedene Gruppen von
Menschen hin, die die Aufgabe haben, weitere erlöste und deshalb auch fortschrittsfähige
Menschen in das Verständnis der Geheimnisse Gottes tiefer einzuführen. Die den Toren
zugehörigen zwölf Engel symbolisieren den Auftrags- und Botencharakter dieser zwölf
Menschengruppen, die mit den zwölf mal zwölftausend versiegelten Erstlingen des Lammes
identisch sein dürften. Auf jedes der Tore ist jeweils einer der zwölf Namen der zwölf
Stämme der Söhne Israels geschrieben. Die zwölf Stammesnamen machen nicht allein
deutlich, daß Jerusalem die Stadt des Volkes Gottes ist. Sie zeigen auch an, daß der
zwölffach verschiedene Charakter der geistlichen Stämme der Christenheit auch in der
Ewigkeit eine bedeutende Rolle spielen wird. Den unterschiedlichen geistlichen
Bedürfnissen und Veranlagungen aller Menschen wird im Reich Gottes in vollkommener Weise
Rechnung getragen werden.
21, 14: Die Mauer des himmlischen Jerusalem steht auf zwölf Grundsteinen, auf denen die Namen der zwölf Apostel geschrieben sind. Nach neutestamentlicher Lehre ist der geistliche Bau der Kirche "auf dem Grund der Apostel und Propheten errichtet, wobei Jesus Christus selbst der Eckstein ist". Dieser faßt also Fundament und Mauern zusammen und verbindet sie zu einer harmonischen Einheit. Auch im vollendeten Reich Gottes wird demnach das Amt der unmittelbar vom Herrn der Kirche Bevollmächtigten fortbestehen. Ausdrücklich werden die obersten Leiter der Kirche hier die Apostel des Lammes genannt, denn es wird die Herrschaft der Sanftmut und der Liebe sein, die der erhöhte Menschen- und Gottessohn über alle erlösten Menschen durch seine Apostel, durch solche Männer, die er jeweils einzelnen und persönlich berufen hat, zur Ausführung bringen wird.
(...)
3 Und ich hörte eine laute Stimme vom Thron her sagen: Siehe, jetzt ist die Wohnung Gottes bei den Menschen: Er wird bei ihnen wohnen, und sie werden seine Völker sein; ja, Gott selbst wird bei ihnen sein. 4 Und er wird alle Tränen aus ihren Augen abwischen. Und der Tod wird nicht mehr sein, noch Trauer, noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein, denn was früher war, ist vergangen. 5 Und der auf dem Thron saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu. Und weiter sprach er: Schreibe, denn diese Worte sind zuverlässig und wahr. 6 Und er sagte zu mir: Alles hat sich nun erfüllt. Ich bin das A und das Z, der Anfang und das Ende. Ich werde allen, die Durst haben, umsonst aus der Quelle des lebendigen Wassers zu trinken geben. 7 Wer den Kampf siegreich besteht, dem wird dies zuteil werden, und ich werde ihm Gott, und er wird mir Sohn sein. 8 Aber die Feigen und die Treulosen und die Frevler und die Mörder und die Unzüchtigen und die Zauberer und die Götzendiener und alle Lügner sie werden sich in dem See finden, der mit Feuer und Schwefel brennt; das ist der zweite Tod.
21, 3: Mit der Herabkunft des himmlischen Jerusalem ist endlich die vollkommene Wohnung Gottes bei den auf Erden wohnenden Menschen aufgerichtet. Er wird bei ihnen wohnen, und sie werden seine Völker sein; ja, Gott selbst wird bei ihnen sein. Die denkbar innigste Verbundenheit zwischen Gott und Mensch, die zuerst in Christus, dann in der verklärten Kirche Wirklichkeit geworden war, wird nun das Vorrecht aller sein, die die Erde bewohnen.
Wie der Mensch, der berufen ist, ein Tempel Gottes zu sein, drei eng
miteinander verbundene "Bestandteile" aufweist nämlich Leib, Seele und
Geist so besteht auch die Stiftshütte, die Mose nach dem ihm von Gott gezeigten
Vorbild in der Wüste aufrichtete, aus drei Teilen, nämlich dem Vorhof, dem Heiligen und
dem Allerheiligsten. Die ewige Wohnung Gottes bei den Menschen entspricht diesem Typus:
Das Allerheiligste wird die verklärte Kirche bilden, mit dem verherrlichten Christus an
ihrer Spitze. Dem Heiligen wird das zur Vollendung gelangte Volk Israel entsprechen, und
der Vorhof schließlich umfaßt die Gesamtheit aller heidnischen Völker, d.h. solcher
Gruppen von Menschen, die weder die Taufe empfangen haben noch in irgendeiner Weise
ethnisch dem Volk Israel zuzuordnen sind. Somit umschließt die Wohnung Gottes bei den
Menschen das gesamte erlöste und leiblich verklärte Menschengeschlecht. Kein Teil wird
sich vom anderen absondern, sich über einen anderen erheben oder gar feindliche Pläne
schmieden; sondern wie bei einem gesunden Menschen werden alle drei
"Bestandteile" bzw. alle "Glieder" in gegenseitiger Dienstleistung
zusammenwirken und dadurch zu ihrer eigentlichen, letztendlichen Bestimmung gelangen.
Der Grad Herrlichkeit der verschiedenen "Bestandteile" dieser endzeitlichen
Hütte Gottes nicht aber die grundsätzliche "Qualität" oder der Wert
des Erlösungszustandes wird verschieden sein. Jeder Mensch wird an seinem Platz
die für ihn zugeschnittene Aufgabe und auch das ihm zugedachte Maß an Seligkeit
empfangen und verkörpern.
"Gott wird bei ihnen wohnen" ist ferner die Bedeutung des Namens Immanuel, den
schon Jesaja dem kommenden Jungfrauensohn als dem erwarteten Erlöser beilegte. Die
Vereinigung der göttlichen und menschlichen Natur in Christus wurde nicht etwa mit seiner
Kreuzigung oder Himmelfahrt aufgelöst, vielmehr wird sie mit der Aufrichtung der Wohnung
Gottes auf Erden ihre volle und reife Frucht zeitigen; denn alle Menschen, die in ihr
Wohnrecht haben, werden der Natur Gottes real und unverlierbar teilhaftig werden.
21, 4: Und er wird alle Tränen aus ihren Augen abwischen: Alle Leiden und Schmerzen der Menschen, mochten sie körperlicher, seelischer oder geistlicher Natur gewesen sein, sind nun für immer vorüber, und auch der härteste Feind allen Lebens und aller Freude, der Tod, wird nicht mehr sein. Auch Trauer, Geschrei und Schmerz werden nicht mehr sein. Es wird nichts mehr geben, was den glücklichen Zustand der Erlösten beeinträchtigen könnte; denn was früher war, ist vergangen. Alle Unvollkommenheiten der bisherigen Welt gehören nun für immer der Vergangenheit an.
21, 5: Der auf dem Thron saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu. Kein anderer als der verherrlichte Gottes- und Menschensohn selbst, der die Herrschaft über die erlöste Menschheit jetzt sichtbar in seine Hände genommen hat, läßt den Apostel Johannes dieses große und tröstliche Wort niederschreiben, dessen Zuverlässigkeit durch eine besonders feierliche Versicherung noch einmal hervorgehoben wird: Schreibe, denn diese Worte sind zuverlässig und wahr. Ein wahrhaft tröstliches Wort für alle aufrichtigen Leser und Hörer, die nahe daran sind, an sich selbst oder anderen zu verzweifeln: Gott persönlich wird eingreifen und alles, d.h. nicht allein die widrigen Umstände in Natur, Umwelt und in den übergreifenden sozialen und politischen Verhältnissen, sondern auch den Menschen selbst im innersten Kern seines Wesens, das so schnell die erschreckendsten Abgründe offenbart, neu machen. So wird im vollendeten Reich Gottes in der Tat alles mit neuer Kraft und Schönheit begabt sein, und der Mensch wird für alle Zeit und Ewigkeit mit bisher nicht gekannter innerer Freude und Befriedigung erfüllt werden.
21, 6: Alles hat sich nun erfüllt. Diese Aussage stellt die Tatsache
des zukünftigen Handelns Gottes heraus, und zwar in einer Zeitform, die die absolute
Gewißheit des Eintretens der beschrieben Ereignisse zum Ausdruck bringt. "Was Gott
spricht, geschieht, und was er gebietet, steht da" ganz gleich, ob seine Worte
sofort oder erst zu einem späteren, von ihm genau festgesetzten Zeitpunkt eintreffen.
Christus setzt hier nochmals den Anfangs- und den Endbuchstaben des griechischen Alphabets
in Beziehung zu seiner Person: Als "A" ist er nicht nur der Anfang aller Dinge
in der materiellen Welt, sondern auch Urheber und Begründer der neuen geistlichen
Schöpfung, nämlich seiner Kirche. Und hier wie dort wird er auch das "Z", das
Ende sein. Was er begonnen hat, wird er zum Ziel führen. Die Aufrichtung seines ewigen,
seit Urzeiten verheißenen Reiches die Wiederherstellung des verlorenen Paradieses
wird trotz des heftigsten Widerstands seiner Feinde erfolgen.
In dieser kommenden Welt Gottes wird jeglicher Durst der Menschen nach Vollkommenheit und
wahrem himmlischen Leben voll und ganz gestillt werden, denn der Sohn Gottes wird sich als
unerschöpfliche Quelle erweisen, die das lebendige Wasser des Heiligen Geistes umsonst
und in überfließendem Maße allen zuströmen lassen wird, die die Gabe des neuen Lebens
aus seiner Hand bereits empfangen haben.
1 Und er zeigte mir den Strom mit dem Wasser des Lebens. Er war klar wie ein Kristall und entsprang dem Thron Gottes und des Lammes 2 und floß in der Mitte ihrer Straße. Und auf beiden Seiten des Stromes wuchs der Baum des Lebens, der zwölfmal im Jahr Früchte trug: Jeden Monat gab er seine Frucht, und seine Blätter dienten den Völkern zur Heilung. 3 Und es wird in dieser Stadt nichts mehr geben, das unter Gottes Fluch steht. Der Thron Gottes und des Lammes wird in ihr sein, und alle, die Gott ergeben sind, werden ihm dienen, 4 und sie werden sein Angesicht sehen, und sein Name wird auf ihren Stirnen stehen. 5 Und es wird keine Nacht mehr geben, und sie werden weder das Licht einer Lampe noch das Licht der Sonne brauchen, denn Gott der Herr wird über ihnen leuchten, und sie werden herrschen von Ewigkeit zu Ewigkeit.
22, 1: Bisher war vom himmlischen Jerusalem, vom Zustand seiner
Bewohner und auch von den umliegenden Nationen die Rede gewesen. Jetzt zeigt der Engel,
wie auch die gesamte natürliche Welt, ausgehend vom Thron Gottes und des Lammes, zu einem
herrlichen "Garten Eden" umgestaltet wird. Mit der Herabkunft des himmlischen
Jerusalem auf die Erde ist das einst verlorene Paradies zurückgekehrt. Mehr noch: Die
neue Welt Gottes wird den Zustand des ursprünglichen Paradieses, der doch schon Gottes
Herrlichkeit in ungetrübter Form besaß, noch in vielerlei Hinsicht überbieten.
Ein lebensspendender Strom, aus Eden kommend, bewässerte einst den Paradiesgarten auf
Erden und teilte sich dort in vier Hauptarme. Auch auf der erneuerten Erde wird, ausgehend
vom Thron Gottes und des Lammes, ein kristallklarer Wasserstrom entspringen. Er wird in
der Mitte der Straße der heiligen Stadt fließen und so zusammen mit dem Thron eine
zentrale Stellung einnehmen. Klar wie ein Kristall, rein und ungetrübt, entströmt das
Lebenswasser des Heiligen Geistes dem Thron Gottes und des Lammes, um sich in nie
aufhörender Belebung über die gesamte Schöpfung zu ergießen. Herrliches Wachstum in
allen Stücken und reicher Segen sind die Folge. Niemals mehr werden Blitze und Donner von
diesem Thron ausgehen. Die Gerichte sind vorüber. Unaufhörlich verströmt Gott sein
Leben in die Welt.
22, 2: Der Strom des ewigen Lebens fließt in der Mitte der Straße,
bewässert also, von der Hauptstraße ausgehend, das gesamte Straßensystem des neuen
Jerusalem. Dieser Symbolik nach sind es zuerst die Bewohner des Allerheiligsten, denen der
reiche Segen dieses belebenden Stromes zugute kommt. Dies wird durch die folgende Aussage
bildreich veranschaulicht und dabei noch näher ausgeführt: Auf beiden Seiten des Stromes
wuchs der Baum des Lebens, der zwölfmal im Jahr Früchte trug: Jeden Monat gab er seine
Frucht, und seine Blätter dienten den Völkern zur Heilung. Benannt wird hier eine
Vielzahl von Bäumen, die mit ihren Wurzeln das Lebenswasser des Flusses unmittelbar
aufnehmen. Sie weisen zunächst auf die gesamte Einwohnerschaft der Stadt hin. Die
verherrlichte Kirche ist es, die nun in vollkommener Weise ihrer hohen Berufung gerecht
wird, mit wahrhaftigen und rechtschaffenen "Früchten der Gerechtigkeit" ein
Segen für alle auf Erden lebenden Völker und Menschen zu sein.
Die Frucht eines Baumes weist auf das tatkräftige Handeln eines Menschen hin, das mit
seinem Reden, dem "Rauschen der Blätter", in Einklang stehen muß. Sie
versinnbildlichen also das Bekenntnis der Lippen, das sich im Tun des Gerechten und Guten
bewahrheiten muß. Die Blätter des Lebensbaumes, die Worte der Bewohner der himmlischen
Stadt, werden keine hohlen und schönklingenden Phrasen sein, sondern durch und durch wahr
und übereinstimmend mit der Wirklichkeit des Lebens. Endlich kann eintreten, was zuvor
jahrtausendelang auf Erden vermißt wurde: Die Worte des Volkes Gottes fördern, stärken
und erhalten die geistliche Gesundheit aller Nationen in einer bisher nicht gekannten
Weise.
Die zwölffache Ernte der Früchte weist auf die Leiter der Gesamtkirche hin, nämlich auf
das Zwölferkollegium der Apostel: Durch ihre Vermittlung wird der Lebensbaum Monat für
Monat neue und frische Frucht bringen, und die Blätter werden den Völkern zur Heilung
dienen. Beständiges geistliches Wachstum und auch der immerwährende Fortschritt von
einer Erkenntnisstufe zur anderen wird durch die Wirksamkeit der Apostel gewährleistet
sein.
Zweifellos wird diese letze Vision der Offenbarung auch in buchstäblicher Weise ihre
Erfüllung finden und auf die natürliche Welt der erneuerten Erde bezogen werden können.
Klares und reines Wasser wird sie in reichem Maße durchfluten. Eine wunderbare
Pflanzenwelt wird sich entfalten können, und es werden auch Bäume vorhanden sein, deren
Früchte der Frucht des Baumes des Lebens im urzeitlichen Paradies entsprechen und deren
Blätter Kräfte enthalten, die das Leben der Menschen auf vielfache Weise stärken und
fördern.
Das Paradies ist wiedergekehrt, jedoch größer, schöner und "vollkommener".
Denn die Möglichkeit des urzeitlichen Paradieses, durch die Früchte des Baumes der
Erkenntnis zum Abfall von Gott verführt zu werden, besteht nicht mehr. Der Kampf gegen
das Böse, der einst im Paradies seinen Anfang nahm, ist nun ein für allemal
ausgefochten. Krankheit, Leid und Tod gehören für immer der Vergangenheit an.
22, 3-5: In der himmlischen Stadt wird es nichts Verfluchtes mehr
geben, denn alle Einflüsse des großen Widersachers Gottes sind ausgeschaltet, und auch
Sünde und Tod sind mit dem Teufel endgültig überwunden. Der Thron, d.h. die Herrschaft,
des dreieinigen Gottes erfüllt die Erde, und nicht mehr ein von Menschen errichteter
Tempel, sondern eben dieser Thron wird die Stätte der göttlichen Gegenwart in der
himmlischen Stadt sein. Alle, die Gott ergeben sind, alle erlösten Menschen, dienen ihm,
ein jeder nach seinen Gaben und Fähigkeiten an seinem Platz, so daß Gott in der Tat
"alles in allem" geworden ist und sein heiliger Wille gemäß der dritten Bitte
des Vaterunser nun auch auf Erden in vollkommener Weise so geschieht, wie er bisher nur
von den Engeln im Himmel ausgeführt wurde.
Auf Erden hatte kein Mensch Gottes Angesicht sehen dürfen, denn keiner hätte vor seiner
Heiligkeit bestehen können. Jetzt aber und das wird die Quelle allen Lebens und
aller Lebensfreude sein dürfen alle Erlösten ihn so sehen, wie er ist, und
infolge dieses Schauens werden sie ihm ähnlich sein und immer ähnlicher werden.
Sein Name wird auf ihren Stirnen stehen. Damit sind sie für alle Zeit als sein Eigentum
gekennzeichnet, aber auch die Herrlichkeit Gottes und seine Kraft wird auf ihren Stirnen
zu sehen sein. Es wird keine Nacht mehr geben. Sie werden weder das Licht einer Lampe noch
das Licht der Sonne brauchen, denn Gott der Herr wird über ihnen leuchten. Was in Kapitel
21, 23.25 als besonderes Merkmal des neuen Jerusalem geschildert wurde, wird hier auf alle
Bürger des Reiches Gottes bezogen. Denn durch den Dienst der Bewohner der himmlischen
Stadt wird sich das keinem Wechsel mehr unterworfene Licht Gottes über die ganze Erde und
ihre Bewohner ausbreiten.
Wurde eben noch der gottergebene Dienst der Erlösten betont, so wird abschließend noch
einmal ihr Teilhaben an der Herrschaft Gottes zur Sprache gebracht: Und sie werden
herrschen von Ewigkeit zu Ewigkeit. Nicht alle Erlösten werden am Regiment Gottes in der
Weise teilhaben, daß sie ihnen untergebene Menschen zu leiten hätten. Dennoch ist diese
Aussage insofern voll zutreffend, als alle erlösten Menschen gleichsam als
Stellvertreter Gottes im vollen Sinne Herrscher über die Natur sein werden. Und
wie das über die Verdammten verhängte Urteil gültig bleibt, so werden auch die
Erlösten für immer an Gottes Herrschaft teilhaben dürfen.
"Jesus hat das Reich Gottes verkündigt; doch gekommen ist die
Kirche!" Dieser fast schon populär gewordene und nicht unbedingt kirchenfreundlich
zu verstehende Ausspruch ist zweifellos richtig, doch darf dabei nicht übersehen werden,
daß Jesus sowohl das Reich Gottes als auch die Kirche ankündigte. Die Kirche, das Reich
Gottes "im Geheimnis" ist bereits gekommen; doch die sichtbare Herrschaft Gottes
steht noch aus. Beide Größen dürfen nicht miteinander verwechselt oder vermischt
werden.
Tatsächlich war die Predigt Jesu während seiner irdischen Wirksamkeit zunächst nichts
anderes als die Fortsetzung der Verkündigung Johannes des Täufers: das Kommen des
Reiches, das dieser letzte Prophet des alten Bundes ankündigte, nämlich das von Daniel
und den übrigen Propheten geweissagte, das in sichtbarer Gestalt in Israel aufgerichtet
werden sollte, war auch Gegenstand der Verkündigung Jesu.
Die Wunder und Zeichen, die er dabei unter dem Volk tat, waren nicht in erster Linie als
Offenbarung seiner göttlichen Allmacht, sondern vor allem als Hinweis auf die
bevorstehende Erlösung für die in Elend und Tod versunkene Menschheit anzusehen. Sie
sollten deutlich machen, daß er der verheißene Messias war, der die Folgen der Sünde
aufheben und alles Elend überwinden konnte. Bei seinen Zeitgenossen erweckte Jesus also
zunächst ganz bewußt den Eindruck, daß die Aufrichtung der von den alten Propheten
geweissagten Herrschaft Gottes unmittelbar bevorstand.
Darüber hinaus ist jedoch unübersehbar, daß Jesus schon in der Bergpredigt das von ihm
angekündigte Gottesreich nicht mehr als unmittelbar im Kommen begriffen umschrieb,
sondern als etwas Zukünftiges, nach dem man trachten und auf dessen Kommen man warten
sollte. Gleichzeitig deutete er auf etwas Neues hin, was vom traditionellen
Reich-Gottes-Verständnis deutlich unterschieden werden mußte, nämlich auf die Anbetung
Gottes im Geist und in der Wahrheit und auf die Taufe mit dem Heiligen Geist. Diese
Aussagen zielten auf die Gründung der Gemeinde des Neuen Bundes, wenngleich Jesus das
Wort "Kirche" bis zum Tode seines Vorläufers Johannes nicht aussprach. Erst vom
Zeitpunkt dieses Ereignisses an war anscheinend abzusehen, daß das von Johannes - und
Jesus - proklamierte Gottesreich nicht unmittelbar würde aufgerichtet werden können.
Doch nicht nur das Kommen dieses Reiches - auch den Bau seiner Gemeinde kündigte Jesus
als etwas in der Zukunft Liegendes an. Auf das Bekenntnis des Petrus gab Jesus die
Antwort: "Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen ... und
ich will dir die Schlüssel des Himmelreiches geben."
Der Entschluß Jesu, seine Kirche zu bauen, ist demzufolge nicht etwa als eine neue
Interpretation der alttestamentlichen Reich-Gottes-Verheißung zu verstehen, wodurch deren
buchstäbliche Erfüllung hinfällig geworden wäre. Die angekündigte Gründung der
Gemeinde war vielmehr in keiner Weise als direkte Erfüllung alttestamentlicher
Verheißungen anzusehen, sondern es handelte sich um einen bis zum damaligen Zeitpunkt
nicht geoffenbarten Schritt im Heilsplan Gottes, den Paulus die Offenbarung des
Geheimnisses, das seit ewigen Zeiten verschwiegen war, nennt. Es kann daher nicht
verwundern, daß Jesus seinen Zeitgenossen ein "Reich" vor Augen stellte, das
sich von dem in den Psalmen und den Propheten geschilderten ganz erheblich unterschied.
Offenbar schilderte er einen Zwischenzustand, der dem Widersacher Gottes einen, wenn auch
streng eingegrenzten, so doch aber erheblichen Spielraum einräumen würde. Erst bei der
herrlichen Wiederkunft Christi würde dieser Zustand plötzlich aufgehoben werden und das
Reich Gottes sich sichtbar darstellen. Der Zustand des Reiches Gottes "im
Geheimnis", nämlich der Kirche, hat überhaupt keine Ähnlichkeit mit einem
"Reich" im althergebrachten Sinne des Wortes; vielmehr handelt es sich um einen
Zustand der Anfechtung und des Kampfes. Keineswegs ist er das seit Urzeiten verheißene
Reich Gottes, sondern erst die "Schule", worin die zukünftigen Könige und
Priester auf ihre späteren Aufgaben vorbereitet werden sollen. Allenfalls insofern kann
die Kirche als ein "Reich" angesehen werden, als in ihm die getauften Gläubigen
bereits aus dem Reich der Finsternis in das Reich des Sohnes Gottes versetzt sind.
Die alttestamentlichen Verheißungen vom Reich Gottes finden erst mit dem Abschluß der
Geschichte der Kirche ihre Erfüllung, d.h. mit dem großen Ereignis der herrlichen
Wiederkunft Christi unmittelbar vor dem Eintritt des Milleniums. Vor dem Beginn dieses
Zeitabschnittes erfolgen auch die erste Auferstehung sowie Verwandlung und Entrückung der
treuen Nachfolger Christi. Die auf diesem Wege verklärte und vollendete Kirche wird dann
das himmlische Jerusalem bilden, das sich nach dem Ablauf des Milleniums als Gottes
vollkommene Stadt auf die Erde herabsenken wird. Mit diesem Ereignis tritt das Reich
Gottes in das Stadium seiner Vollendung ein, in dem Gott alles in allem und seine Wohnung
für immer und ewig bei den Menschen sein wird.
1 Und ich sah einen Engel aus dem Himmel herabkommen, der hielt den Schlüssel zum Abgrund und eine große Kette in seiner Hand. 2 Er ergriff den Drachen, die alte Schlange - die auch Teufel oder Satan genannt wird - und legte ihn für tausend Jahre in Fesseln. 3 Dann warf er ihn in den Abgrund, schloß zu und brachte ein Siegel an, damit er bis zum Ablauf der tausend Jahre die Völker nicht mehr verführen konnte. Erst danach wird es nötig sein, daß er für eine kurze Zeit nochmals freigelassen wird. 4 Dann sah ich Throne, und ich sah auch, daß die, die sich darauf niedersetzten, die Vollmacht empfingen, das Gericht zu halten; ich sah auch die Seelen derer, die um des Zeugnisses Jesu und des Wortes Gottes willen enthauptet worden waren und die weder das Tier noch sein Bild angebetet und auch nicht das Kennzeichen auf ihrer Stirn und ihrer Hand angenommen hatten. Sie wurden wieder lebendig und regierten zusammen mit Christus tausend Jahre. 5 Dies ist die erste Auferstehung. Die übrigen Toten aber wurden erst nach dem Ablauf der tausend Jahre wieder lebendig. 6 Glücklich und heilig ist, wer an der ersten Auferstehung teilhat. Über diese hat der zweite Tod keine Macht, sondern sie werden Priester Gottes und Christi sein und die tausend Jahre mit ihm regieren.
20, 1-3: Der aus dem Himmel herabkommende Engel, der zwei symbolische Werkzeuge, nämlich einen Schlüssel und eine große Kette mit sich führt, weist auf den langersehnten Sendboten Gottes hin, nämlich auf den "Engel des Bundes, den ihr begehrt". Es ist kein anderer als der Sohn Gottes, der nun den Drachen, den blutrünstigen gefallenen Engelfürsten ergreift, um ihn für tausend Jahre zu binden und in den Abgrund zu werfen. Dieser ist ein außerhalb der Lebenssphäre der Erde gelegener Ort, der nun über dem Teufel und dem Heer seiner bösen Geister verschlossen und versiegelt wird. Mit einer großen Kette wird die alte Schlange, der listige Verführer der Menschen, nun gefesselt, so daß sie für einen Zeitraum von tausend Jahren keinen Schaden mehr anrichten kann. Der Götzendienst der heidnischen Kulturen und alle damit verbundene Verblendung und Verfinsterung werden infolge dieser Maßnahme ein Ende finden. Allerdings wird der Teufel nach dem Ablauf dieser Frist nochmals für eine kurze Zeit freigelassen werden.
20, 4-6: Die Throne weisen zunächst auf die vierundzwanzig Thronsessel
hin, die in unmittelbarer Nähe des Thrones Christi den Aposteln vorbehalten sind. Mit
eingeschlossen sind hier aber noch viele weitere "größere" und
"kleinere" Throne, die mit diesen vierundzwanzig und dem Hauptthron in deren
Mitte in enger Verbindung stehen. Alle, die sich auf diese Throne setzen, empfangen die
Vollmacht, Gericht zu halten. Es sind die oben erwähnten Heere, auf weißen Pferden und
bekleidet mit weißen Gewändern, die jetzt Platz nehmen, um als Könige und Priester am
Gericht, d.h. an der jetzt auszuführenden Herrschaft Christi über die Erde und ihre
Bewohner, teilzunehmen. Die Verheißung Jesu, nach der von seinen treuen Dienern der eine
Macht über zehn, der andere über fünf Städte bekommen wird, geht jetzt wörtlich in
Erfüllung.
Weiter werden die Seelen der Enthaupteten, d.h. aller derer, die während der
antichristlichen Bedrängniszeit ihrem Herrn die Treue gehalten und den Märtyrertod nicht
gescheut haben, in besonderer Weise hervorgehoben: Sie werden zum Leben erweckt, um
tausend Jahre lang mit Christus zu regieren. Sie gehören zu den Glücklichen und
Heiligen, die im Gegensatz zu den übrigen Toten zur ersten Auferstehung gelangen.
Die Verheißung der Teilnahme an der ersten Auferstehung gilt demnach ausdrücklich auch
den "törichten Jungfrauen", die von der Entrückung ausgeschlossen und auf der
Erde zurückgelassen worden waren, - sofern sie, erschüttert durch das ernste Wort
Christi "Wahrlich, ich sage euch: Ich kenne euch nicht!", sich besinnen und für
den nötigen Ölvorrat in ihren Lampen sorgen. Auch sie werden vor dem Beginn des
Millenniums zum Leben erweckt. Der zweite Tod, das unwiderrufliche und ewige Verderben,
wird keine Macht über sie gewinnen, sondern als Priester Gottes und Christi werden sie
die tausend Jahre der Friedensherrschaft des Millenniums mit ihm regieren.
Das Tausendjährige Reich Die Lehre vom Tausendjährigen Friedensreich
in der sichtbaren politischen Gestalt einer auf Erden aufgerichteten Gottesherrschaft war
in der frühen Kirche weit verbreitet. Erst im Zuge der Unterdrückung der strengen und
teilweise auch häretischen Richtung der Anhänger des Montanus, der das Kommen dieses
Reiches kompromißlos verkündet hatte, wurde die Hoffnung auf den Anbruch des Millenniums
mit dem Sektennamen der "Montanisten" belegt oder auch als Chiliasmus oder
Schwärmertum bezeichnet. Später war es dann Augustinus, der die konventionelle Lehre vom
Tausendjährigen Reich überwand, indem er die Weissagungen aus dem 20. Kapitel der
Offenbarung vergeistigte und sie auf die mit dämonischen Mächten kämpfende Kirche
deutete.
Zweifellos ist mit der Lehre vom Tausendjährigen Reich grober Mißbrauch getrieben
worden, angefangen von der Berechnung des Termins der Wiederkunft Christi, bis hin zu den
Versuchen, mit sozialreformerischen, politischen und sogar militärischen Mitteln Gottes
Friedensreich herbeizuführen. Es darf aber nicht übersehen werden, daß die Lehre vom
Tausendjährigen Reich fester Bestandteil des Neuen Testaments ist. Im Folgenden ein
kurzer Abriß der biblischen Lehre vom Tausendjährigen Reich:
Nach dem Abschluß des Zeitalters der Kirche, d.h. unmittelbar vor der Aufrichtung des
Millenniums, wird das wiederhergestellte und aus der Zerstreuung gesammelte Volk Israel
sich zu seinem lange verkannten Messias bekehren und in der Folgezeit als Gottes
auserwähltes Volk in allen Ländern der Erde zu hohen Ehren gelangen.
In Jerusalem wird der Tempel, wie ihn Hesekiel in den letzten Kapiteln seines Buches
prophetisch geschildert hat, in herrlicher Schönheit erstehen, und die Repräsentanten
aller Völker werden in die Stadt kommen, um dort den wahren Gott anzubeten. Wie
"Leben aus den Toten" werden von Israels Hauptstadt, die auch das politische
Zentrum der ganzen Erde sein wird, der Segen Gottes und sein Licht über die Länder und
Völker kommen, die bisher "von Finsternis und Dunkel bedeckt", aber vom Gericht
über den Antichristen und seine Anhänger verschont geblieben waren. Zahlreiche
Schriftstellen weisen unmißverständlich darauf hin, daß das Volk der Juden am Ende der
Zeiten voll und ganz wiederhergestellt wird, um seiner gottgegebenen Berufung, die Völker
Gottes Wege zu lehren, gerecht zu werden.
Der Ratschluß Gottes mit Israel und den übrigen Völkern der Erde läßt sich wie folgt thesenartig zusammenfassen:
1. Wenn die Kirche vollendet ist, wird sich Gott des Volkes Israel wieder annehmen.
2. Ein Überrest aus Israel wird sich bekehren und den gekreuzigten Christus als den von den Vorvätern zu Unrecht verworfenen Messias erkennen und anerkennen.
3. Die Juden werden in ihr Land zurückgeführt werden. Nach ihrer Wiederherstellung werden sie bzw. die Israeliten das große "Missionsvolk" für die übrigen Völker der Erde sein.
4. Alle Völker der Erde werden sich dann Gott zuwenden und ihm dienen.
5. Sie werden - bis auf die, die sich weigern und am Ende der tausend Jahre dafür bestraft werden - zur Anbetung nach Jerusalem kommen. Die ganze zur Zeit des Millenniums auf Erden lebende Menschheit wird so im Reich des Friedefürsten Christus "Zeiten der Erquickung" erleben.
Während der Zeit des Tausendjährigen Reiches wird Satan im Abgrund gebunden, d.h. für die auf Erden lebenden Menschen unschädlich gemacht sein. Dies wird sich in fünffacher Weise auswirken:
1. Es wird keine Kriege mehr geben, nachdem alle Schwerter zu Pflugscharen gemacht worden sind.
2. Die Raubtiere verlieren ihren aggressiven Charakter, so daß z.B. die Wölfe bei den Lämmern wohnen und die Löwen Stroh fressen werden.
3. Die Erde wird schöner und fruchtbarer sein als zuvor, Wüsten werden zu Gärten, und das dürre Land wird voller Wasserquellen sein. Mißernten gehören der Vergangenheit an, und das bebaute Land wird seinen Ertrag reichlich geben.
4. Sonne und Mond werden in einem anderen Licht strahlen.
5. Die Menschen werden aufgrund der Bindung Satans und der daraus folgenden Einschränkung der Sünde ein sehr hohes Alter erreichen.
Die Struktur des Millenniums wird dem dreiteilig geordneten Bau der Stiftshütte entsprechen, die aus Vorhof, Heiligem und Allerheiligstem bestand. Das Allerheiligste wird sich im Tausendjährigen Reich im himmlischen Jerusalem, nämlich der verklärten Kirche, manifestieren; das Heilige wird das irdische Jerusalem sein: das zu Christus bekehrte und ins Land der Verheißung zurückgeführte Volk des Alten Bundes; den Vorhof schließlich bilden die Völker, die sich durch die Missionstätigkeit Israels zum Glauben an Gott und seinen Christus bekehren werden.
(...)
Das Tausendjährige Reich wird die denkbar besten Bedingungen für ein
glückliches und friedliches Miteinander aller Menschen und Völker bieten. Doch wie
werden sie angesichts all der günstigen Umstände reagieren? Werden sie alle Segnungen
und Gaben zu würdigen wissen und sich dankbar zeigen? Nein, es wird nicht so sein! Einmal
mehr, genauer gesagt ein letztes Mal wird sich erweisen: Nicht die äußeren
Verhältnisse, nicht die größten Erweisungen der Liebe und Güte Gottes und schon gar
nicht die Kraft des guten Willens des Menschen sind es, die ihn vor dem Fall bewahren
können. Es bleibt dabei, daß nur einer gut ist und daß alle, die nicht im ungeteilten
Vertrauen auf ihn und in demütiger Abhängigkeit von ihm leben, ihm schließlich den
Rücken kehren.
Verschiedene Schriftstellen weisen darauf hin, daß die Unterwerfung unter den wahren Gott
während der Zeit des Millenniums bei vielen nur eine halbherzige Angelegenheit sein wird.
Der Vernichtung bei der Schlacht von Harmagedon entronnen, werden die Völker zunächst
jährlich heraufkommen, um Gott anzubeten und das Laubhüttenfest zu feiern. Offenbar
werden sie von der Majestät Gottes und seiner Macht, die nicht allein in der Vernichtung
seiner Feinde, sondern auch in der wunderbaren Umgestaltung der Natur zutage getreten ist,
zunächst erstaunt, ja überwältigt sein. Doch im Laufe der Zeit gewöhnen sich die
Menschen an seine Güte und werden dabei sorglos und gleichgültig. Sie versäumen es,
Gott anzubeten und verachten seine Zurechtweisungen, die auch jetzt noch zur Umkehr leiten
wollen. So werden sie schließlich nach dem Ablauf der tausend Jahre reif für den
Versucher, der noch ein letztes Mal freigelassen wird, um die Menschen zu verführen.
Satan wird ausgehen, um von den Enden der Erde die Völker Gog und Magog so zahlreich wie
"Sand am Meer" zu versammeln.
Es handelt sich hierbei nicht um einen Willkürakt Gottes, sondern wie immer wird er auch
diesmal in seinem Tun gerechtfertigt sein. Eine große Anzahl von Bürgern des Millenniums
werden den Beweis liefern, daß ihre Herzen in all den Jahren nicht verändert worden
sind. Vielmehr zeigen sie sich als Nachfahren jener Feinde Gottes, die in den Tagen des
Antichristen gegen das Volk Gottes heraufgezogen waren. Noch einmal wird deutlich, und
noch einmal sei dieser grundlegende Tatbestand hier erwähnt: Kein Mensch ist als solcher
"gut". Weder das natürliche Gesetz im Herzen, noch das geschriebene Gesetz,
noch die Gegenwart Christi im Heiligen Geist, ja nicht einmal die persönliche Gegenwart
Christi, der mit seinen Heiligen regiert, vermögen einen Menschen "gut" zu
machen. Allein durch die Gnade Gottes, die sich dem wahrhaft demütigen und aufrichtigen,
vertrauenden und gehorsamen Menschen erschließt, kann dies geschehen.
Deutlich wird vorausgesagt, daß viele Menschen sich am Ende des Millenniums auflehnen
werden. Die Empörung wird sich gegen Gott, seinen Christus, seine Heiligen und seine
heilige Stadt richten. Ein letztes Mal werden sie sich gegen Gott erheben, doch diesmal
zieht kein Heer gegen sie, keine Schlacht wird geschlagen, sondern es fällt Feuer vom
Himmel, um sie zu verzehren. Satan wird nun unwiderruflich in den Feuersee geworfen.
Niemals mehr wird er auf Erden wohnende Menschen verführen und sie zu Fall bringen
können. Endgültig und für immer wird der Kopf der Schlange zertreten, so daß sich der
allmächtige Gott allen Erdenbewohnern in seiner ganzen Macht und Majestät offenbaren
kann.
Es folgt die allgemeine Auferstehung, mit der auch der letzte Feind, der Tod, vernichtet
wird. Der langersehnte Auferstehungsmorgen des neuen Himmels und der neuen Erde bricht an,
der in den nie endenden Tag des vollkommenen Reiches Gottes mündet. Doch bevor dies
geschieht, erscheint zunächst der große weiße Thron des jüngsten Gerichts. Es ist das
Gericht über die Menschen, die bis zu diesem Zeitpunkt das Totenreich bevölkerten. Alle,
die auf der jetzt vollständig erlösten Erde keinen Wohnplatz erhalten, werden in diesem
letzten Gericht zum schrecklichen "zweiten Tod" verurteilt, von dem es nach
allem, was den Aussagen der Bibel entnommen werden kann, keine Erlösung mehr geben wird.
Doch nicht etwa alle, die jetzt ihren Leib empfangen und sich dem Gericht zu stellen
haben, werden verurteilt, sondern nur die erleiden den "zweiten Tod", die durch
vorsätzliche Sünde und Auflehnung gegen Gott, Menschen und das eigene Gewissen dieses
Urteil über sich gebracht haben.
Auch wird niemand wegen der Sünde Adams zum "zweiten Tod" verurteilt werden.
Zwar hat der Fehltritt des ersten Menschen über alle den "ersten", d.h. den
leiblichen Tod gebracht, und dieser wäre auch ein ewiger geworden, wenn Christus sie
nicht daraus erlöst hätte. Aber nun er hat die Menschheit in die Freiheit geführt, und
wie in Adam alle sterben, so werden sie in Christus alle lebendig gemacht werden, die
einen zur ewigen Herrlichkeit, die anderen zur ewigen Verdammnis.
Wenn das jüngste Gericht gehalten wird, werden die Namen vieler Menschen, über deren
ewiges Schicksal bestimmt wird, im Buch des Lebens gefunden werden. Die Tür der
Barmherzigkeit wird weit geöffnet sein, weiter als Menschen es für möglich halten
werden. Aber diejenigen, die "wie durchs Feuer hindurch" gerettet wurden, nehmen
nicht wie die, die aus der ersten Auferstehung hervorgingen, ihren Platz unter den
Herrschern ein. Sie werden nicht Könige sein, sondern Untergebene; nicht Priester,
sondern solche, die Gott dienen und ihn im Geist und der Wahrheit und wenn möglich
auch im unmittelbaren Anschauen seiner Herrlichkeit anbeten werden.
Nach dem Abschluß des Millenniums wird das himmlische Jerusalem, der "Leib
Christi", seine königliche Braut und Mitherrscherin, aus dem Himmel herabkommen, und
die Völker und Scharen erlöster Menschen werden ihre Wege im Licht der himmlischen Stadt
gehen und ihre Herrlichkeit in sie hineinbringen. Endlich ist die Hütte Gottes bei den
Menschen. Er selbst wohnt bei ihnen. Sie sind sein Volk, und er wird mit ihnen sein.
Fraglos wird auch das Volk Israel, d.h. alle aus diesem Volk für die Ewigkeit Geretteten,
nach jahrtausendelanger Lehr- und Wanderzeit seinen ihm von jeher bestimmten Platz in der
heiligen Stadt Gottes einnehmen. Endlich wird das Warten Abrahams und aller frommen Juden
auf die Stadt mit den festen Grundlagen, deren Baumeister Gott ist, herrlich belohnt
werden; denn nur aus der Ferne schauten sie in früheren Zeiten auf diese Stadt, die nicht
ohne die verherrlichte Kirche vollendet werden konnte.
So schließt sich nun der Kreislauf der Geschichte, der durch menschliches Verschulden
durch viele Irrungen und Wirrungen hindurchführte. Die schauervolle Nacht unsäglicher
Leiden ist nun vorüber, denn der Sieg des göttlichen Lichtes ist ein vollständiger.
Nach dem Sabbattag der großen Weltwoche, die mit Arbeit, Mühe und Leid bis zum
Zerbersten angefüllt war, ist nun der achte Tag, der Sonntag der ewigen Seligkeit,
angebrochen, an dem der gesamte Kosmos als neuer Himmel und neue Erde zu seiner
"Auferstehung" und vollkommenen Neuwerdung gelangt. An diesem Tag wird Gott alle
Tränen aus den Augen der Seinen abwischen, seine Wohnung wird bei ihnen sein, und seine
Heiligen werden regieren von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Die Apostel waren ihrem Auftrag treu geblieben, doch viele Getaufte
hatten nicht nur die "erste Liebe" verloren, sondern sich auch gegen die
Autorität des höchsten kirchenleitenden Amtes aufgelehnt. Anscheinend ist hierin der
Hauptgrund dafür zu sehen, daß der frühen Kirche die Apostel gänzlich entzogen wurden.
Nun mußten die junge Christenheit auf schmerzliche Weise erfahren, was es heißt, sich
"von Gott abzuwenden" und unter die Herrschaft von Menschen zu geraten. Doch
trotz des Verlustes solcher Männer, auf denen die Kirche als auf ihrem Fundament erbaut
ist, sollte sich im weiteren Verlauf ihrer Geschichte die Verheißung bewahrheiten, daß
die Pforten der Hölle sie nicht überwinden würden.
Nach dem Abscheiden der Apostel sahen sich notgedrungen die Bischöfe, deren Auftrag sich
prinzipiell nur auf regional begrenzte Gemeinden beschränkte, vor die Aufgabe der Leitung
der Gesamtkirche gestellt. Anfangs schienen sie noch deutlich gespürt zu haben, daß das
ihnen verliehene Charisma hinter dem eines Apostels deutlich zurückstand. Sie
verrichteten Aufgaben mit übergemeindlichem Charakter zunächst noch mit weiser
Zurückhaltung. So gibt etwa Ignatius von Antiochien unumwunden zu, daß er nicht wie ein
Apostel gebieten kann.
(...)
So bemühten sich die Bischöfe redlich, die Aufgaben der Apostel fortzuführen und den Angriffen, die sich gegen die Kirche erhoben, standzuhalten. Sie leisteten in dieser kritischen Phase zweifellos Großes; andererseits trugen sie aber auch maßgeblich dazu bei, daß der gottgegebene Organismus Kirche mehr und mehr zu einer durch Menschen manipulierte Organisation wurde. Vollzog sich im ersten Jahrhundert die Berufung zum Bischofsamt noch mit namentlicher Bezeichnung durch die Stimme des Heiligen Geistes, der sich durch die urchristlichen Propheten äußerte, so wurde sie im 2. Jahrhundert zunehmend eine Sache menschlicher Überlegungen oder sie geschah auf ein vermeintliches "Zeichen von oben" hin. Unstimmigkeiten und Streitigkeiten, ja der Zerfall der kirchlichen Einheit waren damit vorprogrammiert. Bezeichnend ist, daß die Bischöfe schon im dritten Jahrhundert an den heidnischen Kaiser Aurelian mit der Bitte herantraten, den Irrlehrer Paulus von Samosata von seinem Bischofssitz zu entfernen.
(...)
Unübersehbar ist auch, daß die Durchführung kirchendisziplinarischer Maßnahmen unter der Herrschaft der Bischöfe den weise abwägenden Charakter verlor. Sie vermochten die milde, aber gleichzeitig kraftvolle Art der Apostel nicht fortzuführen. Deutlich wird dies etwa an der unklugen Vorgehensweise der Bischöfe gegen den Montanismus, der zwar überspannte Forderungen vertrat, dessen berechtigtes Anliegen aber, die Kirche aus ihrer Weltförmigkeit zur wahren Heiligkeit zurückzuführen, tragischerweise verkannt wurde. Den Bischöfen fehlte ganz offensichtlich die Kompetenz, sorgfältig zu prüfen und dabei das Gute zu behalten; statt dessen wurde die gesamte Bewegung unterdrückt.
Der Montanismus entstand um die Mitte des zweiten Jahrhunderts in
Kleinasien. Montanus, ein ehemaliger heidnischer Priester, verkündigte das nahe Weltende
und die Wiederkunft Christi, der die Aufrichtung des Tausendjährigen Friedensreiches
unmittelbar folgen würde. Dies war zunächst nichts Besonderes, gehörte doch die Lehre
vom Millennium zum allgemeinen Glaubensgut der Kirche. Aber Montanus rief die Gläubigen
unter Berufung auf besondere Offenbarungen des Heiligen Geistes mit harschen
Worten zur Umkehr aus ihrer Weltförmigkeitauf, und dabei forderte er eine so strenge
Disziplin, wie selbst die Apostel sie niemals verlangt hatten. Als die Bischöfe auch
solchen, die sich schwerer sittlicher Verfehlungen schuldig gemacht oder bei Verfolgungen
ihren himmlischen Herrn verleugnet hatten, die Absolution erteilten, bestritten die
Montanisten den Bischöfen das Recht der Schlüsselgewalt. Nur das Lehramt, nicht aber die
Vollmacht, Sünden zu vergeben und zu behalten, sei von den Aposteln auf sie
übergegangen. Allein der jetzt durch die Propheten redende Geist, den Christus als seinen
Stellvertreter zurückgelassen habe, habe dazu das Recht. Er, der Geist, wolle aber die
schweren Sünden nicht vergeben, damit die Sünder nicht in ihrem verwerflichen Tun
bestätigt würden. Ja man ging sogar soweit, zu behaupten, der Geist und zwar
unabhängig vom verfaßten Bischofsamt sei nicht nur das von Gott verordnete Mittel
zur Reformation, sondern auch das zur Leitung der Kirche. Hatten sich die Bischöfe einst
angemaßt, ohne Apostel zu regieren, so fingen jetzt selbsternannte Propheten an, zu
behaupten, dies auch ohne Bischöfe tun zu können.
Montanus hatte richtig erkannt, daß die Bischöfe ihre Kompetenz überschritten und die
Schlüsselgewalt oft stärker zu dem Zweck einsetzten, die Kirche dem Zeitgeist
anzupassen, als sie von diesem abzugrenzen. Mit seinem Protest gegen die zunehmende
Verweltlichung und den allmählichen Sittenverfall vertrat er gewiß ein berechtigtes
Anliegen, und auch der sich durch die Montanisten offenbarende Geist darf nicht
pauschalisierend als Irrgeist abqualifiziert werden. Montanus hatte Recht darin, daß die
Fülle des Evangeliums nicht allein auf die Vergangenheit fixiert werden darf; vielmehr
will sich der Geist Gottes, im Sinne einer nicht falsch zu verstehenden
"fortlaufenden Offenbarung", in der Gegenwart als wirkmächtig und kraftvoll
erweisen.
So sahen sich die Bischöfe durch den Montanismus vor die Frage gestellt, ob sich die
Kirche zur ursprünglichen Heiligkeit zurückrufen lassen oder ob sie den Weg der
Angleichung an die "Welt" fortsetzen wolle. Sie entschied sich nach hartem
Ringen für die zweite Möglichkeit. Doch indem die Bischöfe diese Bewegung völlig
unterdrückten, erwiesen sie sich als unfähig, die Spreu vom Weizen zu trennen und
leisteten damit einer verhängnisvollen Doppelmoral Vorschub: Während das sittliche
Niveau der überwiegenden Mehrheit der Getauften zunehmend herabsank, nahm eine Minderheit
"das ganze Joch Christi" auf sich. Auf diese Weise drangen ungesunde Formen der
Askese, die in heidnisch-religiösen Praktiken ihr Vorbild hatten und die später im
Mönchtum weiterentwickelt wurden, in die Kirche ein. Schon im zweiten Jahrhundert wurde
so der Grundstein zu einer überzogenen Gesetzesfrömmigkeit gelegt, die im 16.
Jahrhundert eine der Hauptursachen der großen Kirchenspaltung war.
Mit der gänzlichen Ablehnung des Montanismus, der neben sehr bedenklichen Einseitigkeiten
und Verzerrungen auch berechtigte Anliegen vertrat, wurde die Hoffnung auf das baldige
Kommen Christi und die Erwartung des Millenniums mit dem Sektennamen
"Chiliasmus" belegt. Ein folgenschwerer Irrtum, der sich bis in das
immanenzverhaftete Denken der Neuzeit auswirken sollte, das eine persönliche Wiederkunft
Christi strikt leugnet. Mit der Ausscheidung der Anhänger des Montanus als vom Teufel
besessene Irrlehrer verbannte die Kirche das freiwirkende Pneuma aus ihren Mauern; damit
verurteilte sie ihre eigene Vergangenheit, ja sie machte dadurch das Gebet um das Kommen
des Schöpfer-Geistes zu einer leeren Phrase.
Die Bewahrung der kirchlichen Einheit, die Handhabung der Gemeindezucht, die Formulierung ethischer Grundsätze all dies waren Aufgaben, denen die Bischöfe offensichtlich nicht gewachsen waren. So kann es nicht verwundern, daß unter ihrer Federführung auch die Wahrung bzw. die Neuformulierung des christlichen Dogmas, das die Apostel zwar klar und kraftvoll, aber doch erst nur ansatzweise begründet hatten, Schaden litt. Während sich die Bischöfe mit der Trinität und der Christologie beschäftigten und auch zu biblisch gut fundierten Ergebnissen kamen , trübte sich das Verständnis von Rechtfertigung, Heiligung und Erlösung. Statt freimachender Gnade faßte in der Christenheit eine strenge und versklavende Gesetzesfrömmigkeit immer stärker Fuß. Auch dies ist als Folge des Verlustes der beiden höchsten kirchlichen Ämter, der "Urim und Tummim", anzusehen. Seitdem sich zumal nach der pauschalen Verwerfung des Montanismus der Geist Gottes nicht mehr in der ursprünglichen Kraft und Eindeutigkeit offenbaren konnte, wurde die Theologie zunehmend eine Sache der Lehrstreitigkeiten und sich widersprechender und bekämpfender Schulen.
Ihr wartet darauf, Brüder und Schwestern, daß Jesus Christus, unser Herr, kommt und wir mit ihm vereinigt werden. Wir bitten euch aber: 2 Laßt euch nicht so schnell verwirren oder erschrecken durch die Behauptung, der Tag, an dem der Herr kommt, wäre bereits da. Glaubt es nicht, auch wenn sich jemand auf eine Eingebung des Heiligen Geistes beruft oder auf irgendeinen Ausspruch oder auf einen Brief von mir. 3 Laßt euch durch nichts und niemand täuschen: Erst muß es dahin kommen, daß viele ihrem Glauben untreu werden. Der Feind Gottes muß auftreten, der alles Böse in sich vereint und der zum Untergang bestimmt ist. 4 Er wird sich gegen alles auflehnen und sich über alles erheben, was als göttlich und verehrungswürdig gilt. Ja, er wird seinen Thron im Tempel Gottes aufstellen und wird behaupten, er sei Gott! 5 Erinnert ihr euch nicht, daß ich euch dies angekündigt habe, als ich noch bei euch war? 6 Inzwischen wißt ihr aber auch, wodurch das noch aufgehalten wird. Der Feind Gottes kann erst hervortreten, wenn die Zeit dafür reif ist. 7 Im verborgenen ist die Macht der Auflehnung zwar schon am Werk; doch der, der sie bisher noch zurückhält, muß ihr erst noch den Weg freigeben. 8 Dann erst wird der Feind Gottes offen hervortreten. Aber Jesus, der Herr, wird ihn mit dem bloßen Hauch seines Mundes töten, wenn er in seiner Herrlichkeit kommt. 9 Der Feind Gottes wird bei seinem Auftreten vom Satan unterstützt, so daß er aufsehenerregende Wunder vollbringen und die Menschen damit blenden kann. 10 Alle, die verlorengehen, wird er durch seine bösen Künste täuschen. Sie erliegen ihnen, weil sie ihr Herz nicht der Wahrheit geöffnet haben, die sie retten könnte. 11 Deshalb liefert Gott sie dem Irrtum aus, so daß sie der Lüge Glauben schenken. 12 Alle, die der Wahrheit nicht geglaubt haben, sondern am Bösen Gefallen hatten, werden so ihre Strafe finden.
Das Wort "Antichrist" wird im Neuen Testament nur einige Male erwähnt. Unter anderen Bezeichnungen erscheint der Gegenspieler Gottes in der gesamten Bibel jedoch öfter. Schon der alttestamentliche Prophet Daniel sah ein kleines Horn, einen König, der den Höchsten lästert und seine Heiligen vernichten will. Unmittelbar wird hier auf das Kommen des Antiochus IV. Epiphanes (175-163 v.Chr.), eines erklärten Feindes des jüdischen Volkes, angespielt. Dieser sozusagen alttestamentliche Antichrist ist jedoch zugleich ein Typus, eine Vorausabbildung des endzeitlichen Antichristen. (Die Vorsilbe "anti" heißt im griech. weniger "gegen", sondern eher "statt", "anstatt". Gemeint ist also eine Person, die sich die Stelle Christi anmaßt und insofern natürlich auch Gegner Christi ist.) In seinen Briefen meint der Apostel Johannes mit Antichrist zunächst entweder den einen besonderen, der noch vor der Wiederkunft Christi kommen soll, oder eine Mehrzahl von sog. "Antichristen", die bereits in der Gegenwart als Vorläufer des eigentlichen Antichristen in Erscheinung treten bzw. getreten sind. Seine Vorläufer werden Lügner und Verführer genannt. Es ist hier also zunächst nicht an einen politischen Herrscher gedacht, sondern an Irrlehrer, die Menschwerdung Gottes in Christus leugnen und damit behaupten, Jesus sei nicht der Christus. Nach Offb13 wird der Antichrist mit dem Tier in Verbindung gebracht, das die Merkmale der vier Tiere, als die Daniel die Weltmächte als Raubtiere schaute (Dan7), in sich vereinigt. Satan stattet den Antichristen als seinen "Christus" mit aller ihm gegebenen Macht aus, so daß dieser sich zum Weltherrscher erhebt (Offb13, 2.7). Er wird zunächst als geniale Führergestalt auftreten, die die Lösung globaler und die Weltgemeinschaft bedrohende Probleme angeht und auf diese Weise große Scharen von Menschen für sich begeistert. Er erscheint so als täuschend ähnliche Nachahmung des biblischen Christus und seiner Wunder. Sogar Tod und Auferstehungswunder werden anscheinend nachgeäfft. Überwunden wird der Antichrist erst durch die Ankunft des wahren Christus: Der Antichrist und der falsche Prophet werden lebendig ergriffen und in den Feuersee geworfen. Darauf folgt das Gericht über die übrigen Feinde Gottes und die Aufrichtung des Tausendjährigen Friedensreiches.
Als der fünfte Engel in die Posaune stieß, sah ich einen Stern, der vom Himmel auf die Erde gefallen war, und ihm wurde der Schlüssel zum Schacht des Abgrunds gegeben. 2 Und er öffnete den Schacht zum Abgrund, und es stieg Rauch aus dem Schacht heraus wie Rauch eines großen Ofens, so daß die Sonne und die Luft vom Rauch aus dem Schacht verfinstert wurden. 3 Und aus dem Rauch kamen Heuschrecken hervor, die über die ganze Erde ausschwärmten, und sie wurden mit Fähigkeiten ausgestattet, die auch irdische Skorpione haben. ( ... ) 7 Und die Heuschrecken waren Pferden ähnlich, die zum Krieg gerüstet sind. Auf ihren Köpfen hatten sie Kronen, die schimmerten, als ob sie aus Gold wären, und ihre Gesichter waren wie Menschengesichter. 8 Sie hatten Haare wie Frauenhaare, und ihre Zähne waren wie die von Löwen. ( ... ) 11 Als König hatten sie über sich den Engel des Abgrunds, der auf hebräisch Abaddon und auf griechisch Apollyon heißt. ( ... )
9, 1: Wie bereits oben erklärt, ist ein vom Himmel auf die Erde
gefallener Stern ein Symbol des christlichen Lehrertums, das seine "himmlische
Gesinnung" verloren hat. Ausdrücklich ist hier jedoch von einem Stern die Rede, mit
dem anscheinend ein Lehrer der Kirche gemeint ist, dem durch sein hohes Amt eine
herausragende Stellung innerhalb der Christenheit zukommt. Diese hochgestellte
Persönlichkeit empfängt nun den Schlüssel zum Schacht des Abgrunds. Dieser Abgrund ist
der Aufenthaltsort der Dämonen, die nach dem Verlust ihrer himmlischen Herrscherstellung
ihren Wohnsitz bis zum Tag des Gerichts in der Finsternis haben.
Der Empfang der Schlüssel des Himmelreichs war einst Petrus zugesagt worden. Dem
unmittelbaren Wortsinn nach sind hiermit Vollmacht und Auftrag der Apostel umschrieben,
anderen Menschen den Eingang in das Reich Gottes zu verschaffen bzw. zu verwehren.
Verbunden mit der Verwaltung dieses Schlüsselamtes ist der Besitz besonders
herausragender geistlicher Kräfte und Erkenntnisse. Diese werden nun von der abtrünnig
gewordenen christlichen Lehrerschaft, aus der ein einzelner hervorragt, in grober Weise
pervertiert: nicht nur, daß der Weg ins Himmelreich nicht mehr gewiesen wird, sondern die
anvertrauten Gaben werden auch noch dazu verwandt, bösen Geistern den Zugang in die
Bereiche des kirchlichen Lebens zu verschaffen.
9, 2: Der Rauch, der nach der Öffnung des Schachts wie von einem großen Ofen, d.h. aus loderndem Feuer hervorgehend, aufsteigt, ist das Sinnbild dämonisch inspirierter Lehren, die mit satanischem Feuereifer verbreitet und vorgetragen werden. Dadurch wird zunächst die Luft, d.h. die geistliche Lebensatmosphäre der Christenheit, in so starkem Maße verfinstert, daß schließlich auch die Sonne des christlichen Lebens, nämlich Christus, kaum mehr sichtbar ist. Somit ist es der Wirksamkeit böser Geister, denen Tür und Tor geöffnet wird, zuzuschreiben, daß das geistliche Leben sich in den Tagen der fünften Posaune rapide verfinstert.
9, 3: Die Menschen, die aus dem Rauch kommen, d.h. durch Lehren der Dämonen inspiriert und verunreinigt sind, werden mit Heuschrecken verglichen. Sie sind also hemmungslose Zerstörer des geistlichen Lebens der Christenheit: in unzählbar großen Scharen werden sie am Vorabend der Herrschaft des Antichristen, und zwar noch vor dem Ereignis der Entrückung, aktiv. Ergänzt wird das symbolische Heuschreckenbild durch den Stachel, mit dem die geistlichen Zerstörer, Skorpionen gleich, ihren Zeitgenossen schmerzende Wunden zufügen können. Es sind solche Wunden, die durch das Gift unbarmherziger Kritik und schamlosen Spottes, die sich auf die altehrwürdigen Wahrheiten des christlichen Glaubens richten, in den ungefestigten Gläubigen hervorgerufen werden.
( ... )
9, 7.8: Die Heuschrecken haben Menschengesichter. Sie werden sich also als Freunde und Beglücker der Menschen ausgeben und hervorragendes Geschick darin besitzen, mit schmeichlerischen Worten die Sympathie und das Vertrauen der Massen zu gewinnen. Ferner weisen die Heuschrecken Haare wie Frauenhaare auf. Das Haupthaar ist Sinnbild der Unterordnung, hier unter alle selbstgeschaffenen Ordnungen und Prinzipien, die die Heuschrecken in ihrer emanzipatorischen und autonomistischen Grundeinstellung streng einhalten. Die Löwenzähne zermalmen dabei mit der unwiderstehlichen Kraft ihrer aggressiv-verurteilenden Kritik alles, was sich ihnen in den Weg stellt.
( ... )
9, 11: Erst wenn die Heuschrecken ihr groß angelegtes Zerstörungswerk beendet haben, tritt ihr König sichtbar in Erscheinung, und er wird nicht zögern, die Führungsposition in dem mächtigen Heer einzunehmen. Der Anführer der Heuschrecken wird hier der Engel aus dem Abgrund genannt, weil er als Bote und Werkzeug des Teufels mit dämonischen Kräften ungeheuren Ausmaßes erfüllt sein wird. Sein Name wird in hebräischer und griechischer Sprache genannt: Abaddon bzw. Apollyon. Beidemal bedeutet er dasselbe, nämlich "Verderber" oder auch "Zerstörer". Diesem Engel aus dem Abgrund, dem Antichristen, wird es - nicht allein vom Satan, sondern auch von Gott - gegeben werden, das Werk der Zerstörung der Kirche als Institution sowie aller noch vorhandenen christlichen Lebensordnungen konsequent durchzuführen. De facto wird somit das Christentum eine Zeitlang auf Erden abgeschafft sein. Schwerer als das Werk der äußeren wiegt jedoch das der inneren Zerstörung. Denn alle, die dem letzten "großen Führer" bis zum Ende folgen, werden mit ihm in den Abgrund ewigen Verderbens stürzen, aus dem ein Entrinnen nicht mehr möglich sein wird. Trotz des immensen Zerstörungspotentials sind die Gerichte der fünften Posaune nur die Vorläufer der eigentlichen "großen Drangsal". Erst mit dem Beginn der sechsten Posaune wird der Antichrist sichtbar in Erscheinung treten und auf den weiteren Gang der Dinge direkten Einfluß nehmen können. Mit dem nun folgende zweiten Wehe tritt das "Geheimnis der Bosheit" in sein vorletztes Entwicklungsstadium ein.
( ... )
13 Und als der sechste Engel in die Posaune stieß, hörte ich eine Stimme aus den vier Hörnern des goldenen Altars, der vor Gott steht, 14 die sprach zu dem Engel, der die Posaune hatte: Binde die vier Engel los, die am großen Strom Euphrat gebunden sind!
9, 13+14: Der Altar, der vor Gott steht, wurde bereits im vorangehenden
Kapitel erwähnt. Die vier Hörner, die an der Oberseite als Ecken aufgesetzt sind,
symbolisieren die Macht der Fürbitte Christi. Bis zum Eintreten des dritten Wehe stiegen
die Gebete der Gläubigen von allen "vier Ecken der Welt" zum Himmel auf, und am
hier vorgestellten goldenen Altar wurden sie durch Christus zusammengefaßt und Gott
dargebracht. Doch nun, nach dem Blasen der sechsten Posaune, scheint der Kraftfluß der
Fürbitten unterbrochen zu sein, denn dieselbe Stimme, die die Gebete zusammenfassend
darbrachte und dadurch die Winde der göttlichen Strafgerichte noch zurückhielt, erteilt
nun den Befehl, die vier Engel, die am großen Strom Euphrat gebunden sind, loszubinden.
Der Name des Flusses, an dem die Engel bis zu diesem Zeitpunkt festgehalten wurden, läßt
Rückschlüsse auf den Charakter dieser vier Engel zu. Offenbar handelt es sich um
satanisch inspirierte Sendboten, denn im Gegensatz zum durch Jerusalem fließenden Jordan,
in dem Jesus getauft wurde und der ein Bild des geistlichen Lebens ist, mit dem das
geistliche Jerusalem getränkt wird, ist der durch Babylon fließende Euphrat das Sinnbild
pseudogeistlicher und verderbenbringender geistlicher Wasserquellen. Schon viele
Jahrhunderte lang hatte es am Euphrat, am Strom menschlicher Weisheit, Wissenschaft und
Kunst, dämonisch inspirierte Sendboten gegeben, doch waren diese, solange die Fürbitte
der treuen Gläubigen noch aufstieg, in ihrer Wirksamkeit stark eingeschränkt. Jetzt aber
ist alles "Aufhaltende" hinweggetan: Die Entrückung der Erstlinge zum
himmlischen Berg Zion hat den Weg für die vier Engel freigemacht, die jetzt ihr
schädigendes Werk, das den Menschen den Tod bringt, ungehindert ausführen können. Die
Engel werden also im Verlauf der sechsten Posaune mit großem Eifer eine satanisch
gesteuerte Spiritualität vorantreiben, mittels derer das Babylon der Endzeit seinen
geistlichen Durst stillen wird.
Bei den vier Engeln ist zunächst durchaus an vier Dämonenführer zu denken, die im Bereich der unsichtbaren Welt über Heere riesigen Ausmaßes befehligen. Weil aber nicht nur Gott, sondern auch Satan seine "Engel" auf Erden aussenden kann, ist zu erwarten, daß auch dort die vier Engel, die Boten aus dem Abgrund, in Erscheinung treten werden. In Pervertierung der vier urchristlichen Ämter werden sie inmitten der Christenheit als Anführer einer schnell um sich greifenden Bewegung das Zerstörungswerk der "Heuschrecken" vollenden und die Massen der dem christlichen Glauben Entfremdeten dem Antichristen zuführen:
1. Falsche Apostel: Genial begabte Führer großer Volksmassen, vielleicht sogar ganzer Völker, die mit Autorität und unerschütterlichem Selbstbewußtsein zur Unterwerfung unter den letzten großen Führer der Menschheit anleiten werden, dem sie selbst absolut hörig sind.
2. Falsche Propheten: Medial veranlagte Männer und Frauen, die in der Kraft Satans und mit erstaunlichen Effekten und sensationellen Wundertaten die Massen zu verblüffen und auf ihre Seite zu ziehen verstehen.
3. Falsche Evangelisten: Exzellente Redner, die in populärer Sprache und rhetorisch profihaft das neue und zugleich "einzig wahre und letztgültige Evangelium" verkünden, das aber weder zum Glauben an den Gekreuzigten, noch zur Vorbereitung auf dessen persönliche Wiederkunft auffordert. Es wird vielmehr seinem letzten großen Gegenspieler den Weg bereiten, dem unbedingtes Vertrauen und ungeteilter Gehorsam entgegenzubringen sei.
4. Falsche Hirten und Lehrer: Männer - und sicher auch Frauen - mit zarterem Gemüt, die einfühlsam und mit viel natürlicher Menschenliebe ausgestattet, jedoch gleichzeitig mit erbittertem Haß oder auch sträflicher Gleichgültigkeit gegenüber dem wahren Gott und seinem Christus erfüllt sind.
18 Dann trat der Drache an den Strand des Meeres. 1 Und ich sah aus dem Meer ein Tier heraufkommen, das zehn Hörner und sieben Köpfe hatte; auf seinen Hörnern waren zehn Kronen und auf seinen Köpfen standen gotteslästerliche Namen geschrieben. 2 Und das Tier, das ich sah, war einem Leoparden gleich; seine Füße waren jedoch wie die eines Bären und sein Maul wie das eines Löwen. Und der Drache gab ihm seine Kraft und seinen Thron und rüstete es mit großer Macht aus. 3 Dann sah ich einen seiner Köpfe wie zum Tode getroffen; doch diese tödliche Wunde wurde wieder geheilt, worauf die ganze Welt dem Tier voller Verwunderung nachlief. 4 Und sie beteten den Drachen an, weil er dem Tier seine Macht gegeben hatte, und sie beteten auch das Tier an und sprachen: wer ist dem Tier gleich, und wer kann mit ihm den Kampf aufnehmen? 5 Dann wurde ihm ein Maul gegeben, das stolze Worte und Lästerungen ausstieß, und es bekam die Macht, es zweiundvierzig Monate lang so zu treiben. 6 Und so öffnete es sein Maul zur Lästerung gegen Gott; es lästerte seinen Namen und seine Wohnung und die, die im Himmel wohnen.
12,18 - 13,1: Der Drache, der nach der Entrückung der Erstlinge mit
aller Entschlossenheit die zurückbleibende Gemeinde verfolgt, tritt nun - gleichsam
beschwörend - an den Strand des Meeres. Die unter dem Einfluß des Drachen stehenden
Volksmassen sind es, die jetzt das Werkzeug hervorbringen, das seinem Herrschaftsanspruch
sichtbaren Ausdruck verleihen soll. Das zehnfach gehörnte Tier, das Johannes aus dem Meer
aufsteigen sieht, ist mit dem schrecklichen und gewalttätigen Tier identisch, das Daniel
als viertes aus dem sturmaufgewühlten Meer heraufsteigen sah. Es versinnbildlicht das
römische Weltreich in seiner letzten antichristlichen Ausprägung.
Die zehn Hörner sind die zehn Herrscher, die schon vor der Machtergreifung des
Antichristen als ein Zehn-Staaten-Bund in Erscheinung treten und schließlich die
politische Führungsriege des letzten Universalreiches bilden werden. Die Kronen auf den
Hörnern sind die Zeichen ihrer herrscherlichen Würde.
Die Bildfolge, die Johannes hier vor Augen geführt wird, knüpft an
die Vision an, die im 7. Kapitel des Buches Daniel überliefert ist. Daniel sieht hier aus
dem sturmaufgewühlten Meer vier Tiere aufstiegen, und zwar einen Löwen, einen Bären,
einen Leoparden und schließlich ein schreckliches und überaus starkes viertes Tier mit
zehn Hörnern, das mit eisernen Zähnen wild um sich frißt und das Übrigbleibende mit
seinen Füßen zertritt. Diese Tiere symbolisieren vier aufeinander folgende
Weltmonarchien, die aus dem Meer der Völker hervorgehen, um sich gleichsam
"raubtierhaft" über diese zu erheben.
Während Löwe, Bär und Leopard für das babylonische, das medo-persische und das
alexandrinische Weltreich stehen, stellt das schreckliche vierte Tier ein Reich dar, das
"bis zum Kommen eines Menschensohnes" Bestand haben wird. Es handelt sich um das
römische Weltreich, das in biblischer Sicht nicht zu existieren aufgehört hat, sondern
bis zum Tag der herrlichen Wiederkunft Christi lediglich verschiedene Stadien seiner
Entwicklung durchläuft. Der Menschensohn, der das Reich Gottes in seiner wahrhaft
menschlichen Ausgestaltung versinnbildlicht, kommt mit den Wolken des Himmels, um die
Weltherrschaft der grausamen, gleichsam tierischen Despoten der Menschheitsgeschichte für
immer abzulösen. Zu beachten ist: Es geht hier um den Gegensatz Mensch-Tier und nicht um
die Gegenüberstellung Mensch - Gott. Bei näherer Untersuchung des Begriffes Menschensohn
wird aber deutlich, daß diese Bezeichnung nicht nur auf das Reich Gottes, sondern auch
auf das Volk Gottes und schließlich auf den obersten Herrscher dieses Reiches bezogen
werden kann. Der Menschensohn - als Gottes kommendes Reich - hat demnach sowohl wahrhaft
menschlichen als auch wahrhaft göttlichen Charakter - wie denn auch der König dieses
Reiches zugleich wahrer Gottes- und Menschensohn ist.
Johannes sieht das Tier mit sieben Köpfen ausgestattet. Die Siebenzahl
stellt das Maß der Vollkommenheit dar, nämlich die siebenfältige Fülle des Heiligen
Geistes, mit der das Volk Gottes einst ausgestattet war, die aber in den Tagen des Endes
in ein vollkommenes "Maß der Bosheit" pervertieren wird. Seit der
Konstantinische Wende waren - und sind - die Bürger des römischen Reiches in der
Mehrheit getaufte Menschen, d.h. solche, die mit dem Heiligen Geist beschenkt worden sind.
Doch im Laufe der nachfolgenden Jahrhunderte kam es nicht zu einer durchgreifenden inneren
Durchdringung der europäischen Völker mit dem Gedankengut und dem Geist des christlichen
Glaubens. Vielmehr wurden hier und dort Keime des Unglaubens gesät, die sich im Laufe der
Zeit immer stärker ausformten und schließlich in der allerletzten Zeit zu dem Irrglauben
führen, ein sterblicher Mensch, der sich als messianischer Heilsbringer ausgibt, wäre in
der Lage, ohne den leibhaftig auferstandenen und persönlich wiederkehrenden Christus ein
Reich des Friedens zu errichten.
Die sieben Köpfe des Tieres weisen folglich auf die siebenfache Fülle der einst
empfangenen geistlichen Kräfte und Lebensgüter hin, die nun im Dienst der Lästerung
Gottes stehen. Die gotteslästerlichen Namen sind deshalb schwerlich als ein plattes und
blasphemisches Verhöhnen des dreieinigen Gottes mit bloßen Worten zu verstehen. Sie
drücken vorerst nur die vermessene Haltung aus, in der - unter Berufung auf biblische
Verheißungen - dem Plan Gottes, auf Erden ein ewigwährendes Reich zu errichten,
eigenmächtig und verblendet vorgegriffen wird. Die Führerschaft des antichristlichen
Weltreiches wird sich in ihrer Hybris erfrechen, einerseits auf Grundprinzipien des
christlichen Glaubens zu verweisen, andererseits aber gegen den Gott der Bibel und seinen
Christus den schärfsten Kampf zu führen.
13, 2: Das Tier, das Johannes beschreibt, ist ein eigenartiges
"Mischwesen", das die Merkmale der von Daniel geschauten Tiere in sich
vereinigt: es gleicht zunächst einem Leoparden. Dies besagt, daß das antichristliche
Weltreich die spezifischen Eigenschaften des Weltreiches Alexanders des Großen aufweisen
wird, das sich durch glänzende Bildung und Wissenschaft sowie durch hochstehende Kunst
und Kultur auszeichnete. Gleichwohl war eine schamlos hervortretende Moral- und
Sittenlosigkeit das traurige Markenzeichen dieses Großreiches. Auch für das Reich des
Antichristen werden die Worte Jeremias gelten: "Kann etwa ein Mohr seine Haut wandeln
oder ein Leopard seine Flecken? So wenig könnt auch ihr Gutes tun, die ihr ans Böse
gewöhnt seid."
Die Füße des Tieres waren wie Bärenfüße. Der Bär steht bei Daniel für das
medo-persische Reich, das sich in Kriegen auf seine großen Flotten verließ und - einem
Bären gleich - mit seinen riesigen Heeren den Gegner einfach überrollte. Somit liegt in
den Bärenfüßen der prophetische Hinweis, daß das römische Reich in seiner
endzeitlichen Ausgestaltung nicht nur "bis an die Zähne" mit modernster
Waffentechnik ausgerüstet sein wird; es wird diese auch gezielt einsetzen.
Das Maul des Tieres glich einem Löwenmaul. Der Herrscher des babylonischen Weltreiches,
Nebukadnezar, ließ sich in seinem Größenwahn zu den Worten hinreißen: "Das ist
das große Babel, das ich durch meine große Macht zu Ehren meiner Herrlichkeit zur
Königsstadt erbaut habe." Diese Vermessenheit strafte Gott mit siebenjährigem
Wahnsinn, der ihn auf die Stufe eines Tieres herabsinken ließ. In ähnlicher Weise wird
auch das Maul des Tieres, das den Herrscher des letzten irdischen Großreiches
versinnbildlicht, einem Löwen gleichen: er wird sein Maul auftun und seine
Errungenschaften in demonstrativer und selbstherrlicher Manier rühmen. Doch wie
Nebukadnezar wird er auch seine gerechte Strafe empfangen, mit dem Unterschied allerdings,
daß dieser nur auf Zeit "aus der Gemeinschaft der Menschen" verstoßen wurde,
der Antichrist aber "sieben Zeiten" lang alle Möglichkeiten einer Umkehr
ungenutzt lassen und auch nach dem Ablauf derselben seine Augen nicht zum Himmel aufheben
wird, um den Höchsten zu ehren, der ewig lebt und gegen den alle Menschen auf der Erde
für nichts zu rechnen sind. Deshalb wird das Maul des Tieres, der Antichrist, auf ewig in
den tiergleichen Zustand der völligen Trennung von Gott versetzt werden.
Das Tier empfängt seine Kraft vom Drachen. Satan selbst wird das Reich des Antichristen
stark machen, es protegieren und mit großer Macht, mit lügenhaften Kräften und Zeichen
aller Art, ausrüsten, und schließlich wird er sich dieses Werkzeugs bedienen, um seinen
Thron, seine gottfeindliche Herrschaft, die auf die Zerstörung aller christlichen Werte
und Ordnungen zielt, inmitten der im Abfall begriffenen Christenheit aufzurichten.
13, 3: Ausgehend von der oben gegebenen Deutung stellt der tödlich verwundete, aber dann geheilte Kopf eine Eigenschaft dar, die den Völkern des römischen Reiches durch die Annahme des Christentums zuteil geworden, dann aber in späteren Zeiten abhanden gekommen war. Die Rede ist vom Einheitsbewußtsein der europäischen Völker. Im Laufe der vergangenen Jahrhunderte hatte dieses hinter einer durch starren Nationalismus geprägten Politik immer wieder zurückstehen müssen, doch in den letzten Tagen der Kirchengeschichte wird diese tödliche Wunde wieder geheilt werden:das Einheitsbewußtsein der Völker Europas wird zu neuem Leben erweckt, und dies wird dazu führen, daß das römische Reich aus dem Grabe seiner nur scheinbar für alle Zeiten festgeschriebenen Zersplitterung ersteht, um für kurze Zeit so machtvoll zu erblühen, daß die ganze Welt, d.h. in erster Linie die "weltlich gesinnten" Christen des "christlichen Abendlandes", dem Tier voller Verwunderung nachlaufen wird.
Nach Kap. 17, 9 bedeuten die sieben Köpfe des Tieres auch sieben Könige. Der tödlich verwundete und dann geheilte Kopf weist dann in Ergänzung zu der oben ausgeführten Deutung auf ein besonderes Wunderzeichen hin, das am letzten Herrscher des römischen Reiches geschehen wird. In dieser aufsehenerregenden Heilung mag die Andeutung liegen, daß der Antichrist vor aller Augen so etwas wie ein Auferstehungswunder demonstriert, dessen verblüffender Wirkung die leicht manipulierbaren Volksmassen sich nicht werden entziehen können. Offenbar wird es die Nachäffung des Auferstehungswunders Jesu sein, die zur einmütigen Huldigung dieses erstaunlichen, ja "christusgleichen" Mannes führen wird.
13, 4: Die Menschen, die die Gebote und Verheißungen Gottes nahezu
vergessen und das Vertrauen in ihn weitgehend verloren haben, werden - wenn dies auch
größtenteils unbewußt geschehen mag - mehr und mehr dazu übergehen, den Drachen und
das Tier anzubeten. Des Lobes und Ruhmes voll wird man die Größe und die Kraft des
neuerstandenen Imperiums anerkennen und hervorheben, daß es noch niemals zuvor in der
Geschichte der Menschheit eine solche vollkommene Ordnung der menschlichen Verhältnisse,
noch niemals ein wirtschaftlich und vermutlich auch militärisch so starkes Reich gegeben
hat, denn: wer ist dem Tier gleich, und wer kann den Kampf mit ihm aufnehmen?
Die Verblendung wird so groß sein, daß man die Aufrichtung dieser neuen Weltordnung
"Gott" zuschreibt. Dies hat in der Tat etwas Richtiges. Übersehen wird dabei
"nur", daß es sich hier nicht um den Vater Jesu Christi, sondern um den
"Gott dieser Welt" handelt, der den Menschen den Sinn verblendet. Der Gott des
"großen Führers der Menschheit" und seiner Gefolgschaft ist in Wahrheit kein
anderer als der Vater der Lüge, der Mörder von Anfang an.
13, 5+6: Die stolzen Worte aus dem Maul des Tieres offenbaren zunächst
die Arroganz und den Größenwahn des Anführers der neuen Weltordnung, dann aber auch die
Vermessenheit der Menschen, die den stolzen Worten des Pseudo-Messias willig Folge
leisten. Man wird sich rühmen, die neue Ordnung der Dinge aus eigener Kraft und Vernunft
und durch den entschlossenen Einsatz des "guten Willens" zustande gebracht zu
haben. Auch wird man sich auf die "Kraft Gottes" berufen, hinter der jedoch in
Wahrheit satanisch gesteuerte Verführungsmächte stehen. Die pseudofromme Euphorie der
"Neuen-Welt-Bürger" ist nichts anderes als Selbstvergötzung bzw.
Teufelsanbetung, deren logischer Gegenpart die Lästerung des wahren Gottes ist, dem
allein sich alle menschlichen Gaben und Kräfte verdanken. Zur unverhohlenen
Selbstbeweihräucherung wird schließlich auch die offene Verhöhnung Gottes treten, die
sich nicht allein auf seinen Namen, d.h. auf ihn selbst, sondern auch auf seine Wohnung,
nämlich auf die auf Erden lebenden Christen, richten wird; ja selbst über die, die im
Himmel wohnen, über die bereits in die himmlische Herrlichkeit entrückten Gläubigen,
wird sich der Spott der aufgehetzten Massen ergießen.
Der Zeitabschnitt von 42 Monaten bezieht sich hier auf die erste Hälfte der
siebenjährigen Drangsal, in der die Lästerung des Antichristen vor allem in den stolzen
Worten seines überzogenen Selbstruhmes bestehen wird. Erst nach dieser Phase höchsten
äußeren Glanzes wird er mit der Errichtung einer beispiellosen Schreckensherrschaft sein
wahres gott- und menschenfeindliches Gesicht offenbaren.
11 Und ich sah ein anderes Tier aus der Erde heraufsteigen, das hatte zwei Hörner wie ein Lamm, es redete jedoch wie ein Drache. 12 Es handelte unter der Aufsicht und mit der ganzen Vollmacht und Autorität des ersten Tieres und brachte die Erde und die auf ihr Wohnenden dazu, das erste Tier anzubeten, dessen tödliche Wunde geheilt geworden war. 13 Auch tat es große und erstaunliche Zeichen und ließ sogar vor den Augen der Menschen Feuer vom Himmel auf die Erde fallen. 14 So verführte es die auf der Erde Wohnenden kraft der Zeichen, die ihm in Gegenwart des Tieres zu tun gegeben waren. Dann forderte es die auf der Erde Wohnenden auf, dem Tier, das die Schwertwunde hatte und wieder lebendig geworden war, ein Bild zu machen. 15 Und es empfing die Macht, das Bild des Tieres mit Lebensgeist zu erfüllen, so daß das Bild des Tieres sogar reden konnte. Und es sorgte dafür, daß alle, die das Bild des Tieres nicht anbeten wollten, getötet wurden. 16 Und alle, die Kleinen und die Großen und die Reichen und die Armen und die Freien und die Sklaven - alle brachte es dazu, daß sie sich ein Kennzeichen auf ihre rechte Hand oder auf ihre Stirn machten. 17 Und wer das Kennzeichen - nämlich den Namen des Tieres oder die Zahl seines Namens - nicht hatte, konnte weder kaufen noch verkaufen. 18 Hier ist Weisheit nötig: Wer Verstand hat, der berechne die Zahl des Tieres; denn sie ist die Zahl eines Menschen. Es ist die Zahl sechshundertsechsundsechzig. ( ... )
13, 14+15: Verführt durch die Zeichen der falschen Propheten,
errichten die auf der Erde Wohnenden, d.h. alle irdisch Gesinnten, dem ersten Tier ein
Bild. Deutet man das Tier im ursprünglichen Sinn auf den gesamten Organismus des
antichristlichen Weltreiches, dann ist mit dem Bild hier die Person des Antichristen
gemeint, der als sichtbares Haupt der fanatisierten Massen erst relativ spät seine
Inthronisation als "Gottkaiser" erfährt. Die Bezeichnung Bild ist insofern
treffend, als sich in seiner Person Eigenart und Charakter des letzten Universalreiches
gleichsam brennpunktartig widerspiegeln.
Zum drittenmal werden hier die geheimnisvollen Worte von der tödlichen Wunde und deren
wunderbarer Heilung erwähnt. Dies legt den Schluß nahe, daß das mögliche satanische
Auferstehungswunder des Antichristen mit seiner weltweiten Anerkennung in unmittelbarem
Zusammenhang steht. Vermittler dieses Wunders sind die Vertreter des geistlichen Standes,
denn das zweite Tier empfängt die Macht, das Bild des Tieres mit Lebensgeist zu
erfüllen, so daß es sogar reden kann. Die satanische Inspiration, die der Antichrist
nach seiner "Auferstehung" empfängt und die ihm ein phänomenales Charisma
vermittelt, wird ihn zu unglaublich kraftvollen und aufsehenerregenden Äußerungen
befähigen.
Eine weitere Deutung ergibt sich, wenn man das erste Tier auf die
Person des Antichristen bezieht. In diesem Falle weist das Bild auf das Anfertigen und
Aufstellen von Kultbildern hin, die der Verehrung des letzten Weltherrschers dienen
werden. Möglicherweise wird auch eine Hauptkultstätte mit einem besonders aufwendigen
Bild, in welcher Form auch immer, eingerichtet, um der Verehrung des Antichristen einen
allen Menschen sichtbaren Ausdruck zu verleihen. Besondere Verblüffung wird das Vermögen
der falschen Propheten hervorrufen, dem Bild Lebensgeist einzuhauchen, so daß es zu reden
vermag.
Ein präziser Typus dieses Bilderkultes war das Standbild, das einst dem babylonischen
König Nebukadnezar errichtet wurde. Unter Androhung der Todesstrafe durch Verbrennen
ließ er die Bürger seines Reiches zur Verehrung dieses Bildes, in dem der Gott-König
gewissermaßen selbst vor die Gläubigen hintrat, auffordern. In ähnlicher Weise werden
auch die falschen Propheten des Antichristen dafür sorgen, daß Kultverweigerer
hingerichtet werden.
(...)
13, 18: Am Ende des Abschnitts wird ein geheimnisvoll verschlüsselter
Hinweis auf das Tier aus dem Meer gegeben. Ein Mensch ist es, denn seine Zahl ist die
eines Menschen, nämlich sechshundertsechsundsechzig. Die Berechnung, d.h. die
Entschlüsselung dieses Zahlenwertes erfordert Weisheit und Verstand. Allerdings sind hier
weniger intellektuelle Fähigkeiten gefragt. Sondern nur solche Weisheit, die Gott selbst
schenkt, vermag dem suchenden und forschenden Leser zur Lösung verhelfen.
Der Schlüssel zum Verständnis der geheimnisvollen Zahl liegt in der Aussage, daß es
sich um die Zahl eines Menschen handelt. Die Zahl sechs weist zunächst ganz allgemein auf
den 6. Schöpfungstag hin, an dem der Mensch geschaffen wurde. Am darauffolgenden 7. Tag
ruhte Gott von seinen Werken, und auch der Mensch empfing - als die erste aller
göttlichen Weisungen - das Gebot der Sabbatheiligung. Der eigentliche Zweck des Sabbats
bzw. des Feiertages besteht für die Gläubigen, vereinfacht gesprochen, darin, an ihm die
Ruhe in Gott zu finden. Während jedoch die jüdische Sabbatheiligung einen starken Bezug
zur Herrlichkeit der ersten Schöpfung aufweist, blickt die christliche Sonntagsheiligung
nach vorn, nämlich auf die Neuschöpfung der endgültigen Erlösung, die in der Taufe
bereits ihren Anfang genommen hat.
Gemeinsam ist Juden und Christen, daß der Ruhetag trotz unterschiedlicher Akzentgebung
das sichtbare Zeichen der Gemeinschaft des Menschen mit Gott ist. Wer diese Gemeinschaft
verläßt und den Ruhetag nicht mehr bzw. nur noch in äußerlicher und formalistischer
Weise einhält, ist ein Vertreter der Zahl sechs - im Gegensatz zur sieben, die auf ein
bewußtes Leben mit Gott, in der Hoffnung auf das Kommen seines Reiches, hinweist.
Als Zahl eines Menschen mit ausgeprägt gottfeindlicher Gesinnung tritt
die 6 zunächst im Charakter des Riesen Goliath in Erscheinung, der eine Körpergröße
von 6 Ellen und einer Handbreite hatte. Dieses Maß steht symbolisch für die
ungeheuerliche Entfaltung der natürlichen menschlichen Kraft in ihrer Erhebung gegen
Gott. Dabei stand Goliath nicht allein, sondern er ging den Philistern voran, die sich in
ihrem Kampf gegen das Volk Gottes auf ihre natürliche Kraft verließen, wobei sie das
kindliche Gottvertrauen Davids hohnlachend verachteten.
Vom babylonischen König Nebukadnezar wird berichtet, daß er ein goldenes Bild errichten
ließ, vor dem alle Menschen anbetend niederzufallen hatten. Die Größe dieses Bildes
betrug bezeichnenderweise 60 Ellen in der Höhe und 6 Ellen in der Breite. In diesen
Maßen kommt eine deutliche Weiterentwicklung des symbolischen Prinzips der 6 zum
Ausdruck, denn Nebukadnezar war nicht wie Goliath ein Gelegenheitskämpfer, sondern der
Begründer einer wohlorganisierten und dabei entschieden gottfeindlichen Monarchie, die
allen Dissidenten die Todesstrafe androhte.
Die Zahl des Antichristen, 600+60+6, weist auf eine noch größere Entfaltung der
natürlichen Kraft des Menschen hin, als sie Goliath oder die Schreckensherrschaft
Nebukadnezars repräsentierten. Die drei Sechsen des letzten Großtyrannen werden eine um
ein vielfaches gesteigerte Lästerung des Namens Gottes und eine weitaus drückendere
Knechtschaft bringen, als es in früheren Zeiten jemals der Fall gewesen war. Somit weist
die Zahl 666 auf das höchstmögliche Maß an Bosheit und Vermessenheit vorsätzlich
gottloser Menschen hin.
17 Und der siebte Engel goß seine Schale in die Luft, da verkündete eine laute Stimme aus dem Tempel, vom Thron her: Es ist geschehen! 18 Und es zuckten Blitze, und laute Donnerschläge krachten, und ein Beben erschütterte die Erde, das so schwer und so heftig war wie keines vorher, seitdem Menschen auf der Erde leben. 19 Und die große Stadt zerfiel in drei Teile, und die Städte der Völker stürzten ein. Und Gott vergaß nicht, was Babylon, die Große, getan hatte, und ihr wurde der Becher mit dem Wein seines siedenden Zornes gegeben. 20 Und alle Inseln verschwanden, und auch die Berge wurden nicht mehr gefunden. 21 Und ein gewaltiger, zentnerschwerer Hagel prasselte vom Himmel auf die Menschen nieder; aber die Menschen verfluchten Gott wegen der Hagelplage, denn sie war überaus schwer.
16, 17: Die siebte Zornschale bringt die letzten und vernichtenden
Schläge des Gerichtes Gottes über die nicht zur Umkehr bereiten Menschenscharen. Wie der
Antichrist den Gläubigen alle Luft zum Atmen nahm, alle Existenzmöglichkeiten grausam
zunichte machte, so trifft ihn nun in aller Härte das gerechte Gericht: Das Element, in
dem er und seine Anhänger leben, nämlich die Luft, wird vergiftet, so daß der Atem
stockt und der Pulsschlag des Lebens stillsteht. Den Feinden Gottes wird der Existenzraum
auf Erden gewaltsam genommen, nachdem alle vorherigen Gerichtsschläge keine Buße
bewirken konnten.
Bevor die Einzelheiten dieser letzten Plage geschildert werden, erschallt vom Thron her
eine laute Stimme mit den Worten: Es ist geschehen! In diesem Ausruf ist das endgültige
Gericht Gottes über den Antichristen und seine Anhängerschaft enthalten, denn geschehen
ist die Wiederkunft Christi, die zunächst spöttisch verachtet, dann aber mit
entschlossenem Widerstand erwartet wird. Doch vergeblich sehen die Feinde Gottes dem
Einsatz ihrer Waffen entgegen: Vernichtende Schläge erfolgen, die das vorherbestimmte
Gericht sogleich zur Ausführung bringen, ohne daß es zu einem wirklichen Messen der
Kräfte kommt.
16, 18: Die Blitze und Donnerschläge sind die seit langem angekündigten Strafgerichte: Der Antichrist und der falsche Prophet werden durch des Hauch des Mundes Christi vernichtet und lebendig in den Feuersee geworfen. Satan wird ergriffen, für eintausend Jahre gebunden und in den Abgrund geworfen. Das große Erdbeben hingegen, das in seiner Stärke mit allen früher erfolgten nicht vergleichbar ist, weist auf den völligen Zusammenbruch aller bisherigen Ordnungen hin.
E. Das Gericht über das Tier und seine Streitmacht 19, 11-21
(...) 17 Und ich sah einen Engel in der Sonne stehen, der rief mit lauter Stimme allen Vögeln zu, die hoch oben am Himmel flogen: Kommt her und versammelt euch zum großen Mahl Gottes, 18 um das Fleisch von Königen, Machthabern und Starken zu fressen, das Fleisch der Pferde und ihrer Reiter, das Fleisch aller Freien und Sklaven, der Kleinen und der Großen. 19 Und ich sah, wie sich das Tier und die Könige der Erde und ihre Heere versammelten, um Krieg zu führen mit dem Reiter auf dem Pferd und mit seinem Heer. 20 Doch das Tier wurde ergriffen und mit ihm der falsche Prophet, der im Auftrag des Tieres die Wunder getan hatte. Mit denen hatte er die verführt, die das Kennzeichen des Tieres angenommen und sein Bild angebetet hatten. Lebendig wurden die beiden in den Feuersee geworfen, der mit Schwefel brennt. 21 Die anderen aber wurden mit dem Schwert getötet, das aus Mund des Reiters kam, und alle Vögel wurden satt von ihrem Fleisch.
19, 17+18: Johannes sieht nun einen Engel in der Sonne stehen. Es mag dem Seher hier tatsächlich einer der himmlischen Diener Gottes vor Augen gestellt sein. Im tiefsten und letzten Sinne weist dieser jedoch auf den großen "Engel des Bundes" hin: Christus, die Sonne der Gerechtigkeit, geht mit Macht und Herrlichkeit über der Erde auf, und "Heilung ist in ihren Flügeln". Diesem herrlichen Sonnenaufgang geht aber zunächst ein Sonnenuntergang voraus, der eine verzehrende Glut mit sich bringt. Über alle Feinde Gottes ergeht ein Vernichtungsgericht, und zwar ist es der Antichrist mit seinen Getreuen, der dem Feuer des göttlichen Gerichts anheimfällt. Über alles Böse und geistlich Unreine auf Erden wird die göttliche Sonne den Eifer ihres Zorns offenbaren. Es kommt zu einer Entscheidungsschlacht, die hier aber nicht im Detail beschrieben wird. Zunächst erfolgt nur ein Hinweis auf das "Vorspiel" der entscheidenden Begegnung, auf das große Mahl Gottes nämlich, zu dem der Engel mit lauter Stimme alle aasfressenden Vögel einlädt. Dieses Mahl ist das schauerliche Gegenbild zu dem soeben dargestellten Hochzeitsmahl des Lammes.
Schon bei dem vorschattenden Gericht über Jerusalem ging das von Jesus zitierte Sprichwort in Erfüllung: "Wo das Aas ist, sammeln sich die Geier". Jerusalem war nach dem Ablauf von vierzig Jahren, gerechnet von Jesu Kreuzigung und Auferstehung an, geistlich erstorben. Die judenchristliche Gemeinde hatte auf einen besonderen Wink Gottes hin die Stadt verlassen, bevor im Jahre 70 n.Chr. die Römer heraufzogen, um Stadt und Tempel zu zerstören und auf diese Weise Gottes Gericht auszuführen. Hier jedoch handelt es sich um ein noch größeres Gericht. Nach der Entrückung der Erstlinge, dem Einbringen der großen Ernte und dem Halten der Nachlese wird die einstige Stadt Gottes von allen guten Geistern buchstäblich verlassen sein. Mit seiner großen Anhängerschar bildet der Antichrist nun einen großen, für die Raubvögel des göttlichen Gerichts reif gewordenen geistlichen Leichnam. Dabei stehen die Vögel sinnbildlich für die bösen Geister, die jetzt welch ein schauriges Bild die Erlaubnis bekommen, diesen großen und geistlich toten Organismus zu zerreißen.
Raubvögel sind gierig auf Fleisch, das hier sinnbildlich für die von
der Sünde verdorbene und gezeichnete Natur des Menschen steht. Wo immer ein Mensch
vorsätzlich in seiner Sünde beharrt und sich darin gefällt, da sind auch die Dämonen
nicht weit; haben sie doch Freude an allem, was Gott zutiefst zuwider ist. Sie hegen das
unbändige Verlangen, auch noch die letzten Überreste einer vernünftigen menschlichen
Gesinnung zu zerstören. Diese Gier werden die bösen Geister befriedigen können. Auch
die letzten Reste einer geistlichen Einstellung werden dabei zunichte gemacht werden.
Das Fleisch wird auf besonders bezeichnete Menschen bzw. Gruppen von Menschen bezogen:
Könige, Machthaber und Starke sind Menschen in besonderen politischen und militärischen
Führungspositionen. Die Pferde mit ihren Reitern weisen auf gesellschaftliche Gruppen und
Vereinigungen, die Leiter mit eingeschlossen. Freie und Sklaven, Kleine und Große stehen
für Menschen aus allen sozialen Schichten. Somit werden alle, die sich bewußt in die
Machtsphäre des Antichristen und auf diese Weise in das Reich der Gottlosigkeit und des
geistlichen Todes hineingestellt haben, der Gewalt der bösen Geister ausgeliefert sein.
19, 19+20: Nachdem das Tier samt den Königen der Erde und ihren Heeren eine Behausung aller bösen Geister und unreinen Vögel geworden ist, versammeln sie sich, um Krieg zu führen mit dem Reiter auf dem Pferd und mit seinem Heer. Der Antichrist wird sich allen Ernstes entschließen, mit dem souveränen Beherrscher der von aller Sünde gereinigten menschlichen Natur den Kampf aufzunehmen. Doch dieser Kampf wird nicht ausgetragen. Bei der Erscheinung Christi, der sein Heer gereinigter und verherrlichter Menschen bereits um sich versammelt hat, werden das Tier und der falsche Prophet ergriffen und lebendig, d.h. ohne Eintreten des leiblichen Todes, in den mit Schwefel brennenden Feuersee, den Aufenthaltsort der für immer und ewig Verdammten, geworfen.
Wir wollen euch nicht im unklaren lassen, liebe Brüder und Schwestern, wie es mit denen aus eurer Gemeinde steht, die schon gestorben sind. Dann braucht ihr nicht traurig zu sein wie die übrigen Menschen, die keine Hoffnung haben. 14 Wir glauben doch, daß Jesus gestorben und auferstanden ist. Ebenso gewiß wird Gott auch die Verstorbenen durch Jesus und mit ihm zusammen zum ewigen Leben führen. 15 Mit einem Wort des Herrn sage ich euch: Die Brüder und Schwestern, die schon gestorben sind, werden gegenüber uns, die beim Kommen des Herrn noch am Leben sind, nicht benachteiligt sein. 16 Wenn Gottes Befehl ergeht, der oberste Engel ruft und die himmlische Posaune ertönt, wird Christus, der Herr, selbst vom Himmel kommen. Zuerst werden dann alle, die im Vertrauen auf ihn gestorben sind, aus dem Grab auferstehen. 17 Danach werden wir, die noch am Leben sind, mit ihnen zusammen auf Wolken in die Luft gehoben und dem Herrn entgegengeführt werden, um ihn zu empfangen. Dann werden wir für immer mit ihm zusammensein. 18 Macht euch also damit gegenseitig Mut!
Brüder und Schwestern, das ist ganz sicher: Menschen aus Fleisch und Blut können nicht in Gottes neue Welt gelangen. Ein vergänglicher Körper kann nicht unsterblich werden. 51 Ich sage euch jetzt ein Geheimnis: Wir werden nicht alle sterben, wir werden aber alle verwandelt werden. 52 Das geschieht in einem Augenblick, so schnell, wie jemand mit der Wimper zuckt, sobald die Posaune das Ende ankündigt. Die Posaune gibt das Signal, dann werden die Verstorbenen zu unvergänglichem Leben erweckt, und wir, die dann noch am Leben sind, bekommen den neuen Körper. 53 Unser vergänglicher Körper, der dem Tod verfallen ist, muß in einen unvergänglichen Körper verwandelt werden, über den der Tod keine Macht hat. 54 Wenn das geschieht, wenn das Vergängliche mit Unvergänglichkeit überkleidet wird und das Sterbliche mit Unsterblichkeit, dann wird das Prophetenwort wahr: »Der Tod ist vernichtet! Der Sieg ist vollkommen! 55 Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist deine Macht?«
Eine Entrückung wird im Alten Testament von Henoch (1.Mo 5, 24; Hebr 11, 5) und von Elia berichtet (2.Kön 2, 11). Beide wurden wegen ihres Glaubens von Gott in den Himmel aufgenommen. Im Neuen Testament wird Offb 12, 5 von der Entrückung eines Kindes zu Gott gesprochen, womit aber nicht Christus gemeint ist. Vielmehr wird hier auf die Entrückung der Erstlinge, d.h. einer Schar treuer Gläubiger, vor dem Einsetzen der großen siebenjährigen Drangsal hingewiesen. Von diesem Ereignis spricht die Bibel öfter (1.Kor 15, 51f; 1.Thess 4, 16ff), ohne jedoch dabei das Wort Entrückung zu gebrauchen (dafür: "hinrücken", griech. harpazo/ apantäsis u.a.). Paulus macht in 1.Thess 4, 15 darauf aufmerksam, daß es sich bei dem Wissen von der Entrückung um das verläßliche Wort Christi selbst handelt. Die Entrückung ist eine Frucht der Auferstehung Christi, der der "Erstling" geworden ist unter vielen Brüdern (1.Kor 15, 23; vgl. Rö 8, 29; Kol 1, 15ff). Bei seiner Wiederkunft werden die Toten, die in Christus gestorben sind (1.Thess 4, 16), auferweckt und unmittelbar in den Himmel aufgenommen (V. 17). Gleichzeitig geschieht die Entrückung und Vollendung derer, die noch leben und Christus angehören (1. Thess 4, 15-17; vgl. 1. Kor 15, 52). Sie werden "verwandelt", d.h. mit einem neuen Leib ausgestattet. (1.Kor 15, 44-58; 2. Kor 5, 2ff) Sodann werden sie zu Christus emporgerückt, um für ewig bei ihm zu sein (1.Thess 4, 17). Nach 1.Kor 15, 23f stellt die Entrückung. einen besonderen Abschnitt in der Heilsgeschichte Gottes dar. Sie ist von dem letzten Gericht, dem die zweite Auferstehung unmittelbar voraufgeht, zu unterscheiden. Die Entrückung ist somit ein fester Bestandteil der christlichen Erlösungshoffnung.
Immerhin gibt es einige wenige in Sardes, die ihre Kleider nicht befleckt haben, und die werden einmal in weißen Kleidern neben mir gehen; denn sie sind es wert. 5 Wer überwindet, dem werden diese weißen Kleider angelegt werden, und ich werde seinen Namen ganz bestimmt nicht aus dem Buch des Lebens streichen. Vielmehr werde ich ihn vor meinem Vater und seinen Engeln bekennen.
Obwohl in Sardes ein innerlich toter Aktivismus vorherrscht, sind doch
einige wenige da, die ihre Kleider nicht befleckt haben. Diese Symbolik bezieht sich auf
das bei der Taufe empfangene "weiße Kleid", das die Vergebung der
Sünden und die Reinheit des neuen Lebens versinnbildlicht, das der Heilige Geist den
Getauften schenkt. Es finden sich in der Gemeinde also noch solche, die ihre Taufgnade
bewahrt haben, deren geistliches Leben noch pulsiert. Sie sind dem "Geist des
Schlafs" nicht erlegen, sondern pflegen mit ihrem Herrn eine lebendige und
vertrauensvolle Beziehung. Zu denken ist hier an die Grundfunktionen geistlichen Lebens:
an persönliche Andacht und Stille, an den treuen Besuch der Gottesdienste, an die
Teilnahme am Abendmahl und natürlich an die praktische Umsetzung der Gebote Gottes im
Alltag.
Die weißen Kleider, in denen sie einmal neben Christus gehen werden, deuten den
verherrlichten Zustand, nämlich die verklärte Leiblichkeit an, die diesen Treuen nach
der Entrückung zuteil werden wird. Noch einmal wird versichert: Wer überwindet, wer das
fromme Scheinwesen ablegt bzw. sich von ihm fernhält, dem werden diese weißen Kleider
angelegt und dessen Name wird keinesfalls aus dem Buch des Lebens gestrichen; sondern er
wird noch vor dem Eintreten der drohenden Endgerichte in die Herrlichkeit der Gerechten
eingehen. Christus selbst wird die Namen aller dieser treuen Überwinder vor seinem Vater
und dessen Engeln bekennen. Vor dem Richterstuhl Gottes wird er für sie einstehen und
ihnen die bewiesene Treue vergelten. ( ... )
1 Danach sah ich eine Tür im Himmel, die war geöffnet, und die erste Stimme, die ich wie von einer Posaune zu mir hatte reden hören, sagte: Komm hier herauf, dann werde ich dir zeigen, was danach geschehen muß. 2 Im selben Moment ergriff mich der Geist Gottes, und ich sah einen Thron im Himmel stehen, auf dem jemand saß. 3 Der strahlte wie ein Diamant und wie ein Karneol, und der Thron war von einem Regenbogen umgeben, der wie ein Smaragd aussah.
Die erste Stimme, d.h. dieselbe, die Johannes auf das souveräne
herrscherliche Walten Gottes in der gegenwärtigen Kirche hingewiesen hatte, fordert ihn
nun nach der Öffnung einer Tür im Himmel auf, heraufzusteigen, sich im Geist über alle
Zeitlichkeit hinaus in die noch zukünftige Herrlichkeit der neuen Welt Gottes zu erheben.
Sogleich wird Johannes vom Geist ergriffen. Er gerät in Verzückung und wird durch die
Wirkung des Heiligen Geistes in die himmlische Welt versetzt, wo er als erstes einen Thron
erblickt. Daß es sich hier nicht um den Thron des Vaters, sondern um den des Sohnes
handelt, geht aus der Kombination der beiden Edelsteine hervor, mit denen das Aussehen des
auf dem Thron sitzenden verglichen wird, nämlich mit einem Diamanten und mit einem
Karneol: die göttliche und die menschliche Natur sind in Christus für immer unlösbar
miteinander verbunden.
Die Farbe Grün, die hier durch den smaragdfarbenen Regenbogen ins Spiel kommt,
versinnbildlicht als solche das vergängliche Wesen des Menschen - ist doch "alles
Fleisch wie Gras". Der Smaragd indes, der die grüne Farbe in unvergänglicher
Schönheit und Klarheit aufweist, symbolisiert den verklärten Zustand des Menschen nach
der Auferstehung. Der smaragdfarbene Regenbogen, der den Thron umgibt, bezeichnet deshalb
den Kreis der verherrlichten Menschen, die Christus in seinem zukünftigen Reich am
nächsten stehen werden: er ist ein Bild der verherrlichten Kirche. Wie Gott den ersten
Regenbogen als Unterpfand seiner Gnade und Treue in die Wolken setzte, so wird auch zur
Zeit der großen Drangsal der Blick auf den Kreis der bereits in die Herrlichkeit Christi
Entrückten denen, die noch unter der Verfolgung des Antichristen zu leiden haben, den
nötigen Trost spenden: nach den Schrecken und "Wetterwolken" der endzeitlichen
Sintflut werden gewiß auch sie noch der heimholenden Gnade Gottes teilhaftig werden.
Die Errettung der Gläubigen aus den Wirren der Endzeit wird sich nach Gottes Vorsehung in drei zeitlich und logisch aufeinander folgenden Phasen bzw. Stufen vollziehen. Zunächst erfolgt das Darbringen der Erstlinge (V. 1-5) sodann das Einbringen der großen Ernte (V. 6-16) und schließlich die Nachlese (V. 17-20), die in diesem Kapitel als Weinernte geschildert wird.
Ein tiefergehendes Verständnis der oben erwähnten dreifachen Stufenfolge ist nur mit Kenntnis der im Alten Testament von Gott angeordneten Erntebestimmungen möglich. Das Volk Israel empfing diese ausgefeilten Anordnungen bereits während der Wüstenwanderung. Sie enthalten prophetische Hinweise ersten Ranges und weisen die folgende Dreiteilung auf, die auch im Aufbau von Kap. 14, 1-20 vorliegt.
In dem in der Überschrift bezeichneten Abschnitt geht es um die
Darbringung der Erstlingsgarbe der Getreideernte sowie des Brandopfers eines fehlerlosen
einjährigen Lammes. Beide Handlungen sollten am Tage nach dem Sabbat, der auf das
Passafest folgte, durchgeführt werden.
Die Erstlingsgarbe aus Gerstenähren wurde von den Priestern schon vor dem Sabbat der
Passawoche aus den Feldern, die dem Bach Kidron nahelagen, auswahlweise Ähre für Ähre
gepflückt. Darauf wurde sie feierlich vor dem Brandopferaltar im Vorhof des Tempels
niedergelegt, um am nächsten Tag dort liegenzubleiben und schließlich am Tag darauf vor
dem Herrn "geschwungen" zu werden.
Das Brandopfer des fehlerlosen geschlachteten Lammes weist in unverkennbarer Symbolik auf
den kommenden Erlöser hin, der durch sein freiwilliges Opfer die Sünden aller Menschen
auf sich nehmen würde. Gleiches gilt für das Verfahren mit der Erstlingsgarbe, die
ebenfalls das Heilswerk Christi treffend umschreibt; wurde er doch in der Passawoche nach
seiner Gefangennahme aus dem Garten Gethsemane, der nahe am Bach Kidron lag, zum
Hohenpriester gebracht und schließlich zum Tode verurteilt, so daß sein Leichnam - wie
auch die Erstlingsgarbe - in den Staub der Erde gelegt wurde und am Sabbat ruhte, um dann
am Ostermorgen die Fesseln des Todes ein für allemal abzulegen und sich seinem
himmlischen Vater im neuen Leben seiner leiblichen Auferstehung darzustellen. So war
Christus beides: das Lamm Gottes, das der Welt Sünde trägt, und die heilige
Erstlingsgarbe, der die "große Ernte" aller zur ewigen Seligkeit Auferstehenden
folgt, die aus allen Völkern der gesamten Menschheit in die "Scheune des Himmels
eingebracht" wird. Das alttestamentliche Fest der Erstlinge ist somit ein Typus der
Ereignisse der Karwoche und des Osterfestes.
Vom Tag der Darbringung der Erstlingsgarbe an wurden fünfzig Tage
gezählt bis zum Tag nach dem siebten Sabbat. An diesem fünfzigsten Tag sollte nach der
Getreideernte ein weiteres Erstlingsfest gefeiert werden, und zwar das sogenannte
"Fest der Wochen". Im Wesentlichen waren zu diesem Anlaß folgende Opfer
darzubringen: als Speisopfer zwei gesäuerte Brotlaibe von feinstem Mehl, die ähnlich wie
die Erstlingsgarbe vor Gott "geschwungen" wurden, dann als Brandopfer sieben
einjährige Schafe sowie ein junger Stier und zwei Widder.
Genau zu dem Zeitpunkt, als im Tempel die zwei Brotlaibe, die Erstlingsfrüchte der
Weizenernte, vor Gott "geschwungen" wurden, wurde auch die erste Gemeinde der
Gläubigen vor Gott "hingestellt". Die Brotlaibe versinnbildlichen somit den
Zustand der "Erstlinge" der Kirche, die - erfüllt mit dem Heiligen Geist und
den Kräften der zukünftigen Welt - fähig sind, allen, die es annehmen, das wahre Brot
des Lebens zu spenden. Als "Erstlinge" bildeten sie aber nur den Anfang der
großen Schar, die im Laufe der folgenden Jahrhunderte aus allen Völkern der Erde
gesammelt werden sollte.
Das Brot, mit dem Gott alljährlich geehrt wurde, bestand aus bestem Getreide, d.h. aus
Weizenmehl, wobei aber zu berücksichtigen ist, daß Brot kein unmittelbares Naturprodukt,
sondern die mühsam eingebrachte, gedroschene, von der Spreu getrennte, gereinigte und
schließlich für den menschlichen Nahrungsbedarf zubereitete Frucht der Erde ist. So hat
sich auch die Schar der Gläubigen geistlich zubereiten lassen bzw. ist zu weiterer
Zurüstung bereit, um fortwährend Menschen zu gewinnen, denen das wahre Brot des Lebens
ausgeteilt werden soll.
Bedeutungsvoll ist ferner, daß das Brot entgegen der sonst üblichen Regel Sauerteig
enthielt. Damit wird angedeutet, daß es sich um schwache, sterbliche und zum Bösen
versuchliche Menschen handelt, die des Auferstehungslebens noch nicht teilhaftig geworden
sind, denn Sauerteig, der noch vom alten Brot stammt und schnell den neuen Teig
durchsäuert, ist ein Bild der Sünde, die in kurzer Zeit alle menschlichen Lebensbereiche
zu erfassen und verunreinigen vermag.
Das jüdische Wochenfest ist somit ein deutlicher Typus des christlichen Pfingstfestes. In
nachbiblischer Zeit wurde das Wochenfest vor allem zur Erinnerung an die Gottesoffenbarung
und Gesetzgebung durch Mose am Sinai gefeiert. Auch diese Verknüpfung findet in der
christlichen Deutung des Wochenfestes eine Entsprechung: durch die Herabkunft des Heiligen
Geistes trat ein Gesetz in Kraft, vermöge dessen die Weisungen Gottes fortan nicht mehr
nur auf den steinernen Tafeln des Alten Bundes, sondern auf den fleischernen Tafeln des
Herzens lebender Menschen geschrieben sind. Das mosaische Gesetz hatte zwar die Kraft, die
Sünden aufzudecken, es vermochte jedoch nicht, sie gänzlich zu überwinden. Nicht so das
"Gesetz" des Neuen Bundes, denn durch den Heiligen Geist ist die "Liebe in
die Herzen der Menschen ausgegossen."
Die sieben Brandopferschafe deuten auf die Gemeinschaft vieler gereinigter und geheiligter
Menschen hin, an deren Spitze schon in der frühen Zeit der Kirche sieben
Repräsentativgemeinden standen, nämlich die in den sieben Sendschreiben erwähnten
Gemeinden Kleinasiens, an die das Buch der Offenbarung adressiert ist. Während der Stier
auf das priesterliche Hirtenamt hinweist, symbolisieren die beiden Widder die
Dienstverrichtungen der Diakonen.
Somit sind die Bestimmungen des jüdischen Wochenfestes eine Prophetie, die bereits
Jahrhunderte vor der Geburt Christi in erstaunlich klaren Bildern auf die Gründung der
Kirche am Pfingsttage hinzielt. Die Sammlung des neutestamentlichen Bundesvolkes ist die
Fortsetzung der "großen Menschenernte Gottes", die mit der Auferstehung und
Himmelfahrt des "Erstlings Christus" ihren Anfang nahm, und sie wird auch - in
ihrer Gesamtheit - der Lohn der Arbeit und Mühe Jesu sein, die erst dann zum Abschluß
gebracht sein werden, wenn in den Tagen des Endes die in dreifacher Stufenfolge sich
vollziehende Ernte abgeschlossen sein wird.
Dem Volk Israel wird noch die Anweisung gegeben, daß der Eigentümer
eines Feldes nicht selbst Nachlese halten darf; sondern er soll die
"Restbestände" der Ernte für die Armen und die Angehörigen anderer Völker
übriglassen. Diese "fremdbestimmte Nachlese" ist ein Hinweis darauf, daß nach
der Vollendung der Kirche sowohl für die Juden als auch für die Heiden noch ausreichende
Gnade vorhanden sein wird, wenngleich sie an den der Kirche gegebenen Verheißungen keinen
unmittelbaren Anteil haben werden. In der Anordnung der Nachlese liegt somit die
Verheißung, daß in der Zeit des Tausendjährigen Reiches auch Juden und Heiden den Segen
Gottes in einem noch nie dagewesenen Maße erfahren werden.
Die alttestamentlichen Erntebestimmungen umfassen also den gesamten Heilsplan Gottes von
Christi Auferstehung bis zur Gründung des Milleniums, das die Übergangsstufe zum
vollendeten Reich Gottes bilden wird. Die hier dargelegte dreifache Stufenfolge findet
aber neben der beschriebenen Gesamtschau noch eine besondere Anwendung auf den Prozeß der
Vollendung der Kirche in den letzten Tagen vor Christi Wiederkunft. Sagt er doch selbst,
daß Weizen und Unkraut bis zur Ernte wachsen sollen. Die Ernte aber ist "das Ende
der Welt". Der Begriff, den Luther mit "Welt" übersetzte, steht hier nicht
allgemein für die Menschheit oder die Sphäre des Irdischen, sondern für einen - so
wörtlich - "Äon", d.h. für einen bestimmten Zeitabschnitt, der im
vorliegenden Kontext die Jahre zwischen dem ersten und zweiten Kommen Christi umfaßt. Am
Ende dieser "Weltzeit", d.h. dieses heilsgeschichtlich definierten
Zeitabschnittes, wird demnach Christus seine "spezielle Ernte", auf die im
folgenden näher einzugehen sein wird, einbringen, und zwar wird dies unter Beachtung der
in 3.Mo 23, 9-22 beschriebenen Bestimmungen geschehen. (...)
17 Und ein anderer Engel kam aus dem Tempel im Himmel, der hatte ebenfalls eine scharfe Sichel bei sich. 18 Und ein weiterer Engel kam vom Altar her, der hatte Macht über das Feuer, und er rief mit lauter Stimme dem, der die scharfe Sichel hatte, die Worte zu: Sende deine scharfe Sichel aus und schneide die Trauben des Weinstocks der Erde ab, denn seine Beeren sind reif geworden. 19 Und der Engel warf seine Sichel über die Erde und erntete den Weinstock der Erde ab, und er warf die Trauben in die große Kelter des Zornes Gottes. 20 Und die Kelter wurde draußen vor der Stadt getreten, und das Blut floß aus der Kelter heraus bis an die Zügel der Pferde, tausendsechshundert Stadien weit.
Nach dem Abschluß der Getreideernte, wenn die Ärmeren im Volk und die ausländischen Bürger auf den fast schon vollständig abgeernteten Feldern die Nachlese halten durften, erfolgte im ganzen Land die Weinlese. Diese und nicht etwa die logisch zu erwartende Nachlese auf den Getreidefeldern wird in den Versen 17-20 geschildert. Die der Weinlese folgende Kelter, die mit der Gerichtsfolge der sieben Zornschalen identisch ist, zeichnet ein sehr drastisches Bild des letzten und schwersten Abschnittes der großen Drangsal: Die reif gewordenen Trauben werden durch Pferdehufe zertreten. Dabei steigt in unrealistischer Überzeichnung eines gewöhnlichen Keltervorgangs der aus den Trauben gepresste Saft wie ein Meer von Blut bis an die Zäume der Pferde und überschwemmt ein weites Gebiet. Doch ohne die Phase dieses letzten und härtesten Gerichtes Gottes, durch das noch in den allerletzten Tagen vor der Wiederkunft Christi etliche Anhänger des Antichristen aufgerüttelt und seiner Verführungs- und Verderbensmacht entrissen werden, bliebe die große Erntearbeit auf dem "Feld der Endzeit" unvollständig.
14, 17-19: Zunächst tritt ein anderer Engel mit einer scharfen Sichel
aus dem himmlischen Tempel heraus, um jedoch erst nach dem Befehl eines weiteren Engels
sein Werk zu beginnen. Dieser später auftretende Engel hat Macht über das Feuer, das
hier nicht im buchstäblichen, sondern übertragenen Sinne zu verstehen ist: Der Engel
vermag das Feuer der großen Drangsal anzufachen, die jetzt ihren Höhepunkt erreicht. Sie
wird durch die scharfe Sichel versinnbildlicht, mit der der Engel die Trauben schneidet.
Mit den reifen Trauben sind die bisherigen Anhänger des Antichristen gemeint, die sich
überraschenderweise weigern, dem selbsternannten Gottkaiser zu huldigen. Sie werden unter
die Füße reiterloser Pferde geworfen, d.h. der zügellosen, nun ganz entfesselten
menschlichen Natur der Schergen des letzten Großtyrannen schutzlos preisgegeben. Die
große Kelter des Zornes Gottes ist somit nichts anderes als die rücksichtslose
Vorgehensweise des Antichristen, der in der zweiten Hälfte seiner siebenjährigen
Herrschaftszeit alle erbarmungslos verfolgen wird, die ihm die Anbetung verweigern. So
wird er in Gottes Hand das Werkzeug sein, mit dem er das Gericht an "seinem
Haus" zum Abschluß bringt.
14, 20: Ausdrücklich wird vermerkt, das die Kelter außerhalb der
Stadt getreten wird. Nach der Messung des Tempels und der Zertretung des Vorhofes
beides geschieht in den Tagen der sechsten Posaune wird es auf Erden keine heilige
Stadt, d.h. keine schützenden kirchlichen Ordnungen mehr geben. Nur noch einzelne
christliche Individuen werden ohne den Schutz der bisher gewohnten Strukturen
gleichsam auf "freiem Feld" blutiger Verfolgung ausgesetzt sein.
Todesmutige Bekenner werden es sein, die dem zuletzt unverhüllt hervortretenden
Größenwahn des Antichristen tapfer die Stirn bieten.
Das Blut dieser verfolgten Gläubigen wird bis an die Zügel der Pferde steigen. Ein
ungelenktes Pferd versinnbildlicht die entfesselte Natur des Menschen, die sich allen
möglichen Leidenschaften hemmungslos hingibt und demzufolge auch zu allen Gewalttaten
fähig ist. Dieser zügellosen Willkür werden die zum letzten und schwersten Gericht reif
gewordene Christen nun schutzlos preisgegeben. Dennoch wird sich die Wut der mordenden und
tobenden Scharen nicht im absoluten Sinne schrankenlos austoben können: Die Zügel der
Pferde markieren die von Gott gesetzte Grenze, die weder dämonisierte Menschen noch der
Teufel selbst zu überschreiten vermögen. Und wie bei der Kelter die Trauben zwar
zertreten, der Saft aber aufgefangen und zum Wein heranreifen wird, so wird auch die
schwere Bedrängnis dieser allerletzten Tage unmittelbar vor der Wiederkunft Christi noch
eine Möglichkeit zur Bewahrung vor den Qualen des Feuersees bieten, gleichsam eine
köstliche Frucht der Freude schaffen, die die Schmerzen der großen Zorneskelter auf ewig
vergessen läßt. So sind selbst noch die schwersten Gerichte Gottes ein weiteres Zeugnis
dafür, daß er nicht den Tod des Sünders will, sondern daß er sich bekehre und lebe.
Die sieben Zornschalen werden zwar bei vielen zur Verstockung führen; dennoch werden sie
das "letzte Mittel" sein, das noch etliche zur Umkehr bewegen wird.
Der Blutstrom, der sich tausendsechshundert Stadien weit ergießt, deutet die Schwere der
Glaubensprüfung an, die die Märtyrer jener Zeit zu bestehen haben. Vierzig ist die Zahl
der gewöhnlichen Prüfung, die der Aufnahme der Gläubigen in die himmlische Herrlichkeit
und ihrer vollen Gemeinschaft mit Gott vorausgeht. Der Zahlenwert der Tausendsechshundert
entspricht der mit sich selbst multiplizierten Vierzig und weist auf das potenzierte und
höchstmögliche Maß der Prüfung des Glaubens und der Geduld hin, das den Bekennern der
allerletzten Tage nicht erspart bleiben wird.
1 Danach sah ich vier Engel, die an den vier Ecken der Erde standen und die vier Winde der Erde zurückhielten, denn noch sollte kein Wind über die Erde, das Meer oder irgendeinen Baum hereinbrechen. 2 Und ich sah einen anderen Engel vom Aufgang der Sonne heraufkommen, der hatte das Siegel des lebendigen Gottes, und er rief mit lauter Stimme den vier Engeln zu, denen es gegeben war, die Erde und das Meer zu beschädigen: 3 Beschädigt weder die Erde noch das Meer noch die Bäume, denn erst müssen wir die, die unserem Gott dienen, mit einem Siegel auf ihren Stirnen kennzeichnen. 4 Und ich hörte die Zahl derer, die mit dem Siegel gekennzeichnet wurden: Es waren hundertvierundvierzigtausend Versiegelte aus allen Stämmen der Söhne Israels: 5 aus dem Stamm Juda zwölftausend, aus dem Stamm Ruben zwölftausend, aus dem Stamm Gad zwölftausend, 6 aus dem Stamm Asser zwölftausend, aus dem Stamm Naftali zwölftausend, aus dem Stamm Manasse zwölftausend, 7 aus dem Stamm Simeon zwölftausend, aus dem Stamm Levi zwölftausend, aus dem Stamm Isaschar zwölftausend, 8 aus dem Stamm Sebulon zwölftausend, aus dem Stamm Joseph zwölftausend und aus dem Stamm Benjamin zwölftausend Versiegelte.
Auf den Abschluß des sechsten Siegels folgt nicht sofort das abschließende siebte, sondern ein "gnädiges Zwischenspiel". Zunächst wird geschildert, wie solchen Gläubigen, die durch das Beben der französischen Revolution aus ihrem geistlichen Schlaf aufgeschreckt wurden, vor der Ausführung des schon eingeleiteten Gerichts der volle Segen Christi mitgeteilt wird.
7, 1: Nach den tiefgreifenden und umwälzenden Ereignissen in
Frankreich treten an den vier Ecken der Erde, d.h. überall in der christlichen Welt, vier
Engel hervor, die die vier Winde des Gerichtes, das mit der Öffnung des sechsten Siegels
bereits eingesetzt hat, zunächst noch festhalten. Die Zahl vier versinnbildlicht die
Universalität des Geschehens, das sich aber vor allem in den durchs Christentum
geprägten Ländern Europas abspielt: Engel, wachgerufene gläubige Menschen hier und dort
sind es, die nicht allein durch ihre Gebete und Fürbitten, sondern auch durch ihr
tatkräftiges Engagement die Winde der bevorstehenden zerstörerischen Gerichte vorerst
noch zurückhalten können, um die Erde, das Meer und die Bäume zu schützen.
Während die Erde - das feste Land, das den hin- und herwogenden Wassermassen eine Grenze
setzt - die staatlichen und kirchlichen Ordnungen im Sinnbild darstellt, umschreibt das
Meer das Leben in der Völkerwelt. Die Bäume stehen dagegen für Menschen, die als
einzelne oder im Kollektiv durch ihr Amt oder ihre soziale Stellung aus der Allgemeinheit
der Volksmassen herausgehoben sind. Im kirchlichen Bereich sind sie auf die verschiedenen
Konfessionen sowie auf theologische Richtungen und Schulen zu deuten. Alle diese
Einrichtungen sollten von den vier Winden des Gerichts vorerst verschont bleiben, und
tatsächlich gelang es in den Jahrzehnten nach der französischen Revolution, die
gründliche Demontage aller christlichen Werte und Ordnungen, die auch über die Grenzen
Frankreichs hinaus vorgesehen war, abzuwenden.
7, 2+3: Der andere Engel symbolisiert ein Werk inmitten der
Christenheit, das wie das zuvor erwähnte ebenfalls von menschlichen Boten Gottes
ausgeführt wird, aber von den Aufgaben der zu Beginn des Abschnitts erwähnten vier Engel
unterschieden werden muß. Der Engel kommt vom Aufgang der Sonne herauf. Nicht die
geographische Herkunft wird hier benannt, vielmehr liegt ein Hinweis auf den göttlichen
Ursprung des hier beschriebenen "Engel-Werkes" vor, denn die Sonne ist auch hier
ein Christussymbol. Der andere Engel bezeichnet somit Boten, die Christus vor seinem
zweiten Kommen aussendet und mit der Vollmacht ausstattet, die Diener Gottes mit einem
Siegel auf ihren Stirnen zu kennzeichnen.
Bei diesem Siegel handelt es sich um ein rein äußerlich nicht wahrnehmbares Merkmal, das
den Empfänger nicht allein als Eigentum Gottes ausweist, sondern ihn auch vor den
folgenden Gerichten, die im Verlauf des siebten Siegels über die Christenheit
hereinbrechen, bewahrt. Auftrag und Wirken dieses anderen Engels stehen mit dem beim
Propheten Maleachi erwähnten "Aufgehen der Sonne der Gerechtigkeit" und dem
herrlichen Kommen des großen "Engels des Bundes" sowie seines "Boten, der
ihm den Weg bereiten soll", in einem engen Zusammenhang. Diesen letztgenannten Boten
nennt Maleachi auch den "Propheten Elia, der vor dem großen und schrecklichen Tag
des Herrn erscheinen" werde. Nun ist die Erfüllung dieser Weissagung im Auftreten
und Wirken Johannes des Täufers unmittelbar vor dem ersten Kommen Jesu bereits Geschichte
geworden; womit aber eine weitergehende Erfüllung dieser Prophetie nicht ausgeschlossen
ist. Mehr noch: sie ist vor dem zweiten Kommen Christi, auf das "der große und
schreckliche Tag des Herrn" zweifellos Bezug nimmt, zu erwarten.
Auch im frühchristlichen Sprachgebrauch ist von einer Versiegelung,
die mit der vom anderen Engel vorgenommenen Handlung in engem sachlichen Zusammenhang
steht, die Rede. Sie umschreibt nicht etwa, wie vielfach angenommen, eine durch die
christliche Taufe vermittelte Geistesgabe, sondern sie bezieht sich auf die allein den
Aposteln vorbehaltene Vollmacht, bereits getauften Gläubigen die Hände zur Übermittlung
besonderer Gaben des Heiligen Geistes aufzulegen. Aus dieser urchristlichen Segenshandlung
läßt sich der Brauch der Firmung bzw. der Konfirmation eindeutig nachweisen, der jedoch
nach dem Abgang der Apostel nur mehr durch Bischöfe und später in den protestantischen
Kirchen durch den Pastorenstand vollzogen werden konnte. In der Aussendung des anderen
Engels mit der Vollmacht der Versiegelung steckt deshalb der Hinweis, daß Christus seiner
Kirche in der Zeit der Erweckung nach der französischen Revolution Boten sendet, die mit
apostolischer Vollmacht ausgestattet sind.
Zu den vier Engeln, die die vier Winde der Erde festhielten, bilden die vier Engel, denen
es gegeben war, die Erde und das Meer zu beschädigen, den Gegenpart. Sie sind ebenfalls
menschliche Boten, und zwar solche des Widersachers Gottes, die am Ende des 18.
Jahrhunderts als entschiedene Feinde Christi "den unfruchtbar gewordenen Feigenbaum
des entarteten Christentums zu fällen begonnen haben."
Andererseits gilt auch: diese Vertreter und Anhänger der großen Revolution hatten sich als Boten Gottes daran gemacht, mit dem Fällen des "Baumes der Christenheit" das Werk des Scharfrichters auszuführen. Allein die Fürbitte des Weingärtners hat die Fortsetzung des gerechten Gerichtes verhindert. Der Eigentümer des Weinberges gewährte eine letzte Gnadenfrist und unternahm den letzten Versuch, die tiefgreifenden Schäden der Gemeinde Christi zu beheben: Es wurden Boten ausgesandt, die durch ihre Bußpredigt "tiefe Spatenstiche ausführten", um die Wurzeln des todkranken Baumes von dem Unrat, der sich im Laufe vieler Jahrhunderte, angesammelt hatte, zu befreien. Eine umfassende Heilung aller Schäden hatte Christus seiner Kirche angeboten, um sie auf seine baldige Wiederkunft vorzubereiten und sie vor den angekündigten Gerichten durch eine "Versiegelung", d.h. durch die Erfüllung mit den Gaben und Kräften seines Heiligen Geistes, zu schützen. Erst dann würde der Sturm der endzeitlichen Gerichte in voller Kraft losbrechen und Erde, Meer und Bäume beschädigen können, wenn die Vollzahl der zu Versiegelnden erreicht wäre.
7, 4-8: Die Anzahl der Versiegelten beträgt hundertvierundvierzigtausend, d.h. zwölf mal zwölftausend aus allen Stämmen der Söhne Israels, die in den Versen 5-8 namentlich aufgezählt werden. Die Einteilung des Alten Bundesvolkes in zwölf Stämme hat demnach auch für das Volk des Neuen Bundes eine Bedeutung. Es geht um die symbolische Repräsentation einer besonderen Auswahl - nämlich der "Erstlinge" der "großen Ernte Gottes" - aus dem ganzen geistlichen Israel, das wie das leibliche aus zwölf "Stämmen" besteht.
Anordnung und Auswahl der Stämme im vorliegenden Abschnitt kommen
nicht von ungefähr: Nicht Ruben, der Älteste der Söhne Jakobs, sondern der Königsstamm
Juda, aus dem einst David hervorgegangen war und der sich auch im Stammbaum Jesu
wiederfindet, nimmt in dieser Auflistung die erste Stelle ein. Auffällig ist ferner, daß
im Gegensatz zu alttestamentlichen Auflistungen der Priesterstamm Levi aufgeführt wird.
Außerdem wird nicht Ephraim, sondern Joseph erwähnt.
Auffällig ist ferner das Fehlen des Stammes Dan. Da es in dieser Liste um die Stämme des
neuen Bundes geht, kann der Ausschluß dieses Sohnes Jakobs nicht auf dessen Verfehlungen
in alttestamentlicher Zeit zurückgeführt werden, zumal dann außer Dan weitere Stämme
in der Liste nicht erscheinen dürften. Der Grund für den Ausschluß Dans aus der Anzahl
derer, die versiegelt werden, liegt in der geistlichen Bedeutung seines Namens. Dan
bedeutet "Richter", was darauf schließen läßt, daß solche Getaufte, die
lieblos und vermessen mit Glaubensgeschwistern oder gar mit Gott ins Gericht gehen, nicht
versiegelt werden können.
In ähnlicher Weise lassen auch die in der Liste aufgeführten Stammesnamen auf die
geistlichen Eigenschaften derer schließen, die als Versiegelte "aus den Menschen als
Erstlinge für Gott und das Lamm erkauft" sind.
1. Juda: Solche Getaufte, die nicht allein mit ihren Lippen, sondern auch mit Worten und Taten Gott loben und seinem Namen Ehre machen.
2. Ruben: Christen, die den Sohn Gottes anschauen und von Herzen ihm, dem wahren Gottes- und Menschensohn - vor allem auch im Blick auf sein stellvertretendes Sühnopfer für die Sünden aller Menschen - ihr ungeteiltes Vertrauen schenken.
3. Gad: Solche, die sich um des Glaubens willen bedrängen, d.h. belächeln, verspotten, verachten oder gar blutig verfolgen lassen.
4. Asser: Die Glückseligen, die in den Seligpreisungen der Bergpredigt näher beschrieben werden.
5. Naftali: Glaubens-Kämpfer, die mit allem Eifer die Sache des Glaubens "verfechten" und im Gebet ringen, ohne dabei müde zu werden.
6. Manasse: Solche, die alles, was hinter ihnen liegt, vergessen sein lassen, um sich nach dem auszustrecken, was vor ihnen liegt, nämlich der "Siegespreis der himmlischen Berufung Gottes in Christus Jesus".
7. Simeon: Solche, die Gottes Wort nicht nur gehört haben, sondern es sich auch zu Herzen gehen lassen und dann danach handeln und deshalb auch bei ihm Erhörung finden.
8. Levi: Christen, die in allen Situationen und Lagen des Lebens Gott zugetan sind, die ihn auch trotz schwerer Erfahrungen nicht verlassen, sondern sich dann nur um so fester an ihn klammern.
9. Isaschar: Diejenigen, die für alle Mühsal auf Belohnung warten, jedoch nicht in diesem Leben und nicht von Menschen, sondern im zukünftigen Leben allein von Gott.
10. Sebulon: Getaufte, in deren Herzen, der Geist Gottes wahrhaftig eine Wohnstätte gefunden hat.
11. Joseph: Diejenigen, die unter allen Umständen zuerst nach dem Reich Gottes trachten und deshalb auch irdischen Segen - als das geringere Gut - hinzugefügt bekommen.
12. Benjamin: Jeder Getaufte ist zu einem Sohn der rechten Hand Gottes berufen. Nach allen Schmerzen und Leiden, die die "Benjamin-Christen" stärker als andere getroffen haben, sollen sie für immer als Könige und Priester auf dem Thron ihres Herrn ihren Platz haben.
Diese Erklärung bestätigt die Annahme, daß die Versiegelung der Erstlinge nicht allein in der konkreten kirchengeschichtlichen Situation des sechsten Siegels erfolgt sein kann, die durch das Werk des anderen Engels gekennzeichnet ist. Zwar entspricht dies dem buchstäblichen Aussagegehalt der Verse 2 und 3; darüber hinaus zählen aber Christen aus allen Völkern und Jahrhunderten zu den Versiegelten, die an der Entrückung, die voraussichtlich in der Zeit des Übergangs von der fünften zur sechsten Posaune erfolgen wird, Anteil haben werden. Zu allen Zeiten hat also Christus, der souverän waltende "Engel" des Neuen Bundes, einzelne Getaufte aus allen Nationen und Konfessionen "versiegelt", d.h. sie mit allem ausgerüstet, was zum Voranschreiten in der Heiligung, zum Schutz vor den "Wölfen in Schafskleidern", kurz: zur Vorbereitung auf sein zweites Kommen notwendig war und auch noch weiterhin ist.
1 Da erschien ein großes Zeichen am Himmel: Ich sah eine Frau,
die mit der Sonne bekleidet war; sie hatte den Mond unter ihren Füßen, und auf ihrem
Kopf trug sie eine Krone aus zwölf Sternen. 2 Und sie war schwanger und schrie in ihren
Wehen, denn die Schmerzen unmittelbar vor der Geburt hatten sie erfaßt.
3 Und ein anderes Zeichen erschien am Himmel: Ein großer feuerroter Drache, der sieben
Köpfe und zehn Hörner hatte und auf seinen Köpfen sieben Kronen. 4 Sein Schwanz fegte
den dritten Teil der Sterne des Himmels hinweg und warf sie auf die Erde. Und der Drache
stellte sich vor die Frau, die gebären wollte, damit er ihr Kind verschlinge, sobald sie
geboren hätte. 5 Und sie gebar einen Sohn, einen kraftvolles männliches Kind, das dazu
bestimmt war, alle Völker mit eisernem Stab zu weiden. Und das Kind wurde zu Gott und zu
seinem Thron entrückt. 6 Die Frau aber floh in die Wüste, wo sie eine von Gott bereitete
Stätte hatte, damit man sie dort tausendzweihundertsechzig Tage lang ernährte.
12, 1: Das große Zeichen, das Johannes am Himmel erblickt, hat nicht
allein optische Größe; es ist vor allem für das endzeitliche Geschehen von
herausragender Bedeutung. Die hier beschriebene Frau versinnbildlicht nicht etwa, wie
vielfach angenommen, Maria, die Mutter Jesu und auch nicht das Volk Israel. Die
Offenbarung blickt nicht auf das Kommen Jesu in Niedrigkeit zurück, sondern stets hat
sie, jenes voraussetzend, sein zweites Kommen in Macht und Herrlichkeit im Blick. In der
Sprache der biblischen Prophetie stellt eine Frau das Volk Gottes dar, wobei Gott als der
Ehemann bzw. der Verlobte dieser Frau gedacht wird. An dieser Stelle nimmt das Symbol
nicht auf die Gesamtheit des Gottesvolkes, sondern nur auf einen Teil desselben Bezug.
Die Sonne, mit der die Frau bekleidet ist, ist ein Sinnbild Christi, den alle Getauften
"angezogen" haben. Es wird hier offenbar eine Schar Gläubiger umschrieben, die
den Segen der Taufe nicht allein anerkennt, sondern auch in "leuchtender Weise"
sichtbar werden läßt. Sie ist also mit den Gaben und Kräften des Heiligen Geistes in
reichem Maße ausgestattet. Im Gegensatz zur Sonne hat der Mond keine eigene Leuchtkraft,
denn er reflektiert das Licht der Sonne. Er ist auf diese Weise ein treffendes Sinnbild
der Kirche, die sie geistliches Licht und Leben allein von ihrem himmlischen Herrn
empfängt.
Im vorliegenden Bild, das den Mond unter den Füßen der Frau platziert, ist auf den
wechselvollen Verlauf der Geschichte der Kirche mit seinen Höhe- und Tiefpunkten
hingewiesen. Er hat Ähnlichkeit mit den verschiedenen Phasen des Mondes, die sich im
ständigen Wechsel des Lichts und der Finsternis endlos wiederholen. Dieses leidvolle
"Auf und Ab" haben die hier beschriebenen Gläubigen unter ihren Füßen, d.h.
im großen und ganzen oder doch zumindest prinzipiell überwunden. Es ist hier also eine
Gemeinde beschrieben, die einen Zustand der "Vollkommenheit" erreicht hat,
obwohl sie noch nicht in die himmlische Herrlichkeit versetzt ist.
Die mit zwölf Sternen besetzte Krone auf dem Kopf der Frau ist ein Sinnbild des
zwölffachen Leitungs- und Lehreramtes der Kirche, das ihr in ihrer Gründungszeit zur
Ordnung aller ihrer Lehre und Leben betreffenden Angelegenheiten vorangestellt worden war.
An der Spitze der hier beschriebenen Schar von Gläubigen stehen demnach zwölf Apostel.
Diese Vision birgt folglich die Verheißung in sich, daß das apostolische Amt in der Zeit
des Endes eine Neubelebung erfährt. In einer Zeit tiefen kirchlichen Verfalls, in der
"Sonne und Mond ihren Schein verlieren und die Sterne des Himmels auf die Erde
fallen", leuchtet im Glanz Christi eine Gemeinde, die mit zwölf Aposteln prächtig
geschmückt ist, aus der allgemeinen Dunkelheit des kirchlichen Lebens hervor.
12, 2: Die Frau ist schwanger. Sie ist dazu bestimmt, durch eine geistliche Geburt neues Leben hervorzubringen, und zwar ein kraftvolles männliches Kind. Es geht hier nicht etwa um die Menschwerdung des Sohn Gottes, sondern umgekehrt um Menschen, in denen sich das Auferstehungsleben Christi mit unwiderstehlicher Macht Bahn bricht: Unter der Pflege und Obhut der sternengekrönten Frau wird eine Schar Gläubiger gesammelt, geistlich auferbaut und so auf das Kommen Christi vorbereitet. Diese Geburt eines schnell zur geistlichen Reife gelangenden irdischen Lebens, dem dann der Durchbruch zum unvergänglichen himmlischen Leben, nämlich Verwandlung und Entrückung folgen soll, kann niemand aufhalten; allerdings wird dies ohne Wehen, ohne geistliche Schmerzen der Geburt, nicht vonstatten gehen: auch der "Erstlingsschar", die noch vor dem Beginn der "großen Ernte" und der "Nachlese" in die himmlische Herrlichkeit entrückt werden soll, wird der Vorgeschmack der großen Drangsal nicht erspart bleiben.
Während die "Erstlinge" im siebten Kapitel der Offenbarung
als 144.000 Einzelne, die versiegelt werden, dargestellt sind, erscheinen sie im hier als
ein aus allen Konfessionen und Denominationen der einen Kirche zusammengefaßtes Ganzes,
als kraftvolles männliches Kind, das zunächst den Schoß seiner Mutter als "reife
Erstlingsfrucht" durchbricht und darauf zu Gott entrückt wird. Die hier beschriebene
Geburt schaut beides in eins: sowohl das Entstehen und schnelle geistliche Heranreifen
einer auserwählten Schar treuer Gläubiger, als auch den darauf folgenden Durchbruch zu
der ganz neuen Lebensform, die mit der ersten Auferstehung bzw. der Verwandlung der zu
dieser Zeit lebenden Gläubigen ins Dasein tritt.
Die diesem Ereignis vorangehenden geistlichen Wehen beziehen sich dem unmittelbaren
Zusammenhang nach zunächst auf die Widerstände und Anfeindungen, denen im 19.
Jahrhundert die Vertreter der katholisch-apostolischen Bewegung ausgesetzt waren, dann
aber auch, nachdem - wie schon in den Zeiten der frühen Kirche - die Naherwartung der
Entrückung sich nicht erfüllte, auf das Vorstadium der großen Drangsal, nämlich auf
die Gerichte der fünften Posaune: Die geistliche Heuschreckenplage ist es, die den zur
Entrückung bestimmten Versiegelten nicht erspart bleiben wird.
12, 3: Ebenfalls im Himmel, d.h. in derselben Sphäre geistlichen
Lebens, in der die treue Erstlings-Gemeinde dem Durchbruch des Auferstehungslebens
entgegensieht, tritt nun ein anderes, d.h. ein weiteres Zeichen in Erscheinung, das die
feindliche Gegenbewegung zum Heilsplan Gottes darstellt: Ein großer feuerroter Drache
tritt auf den Plan, der mit der Vernichtung des neu hervorbrechenden Lebens zum
entscheidenden Schlag gegen Gottes Heilswerk ausholen will. Der Drache ist ein Bild
Satans, des ärgsten Widersachers Gottes, hier dargestellt als ein Ungeheuer, das alles
verschlingen will. Seine rote Farbe, die auf frisch vergossenes Blut hinweist,
kennzeichnet ihn als den Mörder von Anfang an. Das Feuer bringt zum Ausdruck, daß er mit
unbändigem Eifer erfüllt ist, die Werke Gottes zu zerstören.
Der Drache hat sieben Köpfe. Die Zahl Sieben, für sich gesehen, steht für die Fülle
des Heiligen Geistes; hier jedoch macht sie deutlich, daß die Macht Satans, der ein
gefallener Engel ist, in erster Linie geistlicher Natur ist. Noch kann er im Blick auf die
Erdenbewohner über geistliche Gaben und Kräfte ungeheuren Ausmaßes verfügen, und als
der "Gott dieser Welt" läßt er es auf den Versuch ankommen, die Erde und ihre
Bewohner vollends in seinen Besitz zu bringen. Während die sieben Kronen seinen Anspruch
auf königliche Herrschermacht darstellen, versinnbildlichen die zehn Hörner zehn
Herrscher, die sich mit dem Antichristen verbünden und derer er sich zur Durchsetzung und
Festigung seiner Herrschaft bedienen wird.
12, 4+5: Mit seinem Schwanz, d.h. mittels seiner Anhängerschaft auf Erden, fegt der Drache den dritten Teil der Sterne des Himmels, nämlich einen großen Teil der Lehrer der Kirche, hinweg, um sie auf die Erde zu werfen, sie in eine irdische, ungeistliche Gesinnung hineinzuziehen. Der dritte Teil ist als Anspielung auf den Geist der Kirchenlehrer zu verstehen, der als zentrale "Schaltstelle" der Seele auch das Einfallstor für die Mächte und Kräfte der jenseitigen Welt ist. Die hier bezeichneten Lehrer der Christenheit entziehen ihren Geist dem Einfluß des Heiligen Geistes und öffnen sich dem antichristlichen Geist ihrer Zeit - mag dies nun aus böswilligem Vorsatz oder in verblendetem, vermeintlich "gutem Glauben" geschehen. Doch trotz seiner großen Macht kann der Drache die Geburt eines kraftvollen männlichen Kindes aus dem Mutterschoß der Kirche, d.h. das geistliche Heranreifen der Erstlinge in den verschiedenen Teilen der Christenheit, nicht verhindern. In buchstäblich wunderbarer Weise entgehen sie seinem Anschlag; denn zu einem genau bestimmten Zeitpunkt nach dieser Geburt, der Gott allein bekannt ist, wird das kraftvolle Kind, die nun endgültig vollzählige Schar der Versiegelten, zum Thron Gottes entrückt. Es ist dazu bestimmt, alle Völker mit eisernem Stab zu weiden. Hiermit wird auf die königliche und richterliche Vollmacht Christi angespielt, an der die Erstlinge in besonderer Weise Anteil haben werden.
Wenn die sieben Sendschreiben kirchengeschichtlich gedeutet werden, weist das "danach" (V. 1) auf das Reich Gottes hin, das die Geschichte der Kirche auf Erden und die Reiche dieser Welt für immer ablösen und in dem die verherrlichte Kirche an der Seite ihres Herrn eine Mittelpunktstellung einnehmen wird. So vermittelt das vierte Kapitel der Offenbarung bereits einen Einblick in das zukünftige Reich der Herrlichkeit, in dem der Thron Christi für immer aufgerichtet sein wird:
1 Danach sah ich eine Tür im Himmel, die war geöffnet, und
die erste Stimme, die ich wie von einer Posaune zu mir hatte reden hören, sagte: Komm
hier herauf, dann werde ich dir zeigen, was danach geschehen muß. 2 Im selben Moment
ergriff mich der Geist Gottes, und ich sah einen Thron im Himmel stehen, auf dem jemand
saß. 3 Der strahlte wie ein Diamant und wie ein Karneol, und der Thron war von einem
Regenbogen umgeben, der wie ein Smaragd aussah.
4 Rings um den Thron sah ich vierundzwanzig Throne, und auf den Thronen saßen
vierundzwanzig Älteste, die in weiße Gewändern gehüllt waren und auf dem Kopf goldene
Kronen trugen.
5 Und von dem Thron gingen Blitze und laute Donnerschläge aus, und sieben Feuerfackeln
brannten vor dem Thron die sieben Geister Gottes. 6 Vor dem Thron war etwas wie ein
Meer aus Glas, das sah wie ein Kristall aus. Und mitten im Thron und um den Thron herum
waren vier lebendige Wesen, die vorn und hinten voller Augen waren. 7 Das erste Wesen
glich einem Löwen, das zweite einem Stier, das dritte hatte ein Antlitz wie ein Mensch,
und das vierte glich einem fliegenden Adler. 8 Und jedes der vier lebendigen Wesen hatte
sechs Flügel, und ringsum und innen waren sie voller Augen. Und sie hatten Tag und Nacht
keine Ruhe und sprachen unaufhörlich: Heilig, heilig, heilig ist der Herr, der
allmächtige Gott, der war, der ist und der kommt. 9 Und sooft diese Lebewesen Preis und
Ehre und Dank dem darbrachten, der auf dem Thron saß und in alle Ewigkeit lebt, 10 fielen
die vierundzwanzig Ältesten vor ihm nieder und beteten ihn an, der auf dem Thron saß und
in alle Ewigkeit lebt. Und sie legten ihre Kronen vor den Thron und sprachen: 11 Du, unser
Herr und Gott, bist würdig, Herrlichkeit und Ehre und Macht zu empfangen, denn du hast
alle Dinge erschaffen; durch deinen Willen wurden sie ins Dasein gerufen und erschaffen.
4, 1-3: Die erste Stimme, d.h. dieselbe, die Johannes auf das
souveräne herrscherliche Walten Gottes in der gegenwärtigen Kirche hingewiesen hatte,
fordert ihn nun nach der Öffnung einer Tür im Himmel auf, heraufzusteigen, sich im Geist
über alle Zeitlichkeit hinaus in die noch zukünftige Herrlichkeit der neuen Welt Gottes
zu erheben. Sogleich wird Johannes vom Geist ergriffen. Er gerät in Verzückung und wird
durch die Wirkung des Heiligen Geistes in die himmlische Welt versetzt, wo er als erstes
einen Thron erblickt. Daß es sich hier nicht um den Thron des Vaters, sondern um den des
Sohnes handelt, geht aus der Kombination der beiden Edelsteine hervor, mit denen das
Aussehen des auf dem Thron sitzenden verglichen wird, nämlich mit einem Diamanten und mit
einem Karneol: Die göttliche und die menschliche Natur sind in Christus für immer
unlösbar miteinander verbunden.
Die Farbe Grün, die hier durch den smaragdfarbenen Regenbogen ins Spiel kommt,
versinnbildlicht als solche das vergängliche Wesen des Menschen ist doch
"alles Fleisch wie Gras". Der Smaragd indes, der die grüne Farbe in
unvergänglicher Schönheit und Klarheit aufweist, symbolisiert den verklärten Zustand
des Menschen nach der Auferstehung. Der smaragdfarbene Regenbogen, der den Thron umgibt,
bezeichnet deshalb den Kreis der verherrlichten Menschen, die Christus in seinem
zukünftigen Reich am nächsten stehen werden: Er ist ein Bild der verherrlichten Kirche.
Wie Gott den ersten Regenbogen als Unterpfand seiner Gnade und Treue in die Wolken setzte,
so wird auch zur Zeit der großen Drangsal der Blick auf den Kreis der bereits in die
Herrlichkeit Christi Entrückten denen, die noch unter der Verfolgung des Antichristen zu
leiden haben, den nötigen Trost spenden: Nach den Schrecken und "Wetterwolken"
der endzeitlichen Sintflut werden gewiß auch sie noch der heimholenden Gnade Gottes
teilhaftig werden.
4, 4: Johannes sieht rings um den Thron auf vierundzwanzig Thronen
vierundzwanzig Älteste sitzen. Den Aposteln als den "Ältesten" der gesamten
Kirche hatte Christus zugesagt, einst auf zwölf Thronen zu sitzen und die Stämme Israels
zu richten. Doch hier ist nicht von zwölf, sondern von vierundzwanzig Ältesten die Rede.
Im allgemeinen wird angenommen, daß hier neben den Aposteln auch die Repräsentanten des
alttestamentlichen Bundesvolkes um den Thron Gottes bzw. Christi versammelt sind.
Zweifellos werden die Heiligen des Alten Bundes ihren Platz im Reich Gottes erhalten; doch
gebührt es ihnen nicht, neben den Aposteln zu sitzen, denn der "Kleinste im
Himmelreich" ist immer noch größer als der größte Prophet des alten Bundes.
Nach katholisch-apostolischer Auffassung handelt es sich bei allen vierundzwanzig
Ältesten um Apostel, wobei zu bedenken ist: Der Zahlenwert ist hier nicht im strengen
numerischen, sondern im symbolischen Sinn zu verstehen: Er weist auf zwei verschiedene
"Reihen" bzw. "Funktionsgruppen" von Aposteln hin gab es doch
im ersten Jahrhundert nicht nur Apostel für die Juden, sondern auch solche, die den
übrigen, aus dem Heidentum stammenden Völkern das Evangelium verkünden sollten. Mit
dieser Aufgabe waren Paulus und Barnabas betraut; jedoch starben beide, ohne daß weitere
Heidenapostel berufen und die das Apostelamt kennzeichnende Zwölfzahl erreicht worden
wäre. In den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts traten nun im Zuge der
"katholisch-apostolischen" Bewegung in England zwölf Männer mit dem
Anspruch auf, von Christus als Apostel berufen worden zu sein und den Auftrag empfangen zu
haben, die verschiedenen Kirchen und Konfessionen zu ihren ursprünglichen Grundlagen und
damit auch zu ihrer gottgewollten Einheit zurückzuführen.
Wenn diese Männer tatsächlich Apostel im engen Sinne dieser Bezeichnung waren, dann
böte sich eine schlüssige Erklärung der hier erwähnten vierundzwanzig Ältesten an:
Zum einen wären hier die Apostel für die Juden, zum anderen die für die aus dem
Heidentum stammenden Völker erwähnt. Oder unter einem anderen Aspekt: sowohl die Apostel
des Anfangs, die den "guten Samen des Evangeliums ausgestreut" haben, als auch
die Apostel des Endes, die dann folgerichtig den Auftrag gehabt hätten, alles im Laufe
der bisherigen Kirchengeschichte Gewachsene zu sichten und für die Ernte vorzubereiten.
Die Ältesten waren in weiße Gewänder gehüllt und hatten auf dem Kopf goldene Kronen.
Diese schon bekannte Symbolik unterstreicht, daß hier von vollendeten Menschen die Rede
ist, die bereits in die himmlische Herrlichkeit versetzt worden sind.
4, 5: Und von dem Thron gingen Blitze und laute Donnerschläge aus. Der Thron Jesu Christi ist Zentrum und Ausgangspunkt seiner Autorität und Herrschaft über die gesamte Schöpfung. Von hier aus gehen seine Anordnungen und Befehle wie Blitze und laute Donnerschläge aus. Die sieben Feuerfackeln, die vor dem Thron brannten, werden sogleich als die sieben Geister Gottes erklärt. Sie umschreiben also die vollkommene und unerschöpfliche Fülle des göttlichen Geistes. Seine Weisheit erforscht die Tiefen Gottes, und mit feurigem Eifer hält er sich bereit, alle Pläne und Ratschlüsse Gottes bis zur vollkommenen Verwirklichung seiner Herrschaft im Himmel und auf Erden zu ihrem Ziel zu führen.
4, 6+7: Vor dem Thron erblickt Johannes etwas wie ein Meer aus Glas,
das wie ein Kristall aussieht. In den Psalmen werden tobende und aufgebrachte
Menschenmengen mit dem Meer vor dem Thron Gottes verglichen, das dort allerdings unruhig
hin- und herwogt. Ein gläsernes Meer, das klar und durchsichtig wie ein Kristall ruhig
daliegt, ist deshalb ein Sinnbild für das große Völker-Meer der erlösten Menschheit.
Von keinem Sturm gottfeindlicher und seelenverderblicher Ideologie aufgepeitscht und von
keinem Wind falscher Lehre mehr bewegt, liegt das Meer der Menschheit endlich ruhig und in
vollkommenem Frieden da. Dies ist ein Vorausblick auf den Frieden des Tausendjährigen
Reiches und dann nach der allgemeinen Auferstehung auf das vollendete Reich
Gottes, in dem Gott, der Vater Jesu Christi, für immer und ewig "alles in
allem" sein wird.
Die vier lebendigen Wesen mitten im Thron und um den Thron herum sind die auch von
Hesekiel geschauten Engelmächte. Es handelt sich um die Cherubim; sie werden hier
erwähnt, weil sie auch Sinnbilder für die vier neutestamentlichen Dienstämter sind.
Diese finden sich nicht allein mitten im Thron, sind also nicht nur in der Person Christi
vereinigt, sondern sie erscheinen auch sichtbar um den Thron herum, in den von ihm
berufenen Dienern.
Der Löwe verkörpert Kraft, Autorität und Willensstärke. Als dem "König der
Tiere" kommt ihm darüber hinaus noch eine besondere Vorrangstellung zu. Er ist
Sinnbild des apostolischen Amtes. Der Stier ist dagegen das Symbol des Hirten- und
Lehreramtes. Wie die Stiere in damaliger Zeit geduldig das Getreide zu dreschen hatten, so
ist es die Aufgabe der Hirten, aus der "Schale" des Wortlauts der Heiligen
Schrift den zur geistlichen Ernährung lebenswichtigen "Kern" herauszuarbeiten
und für die Gemeinde "genießbar", d.h. verständlich zu machen. Das lebendige
Wesen mit dem Gesicht wie ein Mensch stellt das Amt des Evangelisten dar. Seine besondere
Fähigkeit und Gabe besteht darin, die Botschaft von der Gnade und Liebe Gottes solchen
Menschen, die dem Evangelium fern stehen, in packender und überzeugender Weise nahe zu
bringen. Dabei beherrscht Evangelist die Kunst, gleichsam "von Mensch zu Mensch"
zu reden. Der fliegende Adler schließlich, der sich mit seinen mächtigen Schwingen in
das lichte Blau des Himmels erhebt und mit seinen scharfen Augen auch Dinge wahrnehmen
kann, die weit entfernt sind, ist das Symbol des Prophetenamtes. Vermöge geistlicher
Inspiration sind ihm "Schwingen" verliehen, mit deren Hilfe es sich in
"höhere Regionen" erheben kann, die den übrigen Gläubigen nicht zugänglich
sind. Zur Belehrung, zum Trost und zur Ermahnung, kurz zur "Erbauung" der ganzen
Gemeinde ist der Prophet in der Lage je nach dem Maß der ihm verliehenen Gabe
nicht nur die Tiefen der Heiligen Schrift auszuloten; soweit es ihm offenbart wird,
vermag er auch wichtige, die Gemeinde betreffende zukünftige Ereignisse vorauszusagen.
Der größte Prophet der Menschheitsgeschichte, auf den schon Mose hingewiesen hatte, ist
der menschgewordene Gottessohn. Es ist sein Wille, daß auch nach seiner Himmelfahrt das
Prophetenamt weitergeführt wird wie auch die Ämter der Apostel, Hirten und
Evangelisten ursprünglich dazu bestimmt waren, fortwährend in der Kirche wirksam zu
sein. Sie bilden die vom Herrn der Kirche gestiftete Ordnung, durch die allein der Bau der
Kirche nach dem Plan Gottes gestaltet und vollendet werden kann. Diese Ämterordnung ist,
wie die vorliegende Vision deutlich macht, nicht nur für die Zeit, sondern auch für die
Ewigkeit bestimmt.
4, 8: In Abweichung zu den Cherubim, die Hesekiel schaute, weisen die
hier beschriebenen Wesen nicht vier, sondern sechs Flügel auf. Diese versinnbildlichen
die Helfer, die den Inhabern der vier Hauptämter der Kirche zur Seite gestellt sind und
sie bei ihren zahlreichen Aufgaben tatkräftig unterstützen.
Die Cherubim waren innen und ringsherum voller Augen. Augen sind das Symbol geistlicher
Erkenntnis. Die hier beschriebenen "Rundumblicks-Möglichkeiten" deuten an, daß
das den Inhabern der vier kirchlichen Hauptämter verliehene "Erkenntnislicht"
unumschränkt ist. Es vermag nicht allein das der Vergangenheit angehörige Heilsgeschehen
richtig zu deuten, es kann auch gegenwärtige Situation geistlich beurteilen und sogar die
auf die Zukunft gerichteten Ratschlüsse Gottes treffsicher erfassen und ausleuchten. Wie
die Seraphim, so loben auch die Cherubim den dreieinigen Gott mit den Worten, die in das
"Sanctus" aufgenommen worden sind: Heilig, heilig, heilig ist der Herr, der
allmächtige Gott, der war, der ist und der kommt.
4, 9-11: In den Lobgesang der himmlischen Chöre stimmen nun die an der Spitze der erlösten Menschheit stehenden vierundzwanzig Ältesten auf ihre Weise ein, indem sie die Zeichen ihrer Herrscherwürde, ihre Kronen, vor dem Thron dessen niederlegen, der allein würdig ist, Herrlichkeit, Ehre und Macht zu empfangen. Denn alle Dinge, alles, was ist, den Himmel, die Erde und alle Lebewesen hat er, der Sohn Gottes, ins Dasein gerufen und erschaffen. Kein anderer als er ist der Allmächtige, der wahre "Pantokrator", der Herrscher über das All. Ihm allein gebühren Herrlichkeit und Anbetung für alle Zeit und Ewigkeit.
Der Ursprung der katholisch-apostolischen Bewegung ist aus den
Enderwartungen im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts herzuleiten, als in England viele
Gläubige, aufgeschreckt durch die Ereignisse und Folgewirkungen der französischen
Revolution von 1789, sich regelmäßig zum Gebet um die Ausgießung des Heiligen Geistes
versammelten. In verschiedenen solcher Gebetskreise in England und Schottland kam es dann
im Jahr 1830 zu Weissagungen, die unter anderem auch die nahe bevorstehende Wiederkunft
Christi zum Gegenstand hatten, der ein mächtiges Heilswerk vorausgehen werde, durch das
die Kirche auf das große Ereignis der Ankunft Jesu vorbereitet werden sollte. Dabei wurde
einzelnen Mitgliedern der Versammlungen wiederholt und in direkter Anrede mitgeteilt, daß
sie zu hohen und heiligen Berufen in der Kirche bestimmt seien. Einige wurden
ausdrücklich als Apostel bezeichnet, und bis zur feierlichen Aussendung am 14. Juli 1835
waren es insgesamt zwölf Männer, die sich zu diesem Amt berufen wußten.
Die Apostel nahmen darauf in Albury ihren Wohnsitz, wo sie ein Jahr lang gemeinsam die
biblischen Schriften studierten. Zur Seite standen ihnen dabei sieben zu Propheten
berufene Männer mit ihren Weissagungen. Bevor sich die Apostel dann auf den Weg in die
Länder der Christenheit machten, um den geistlichen Zustand der ihnen zugewiesenen Teile
der weltweiten Christenheit zu erforschen, verfaßten sie eine umfangreiche
Zeugnisschrift, die den Führern der verschiedenen Konfessionen und auch den weltlichen
Häuptern aller christlich geprägten Länder vorgelegt wurde. Nach dem Abschluß der
Erkundungsreisen sollte von Albury aus die Hauptaufgabe beginnen, nämlich die
Wiederherstellung der Einheit der Kirche und ihre Vorbereitung auf die Wiederkunft Jesu.
Als Glaubensgrundlage wurden zusätzlich zur Heiligen Schrift auch das Apostolische, das
Nizänische und auch das Athanasianische Glaubensbekenntnis als treuer Ausdruck biblischer
Lehre anerkannt.
Es wurde nun damit begonnen, exemplarische Gemeinden zu gründen, für die vor allem die
ausgefeilte Struktur der Dienstämter charakteristisch war: Die Aufsicht über die
Gesamtkirche oblag den Aposteln, wobei sie von Propheten, Evangelisten und Hirten -
ebenfalls mit gesamtkirchlichem Auftrag - unterstützt wurden. In der lokal begrenzten
Einzelgemeinde dagegen war dem "Engel", d.h. dem Bischof, die Aufsicht über die
Priester und die Diakonen anvertraut. Nachdem Ämter, Lehrgrundlagen und Liturgie
ausgestaltet waren, war der Rahmen für eine mögliche Reformation und Vereinigung der
weltweiten Christenheit geschaffen, die aber trotz hingebender Bemühungen aufgrund der
allseitigen Ablehnung ausblieben. Vielmehr entstand eine weitere christliche Gemeinschaft.
Heute leben die über die ganze Welt verstreuten Gemeinden zurückgezogen und pflegen ein
inniges gottesdienstliches Leben. Immer noch verstehen sie sich als eine auf ihren Herrn
wartende Gemeinschaft. Und trotz des Sterbens der Apostel, denen keine weiteren folgten,
ist ihre Hoffnung ungebrochen, denn der Auftrag der Gemeinden wird antitypisch zum Wirken
Johannes des Täufers verstanden: Wie einst der Wegbereiter des Herrn "eingesperrt
und mundtot gemacht" wurde, so liegt auch die jetzt wartende Gemeinde gleichsam
"gebunden" im Gefängnis und muß "abnehmen"; denn ihr Auftrag ist
beendet und "ein anderer muß nun zunehmen": Christus selbst werde zu seiner
Zeit eingreifen und "das Werk" auf seine Weise - nämlich durch das Auftreten
der zwei Zeugen - weiterführen.
Die katholisch -apostolischen Geistlichen und ihre Anhänger wurden von den großen
Kirchen als sektiererische Fanatiker eingestuft, so daß die Bewegung mit ihrem Anliegen
der Reformation der weltweiten Christenheit nur scheitern konnte. Allerdings sagt diese
allgemeine Ablehnung wenig über die tatsächliche Legitimation der Männer aus, die sich
als von Christus unmittelbar berufene Apostel verstanden; denn in diesem Sinne
"scheiterte" auch Noah, dem es durch seine Predigt nicht gelungen war, seine
Volksgenossen zum Einstieg in die Arche zu bewegen. Auch alle Propheten des Alten
Testaments, deren Botschaft auf taube Ohren stieß, wären "gescheitert". Ja
selbst Jesus wäre "gescheitert", wenn einzig und allein die Bekehrung des
gesamten jüdischen Volkes als Erfolg zu werten gewesen wäre. Somit bleibt noch
abzuwarten, ob die Männer, die im 19. Jahrhundert mit apostolischem Anspruch in der
Christenheit auftraten, wirklich gescheitert oder aber in der Berechtigung ihres Anliegens
verkannt worden sind.
Eine gute und (seltenerweise!) recht objektive Darstellung dieser Bewegung findet sich in K. Hutten: Seher Grübler Enthusiasten, Sekten und religiöse Sondergemeinschaften der Gegenwart, Quell-Verlag, Stuttgart. Aus kath.-apostolischer Sicht zu empfehlen: 1. Johannes Albrecht Schröter: Die Katholisch-apostolischen Gemeinden in Deutschland und der "Fall Geyer", Theol. Diss., Marburg 1997. 2. Albrecht Weber: Die katholisch-apostolischen Gemeinden, ein Beitrag zur Erforschung ihrer charismatischen Erfahrung und Theologie, Theol. Dissertation, Marburg 1977.
Nach katholisch-apostolischer Auffassung ist das apostolische Amt
auch nach dem Abgang der frühchristlichen Apostel für die Kirche von
allergrößter Bedeutung. Die Übersetzung des aus der griechischen Sprache stammenden
Begriffes Apostel ist schlicht und einfach "Gesandter". Im Neuen Testament wird
zwischen Aposteln im weiteren und engeren Sinne unterschieden. Ein Apostel im weiteren
Sinne ist beispielsweise Titus, der von seiner Gemeinde nach Rom gesandt wurde, um dem
dort im Gefängnis sitzenden Paulus eine für ihn gesammelte Geldsumme zu überbringen. In
ähnlicher Weise ist im 2. Korintherbrief von "Brüdern" die Rede, die als
Apostel der Gemeinden "zur Ehre Christi wirken". Auch hier handelt es sich nicht
um Apostel Jesu Christi im engeren Sinne, sondern um Abgesandte einer Gemeinde, die
besondere, fest umrissene, aber zeitlich befristete, Aufträge ihrer Gemeinde zu erfüllen
haben.
Darüber hinaus ist der Apostelbegriff im Neuen Testament auch feststehende Bezeichnung
für das höchste kirchenleitende Amt. Wenn das Wesen der Kirche auch geistlicher bzw.
charismatischer Natur ist, so darf doch der Aspekt der Herrschaft Christi in seiner Kirche
nicht unberücksichtigt bleiben. Sollte doch der Heilige Geist nicht kommen, um sich
selbst zu verherrlichen, sondern Christus. Dieser ist aber "ins Fleisch", d.h.
in die Natur eines gewöhnlichen Menschen gekommen. Somit hat die Fleischwerdung des
Sohnes Gottes die Möglichkeit der Gegenwart Gottes in und durch Menschen sofern er
sie dazu beruft und fähig macht eröffnet.
Diese Möglichkeit ist mit der Herabkunft des Heiligen Geistes am Pfingsttage im vollen
Maße Wirklichkeit geworden, indem die zwölf Apostel, die bis auf Matthias vom irdischen
Jesus berufen worden waren, durch den Heiligen Geist Kraft und Vollmacht empfingen, das
Werk des Auferstandenen weiterzuführen. Dieses Werk besteht in Gründung, Aufbau und
Leitung der Kirche Christi, mit dem Ziel ihrer Vorbereitung auf seine persönliche
Rückkehr zur Aufrichtung seines Friedensreiches. Die Aufgaben bzw. Vorrechte der Apostel
waren im wesentlichen die folgenden:
1. Christliche Gemeinden zu gründen.
2. Das Evangelium allen Menschen zu verkündigen.
3. Alle Völker zu taufen und sie zu lehren.
4. Das Heilige Abendmahl zu verwalten.
5. Sünden zu erlassen und zu behalten.
6. Verordnungen und Weisungen zur Leitung der Gesamtkirche zu erlassen.
7. Verwaltungsfragen zu regeln.
8. "Durch den Geist bezeichnete Männer" in verschiedene Dienstämter einzusetzen.
9. Den Getauften mittels Handauflegung den Heiligen Geist mitzuteilen.
In neutestamentlicher Sicht sind Apostel das Einheitsband der
Gesamtkirche. Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohn im Heiligen Geist hat die Kirche
durch sie, und nur durch Apostel Jesu Christi kann sie zur "Vollkommenheit"
gelangen, d.h. auf den Tag seiner Wiederkunft in notwendiger Weise vorbereitet werden.
Apostel verkündigen den vollkommenen Willen Christi. Er selbst kommt in ihnen zu seiner
Gemeinde. Apostel sind die "Haushalter über die Geheimnisse Gottes"; sie haben
Christi Sinn und reden nicht ihre eigenen Worte, sondern die Worte und Gebote ihres Herrn.
Mehr noch: Eine andere Wahrheit als die von Aposteln verkündigte gibt es schlechterdings
nicht.
Nach Epheser Kap. 2, 20 ist die Kirche auf dem Grund der Apostel und Propheten erbaut.
Hier ist nicht von den Schriften toter Apostel und Propheten und erst recht nicht
von alttestamentlichen prophetischen Büchern die Rede, sondern es geht hier um die
Gegenwart lebender Menschen, die apostolische bzw. prophetische Funktionen in der Kirche
ausüben, denn Christus ist nicht der Eckstein eines aus biblischen Büchern bestehenden
Grundes. Das Haus der Kirche muß, soll es stabil und tragfähig sein, auf dem Fundament
lebender Menschen gebaut sein, die vom Herrn der Kirche mit der notwendigen Vollmacht, mit
allen Gaben und Kräften des Heiligen Geistes, ausgerüstet sind.
Während im Katholizismus die apostolische Autorität dem Bischof von Rom und dem ihm
zugeordneten Klerus übertragen wurde, lag es im Wesen des Protestantismus und seiner
nicht selten einseitig betonten Lehre vom Priestertum aller Gläubigen, das Recht und die
Fähigkeit der Ausübung der ursprünglich den Aposteln vorbehaltenen Tätigkeiten der
Gesamtheit der Gläubigen zuzuordnen. Zwar sollte dabei die Heilige Schrift als alleinige
Richtschnur in den Fragen der Lehre und des Lebens gelten, doch waren mit diesem Prinzip
Uneinigkeit und Spaltungen schon vorprogrammiert. Denn die Bibel vermag nun einmal nicht
selbst das Wort zu ergreifen, um etwa strittige theologische Fragen zu erörtern oder gar
zu schlichten. Viele, ja unzählige Lösungsmöglichkeiten sind denkbar. Deshalb ist eine
verbindliche und allgemein anerkannte Instanz, die in Fragen der Lehre, des Lebens und der
Verkündigung anhand der Schrift klare Richtlinien festlegt, unumgänglich. Tatsächlich
finden sich mehr oder weniger stark ausgeprägt auch in den protestantischen
Kirchen geistliche Leitungsinstanzen.
Nach katholisch-apostolischer Auffassung hat ein konsequent praktiziertes
Sola-Scriptura-Prinzip mit neutestamentlicher Theologie so viel gemeinsam wie der
Aussagegehalt der Behauptung, jeder mündige Christ dürfe mit der Bibel in der
Hand sich als sein eigener Apostel und Lehrmeister betrachten, dem allein er
Gehorsam zu leisten und Rechenschaft abzulegen habe. Es lasse sich auch keine
Schriftstelle anführen, die den Beweis erbringt, die biblischen Schriften allein sollten
oder könnten der Kirche in der Zukunft alles das leisten, was am Anfang die Apostel
ausrichteten.
Überhaupt waren sämtliche "Ersatzmittel", die im Laufe der Kirchengeschichte
an die Stelle apostolischer Amtsvollmacht traten, keinesfalls geeignet, diese Lücke, die
um die erste Jahrhundertwende entstand, zu schließen: Ein in stringenter Weise
praktiziertes Schriftprinzip, das den Stellenwert des kirchlichen Amtes vernachlässigt,
wenn nicht vollkommen außer acht läßt, das fromme Selbstbewußtsein des einzelnen, die
autonome und aufgeklärte Vernunft und, aus dieser erwachsen, der historische Kritizismus,
ferner die Tradition der Kirche und auch ein in bischöflicher Sukzession stehendes
Lehramt alle diese können in keiner Form ein hinreichender Ersatz für die
Gegenwart lebender Apostel sein. (...)
Die Art und Weise der Berufung eines Apostels ist von Fall zu Fall verschieden. Während
Jesus zunächst mündlich berief, wurde Matthias per Losverfahren ermittelt, Paulus und
Barnabas dagegen empfingen den Ruf unmittelbar vom erhöhten Herrn. Ihre feierliche
"Aussonderung" durch den Heiligen Geist, d.h. durch das Wort der anwesenden
Propheten, begründete nicht ihre apostolische Autorität, sondern markierte lediglich die
Herauslösung aus ihrer bisherigen Tätigkeit und somit den Beginn ihrer apostolischen
Amtswirksamkeit.
Die jeweilige Verschiedenheit in der Art und Weise der Berufung und Aussendung von
Aposteln läßt deutlich werden, daß dieses Amt weder eine persönliche Benennung durch
den irdischen Jesus noch einen persönlichen Umgang mit ihm während der Zeit seiner
irdischen Wirksamkeit unabdingbar voraussetzt. Fraglich ist auch, ob eine Vision des
Auferstandenen, wie Paulus sie erlebt hat, in jedem Fall erforderlich sein muß. Eine
Berufung muß erfolgen, wie diese aber geschieht, ist Sache des Berufenden, der in seiner
Vorgehensweise absolut souverän ist und niemandem darüber Rechenschaft abzulegen hat.
Grundsätzlich ist deshalb die Berufung und Aussendung von Aposteln jederzeit möglich.
Der Erweis der apostolischen Autorität eines Menschen kann sich für Prüfende niemals
aus dem ableiten, was der mit apostolischem Anspruch Auftretende erfahren zu haben
vorgibt. Als Beweis seiner Vollmacht führt denn auch Paulus nicht in erster Linie sein
Damaskuserlebnis an, sondern vor allem die Ergebnisse seiner Tätigkeit. Darauf legten
auch die übrigen Apostel bei ihrer Beurteilung von Paulus und Barnabas das Hauptgewicht,
und darauf verweist auch Paulus die Korinther bei der Verteidigung seiner
Apostelvollmacht. Wer beansprucht, ein Apostel Christi zu sein, hat nicht nur die Taten
eines Bischofs oder eines begabten Lehrers auszurichten er muß auch die
obengenannten spezifischen Aufgaben eines Apostels, und zwar vor den Augen aller, sichtbar
erfüllen. Das untrügliche Kennzeichen, an dem echte Propheten erkannt werden können,
ist die "Frucht" ihrer Wirksamkeit: "An ihren Früchten sollt ihr sie
erkennen".
Während die Jerusalemer Urgemeinde beständig in der Lehre der Apostel blieb und auch
Paulus sich des ungeteilten Glaubens und der Liebe der Thessalonicher rühmen konnte, fand
schon bald ein Geist der Auflehnung gegen das Apostelamt in die frühe Gemeinde Eingang.
So ließen sich zum Beispiel die Galater von selbsternannten Aposteln beeindrucken, was zu
Streit und Uneinigkeit führte und das Werk des Paulus zu zerstören drohte. Bei den
Korinthern hingegen waren nicht nur Spaltungen, Parteiwesen und grobe Fehltritte unter
Gemeindegliedern an der Tagesordnung, es wurde gar die apostolische Kompetenz des Paulus
offen bestritten. Am Ende seines Lebens sah Paulus sich von vielen verlassen, die
zunächst treu zu ihm gehalten hatten.
Doch nicht allein Paulus, auch Johannes stieß in den seiner Leitung unterstellten
Gemeinden auf Widerstand und Ablehnung. Der Vorsteher Diotrephes will seine Autorität
nicht mehr anerkennen, und auch die sieben Sendschreiben, an die Gemeinden gerichtet, in
denen Johannes nach dem Tod des Paulus wirkte, lassen schwere geistliche Schäden
erkennen, die zumindest teilweise auf die Nichtachtung der Autorität des letzten noch
lebenden Apostels zurückzuführen sein dürften.
Die ernsten Ermahnungen, die die damalige Christenheit auf das mahnende Vorbild Israels
hinwiesen, waren offenbar umsonst. Wie einst das Volk des Alten Bundes wegen seiner Kritik
an Mose nicht ins verheißene Land ziehen konnte, obwohl es unmittelbar vor dessen Grenze
stand, so vermochte anscheinend auch das Volk des Neuen Bundes nicht ins "himmlische
Kanaan" zu ziehen, weil es seinem "Mose", d.h. den Aposteln, mit Widerstand
und Kritik, wenn nicht sogar mit entschiedener Ablehnung entgegentrat. Mit anderen Worten:
Die Hoffnung auf die baldige Wiederkunft Christi erfüllte sich in der Zeit der
Urchristenheit allem Anschein nach deshalb nicht, weil das auflehnerische
"Murren" gegen die von Christus verordneten Leiter der Kirche, nämlich gegen
die Apostel, den geistlichen Reifeprozeß bei der Mehrzahl der Gläubigen behinderte oder
gar stagnieren ließ.
Dieser Umstand bietet auch eine Erklärung für die scheinbar widersprüchlichen
paulinischen Aussagen über den Zeitpunkt der Wiederkunft Christi. Hatte er zunächst noch
auf seine Teilnahme an der "Entrückung" gehofft, sprach er später nur noch von
seinem nahe bevorstehenden Tod. Allein Christus, der souveräne Herr der Kirche, kann
Apostel berufen und aussenden. Er kann auch, wenn er es für nötig hält, seiner Kirche
dieses Amt entziehen, selbst wenn dasselbe zu ihrer Vollendung unabdingbar notwendig
wäre. Es scheint, daß Apostel deshalb in der Kirche nicht mehr wirksam sein konnten
und offenbar auch nicht mehr sollten , weil sie mit allem Nachdruck
verachtet und zurückgestoßen worden waren.
Zweifellos ist die Kirche nach dem Entzug des apostolischen Amtes nicht von ihrem
himmlischen Herrn getrennt worden. Durch alle Zeiten hindurch, auch in den Zeiten tiefsten
Verfalls, war und ist Christus in ihr gegenwärtig. Die Verkündigung seines Wortes und
die Sakramente haben immer und überall ihre Segenskraft, genauer gesagt die Segenskraft
Christi, erwiesen. Was zum Seelenheil und zur geistlichen Reife des einzelnen notwendig
ist, findet sich bis auf den heutigen Tag in den Kirchen aller Konfessionen, auch ohne das
apostolische Amt. Die Gewißheit dieser Tatsache darf jedoch nicht von folgenden Fragen
ablenken: Kann die Kirche ohne die Wirksamkeit lebender Apostel vollendet werden? War
dieses Amt wirklich nur gegeben, um während eines bestimmten Abschnittes in der frühen
Zeit der Kirche tätig zu sein? In Epheser Kapitel 4 formuliert Paulus explizit, daß
neben Propheten, Evangelisten und Hirten und Lehrern auch Apostel von Christus eingesetzt
wurden, "damit die Heiligen zugerüstet werden zum Werk des Dienstes, zur Erbauung
des Leibes Christi,bis wir alle zur Einheit des Glaubens und der Erkenntnis des Sohnes
Gottes gelangen und zu einem vollkommenen Mann werden, zum Maß des Alters der Fülle
Christi kommen."
Dem unscheinbaren Wort "bis" in Vers 13 kommt in dieser Satzkonstruktion
besondere Bedeutung zu, denn es markiert die Zeitdauer, während der die vier genannten
Ämter in Kraft sein sollen und macht die Schlußfolgerung unumgänglich: Nicht
irgendwelche menschlichen Mittel oder Methoden können den Bau der Kirche in gottgewollter
Weise vorantreiben, sondern zur Vollendung der Kirche ist die Wirksamkeit lebender Apostel
und zwar bis zur Herbeiführung eines "anvisierten"
Vollkommenheitszustandes absolut notwendig. Daraus ergibt sich zwangsläufig die
Frage: War etwa die Kirche, als ihr die Apostel genommen wurden, in einem solchen Zustand
der Vollkommenheit, so daß die Amtswirksamkeit der Apostel nicht mehr nötig gewesen
wäre? Die Antwort kann wie aus obiger Darlegung hervorgeht nur ein
eindeutiges "nein" sein; denn statt Einheit und "Vollkommenheit" des
Glaubens fanden sich im Gegenteil Verwirrung, Spaltung, Irrlehre und nicht zuletzt
unverhohlene Mißachtung der apostolischen Autorität. So kann es denn auch nicht
verwundern, daß der Verfasser des Hebräerbriefes die geistliche Reife der angesprochenen
Gemeinde nicht rühmen kann. Vielmehr beklagt er den "Kindeszustand" seiner
Adressaten: Obwohl sie die christliche Wahrheit schon lange kennen und deshalb in der Lage
sein müßten, andere zu belehren, können sie doch nur "Milch" anstatt
"fester Speise" aufnehmen.
Weitere Klagen und Mahnungen ließen sich hinzufügen, bis hin zu der Warnung, daß die
Kirche selbst gefährliche Irrlehrer hervorbringen werde; ja zuletzt werde gar ein großer
Abfall in ihr eintreten, und "der Mensch der Gesetzlosigkeit, der Sohn des
Verderbens", der sich in den Tempel Gottes setzt und sich selbst als Gott ausgibt,
werde erscheinen.
Wahrhaft erschreckende Aussichten, die im Hinblick auf die Frage nach Fortdauer und
Notwendigkeit des apostolischen Amtes den Schluß nahelegen: Es war schwerlich der
ursprüngliche und eigentliche Wille Christi, seiner Kirche die Apostel zu entziehen,
sondern es war ein schmerzlicher Eingriff, seine wohlüberlegte Reaktion auf den
frühchristlichen Widerstand gegen die Autorität der unmittelbar von ihm gesandten Boten.
Somit war die mühevolle "Wüstenwanderung" der Kirche schon vom ersten
Jahrhundert n. Chr. an vorgezeichnet, und von vornherein war abzusehen: Kein Ersatzmittel
würde den Verlust des apostolischen Amtes in hinreichender Weise ersetzen können. Zwar
ist die Kirche durch die Jahrhunderte hindurch auf wunderbare Weise erhalten geblieben;
jedoch der in ihm vorausgesagte Abfall ist schon erschreckend weit fortgeschritten, so
daß zu befürchten ist: "Noch viele werden in der Wüste sterben". Tröstlich
ist es deshalb, zu wissen, daß Gott gegen Ende der Wüstenwanderung des
alttestamentlichen Bundesvolkes einen Mann berief, der in der Lage war, den noch
unerfüllten Auftrag des Mose auszuführen und das Volk in das verheißene Land zu
bringen. Deshalb hat die Hoffnung, daß auch das Volk des Neuen Bundes seinen
"Josua" bekommt, einen festen Grund: Gesandte Jesu Christi, mit der Geisteskraft
und der Vollmacht der ersten Apostel versehen, so wie Josua mit der Herrlichkeit des Mose
ausgestattet war.
Phliadelphia heißt wörtlich übersetzt: "Bruderliebe". Die
herzliche, geschwisterliche Liebe der Christen untereinander ist ein wesentliches, wenn
nicht das wesentliche Kennzeichen ihrer Zugehörigkeit zu ihrem Herrn. In der frühen Zeit
der Kirche wurde sie noch praktiziert, doch im Laufe der Jahrhunderte verkehrte sie sich
ins Gegenteil: Liebloses Richten, Streit und Unversöhnlichkeit, ja blutige
Auseinandersetzungen prägten die Beziehungen der verschiedenen Kirchen untereinander. Das
6. Sendschreiben birgt deshalb die Verheißung in sich, daß die verschiedenen
Denominationen, und zwar noch vor der Wiederkunft Christi, aus ihrer Zertrennung
zurückgerufen und ihre Mitglieder zur wahren geschwisterlichen Liebe fähig gemacht
werden. Ein besonderes Werk der göttlichen Gnade wird hier in Aussicht gestellt. Dieses
würde nach den Tagen der Reformation, aber noch vor der Zeit Laodizeas geschehen.
Im 18. Jahrhundert hatte der geistliche Zustand der christlichen Völker einen Tiefpunkt
erreicht: Die Lehre war verwässert, das sittliche Leben dem Geist der Zeit angepaßt, die
gottesdienstlichen Ordnungen waren verunstaltet, die Kirchenmitglieder dem wahren Wesen
des Glaubens entfremdet und die Gebildeten unter ihnen eifrig im Spotten und Lästern. Das
Salz der Kirchen war kraftlos geworden, und die Bereitschaft wuchs, es wegzuwerfen und von
den Leuten zertreten zu lassen. Mit Überdruß wandten sich viele von ihrer Kirche ab, und
in die Stimmen der Kritik mischten sich zunehmend auch Geister aus dem Abgrund, die die
Getauften zum Haß gegen die "alt und schwach gewordene Mutter Kirche"
aufstachelten. Lange hatten die Christen einander angeklagt, doch jetzt war die Zeit reif
geworden, daß ihre Gegner zur Abrechnung aufriefen. Gleichzeitig suchte man nach einem
neuen, von Gott, Christus und Kirche unabhängigen Paradigma, hoffte man doch, das wahre
Heil auf die dem Menschen von Natur aus innewohnenden Kräfte gründen zu können.
Die große französische Revolution, die die althergebrachten Ordnungen in Kirche und
Staat bis auf ein paar Trümmer mit unwiderstehlicher Macht hinwegfegte, errichtete ein
"Gebäude", in dem die "Räume" in erster Linie der sinnlichen
Befriedigung menschlicher Bedürfnisse dienten. Die überkommenen Formen des Christentums
wurden in schärfster Weise bekämpft, während man den aus der Revolution geborenen neuen
Führer, in dem sich schon unverkennbar das schreckliche Tier aus dem Abgrund ankündigte,
abgöttisch verehrte. Der Sturz Napoleons war nicht der Schlußpunkt der antichristlichen
Umtriebe, sondern lediglich das Ende des ersten Hauptstosses eines Erdbebens, dessen
Rumoren sich fortsetzen und unter dem Boden der umliegenden Reiche nicht mehr verstummen
sollte.
Die Revolution brachte aber nicht nur die entarteten und altehrwürdigen Ordnungen in
Kirche und Staat zum Einsturz, sie rüttelte auch manche Gläubige aus dem Schlaf ihrer
Sicherheit wach: Etliche schlossen sich zusammen, um die antichristlichen Tendenzen zu
bekämpfen. Die "Heilige Allianz" der griechischen, römischen und
protestantischen Monarchen stand symbolisch für die religiöse Stimmung der damaligen
Zeit. Was bis dahin trennend gewirkt hatte, war angesichts dessen, was man nun gemeinsam
erstrebte, belanglos geworden. Die damalige Zeit der Verwirrung wurde sogar, was wohl kaum
jemand erwartete, eine besondere "Stunde Gottes", der seinem Volk eine Hilfe
anbot, die der Not im vollkommenen Maße entsprach, nämlich die Rückführung der Kirche
aus ihrer jahrhundertelangen "babylonischen Gefangenschaft". Aus ihrer
konfessionellen Verwirrung sollte sie befreit und dabei auf ihren ursprünglichen
Grundlagen wiederaufgebaut werden.
Christus stellt sich als derjenige vor, der mit dem Schlüssel Davids souverän auf- und
zuschließen kann. Dieser Schlüssel, der zunächst auf den Sohn Gottes als höchsten vom
himmlischen König bevollmächtigten Verwalter aller Gnadengüter hinweist, symbolisiert
in diesem Sendschreiben die geistliche Vollmacht, die den damaligen kirchlichen
Amtsträgern von ihrem himmlischen Haupt übertragen worden sind. Diejenigen unter ihnen,
die ihr Amt zur Bereicherung und Verherrlichung ihrer selbst mißbrauchen, werden
mit Bezug auf eine alttestamentliche Begebenheit das Schicksal des untreuen
Verwalters Schebna teilen. Ein anderer, nämlich Eljakim wird an seiner Stelle das
"Vateramt" in Jerusalem empfangen, das vornehmlich ein Typus der Aufgaben ist,
die gemäß der ursprünglichen Kirchenordnung den Aposteln vorbehalten waren. Der Hinweis
auf die Schlüssel Davids birgt in diesem Kontext also die Verheißung in sich, daß der
Kirche in späteren Zeiten solche "Väter" gegeben werden, denen, wie es bei
Paulus und den übrigen Aposteln der Fall war, die geistliche Schlüsselgewalt im vollen
Umfang, nämlich zur Wiederherstellung und Vollendung des Baues der einen, heiligen,
katholischen und apostolischen Kirche, übertragen wird. Die Rede ist hier von der
Wiedererweckung der urchristlichen kirchlichen Ämter in der ersten Hälfte des 19.
Jahrhunderts.
Die Lügner aus der Gefolgschaft Satans, die fälschlich von sich behaupten, Juden zu
sein, verweisen auf solche Mitglieder des neutestamentlichen Bundesvolkes, die den
Anspruch des neu eingesetzten "Eljakim" zunächst entschieden abweisen und sich
erst später, nämlich in den Wirren der Endzeit, vor ihm niederwerfen und seine
Erwählung erkennen werden.
Antitypisch zum alttestamentlichen Geschehen wird sich in der Kirche die Geschichte Josephs und seiner Brüder wiederholen: Diese, d.h. die Vertreter der bestehenden Konfessionen, werden den Traum ihres "kleinen Bruders", eine geistliche "Erstlingsgarbe" zu sein, vor der sie sich samt den Eltern zu verneigen hätten, als schwärmerischen Hochmut, ja sektiererische Verirrung zurückweisen. Erst die große geistliche Hungersnot zur Zeit der Herrschaft des Antichristen wird sie dazu bringen, bei dem verratenen und verkauften und lange verkannten Bruder Hilfe zu suchen.
Wie viele andere besorgte Zeitgenossen zu Beginn des 19. Jahrhunderts
waren auch die späteren Gründer und Oberhäupter der katholisch-apostolischen Gemeinden
von den Ereignissen der französischen Revolution und ihren Auswirkungen tief betroffen.
Sie sahen seitdem die damalige Welt in einer gesellschaftspolitischen Krise unabsehbaren
Ausmaßes begriffen, die sollte keine Wende eintreten dazu führen würde,
"die Auflösung aller bisherigen sittlichen, religiösen und politischen Grundsätze
. zu vollenden, um auf den Trümmern des christlichen Glaubens unter dem Namen der
Freiheit das neue Zeitalter einer atheistischen Anarchie aufzubauen." Mit dieser
Prognose beginnt das "Testimonium", die Zeugnisschrift der Apostel, die als
grundlegendes Dokument der katholisch-apostolischen Bewegung angesehen werden kann. In
dieser Schrift werden die "geistlichen und weltlichen Häupter der Christenheit"
beschworen, die an sie gerichteten Warnungen nicht zu überhören. Die Kirchen bedürften
einer Reform, die in umfassender und Gott wohlgefälliger Weise allein auf der Basis der
Wiederherstellung der urkirchlichen Ämter durchgeführt werden könne. Allein das
Apostelamt, das Gott in jenen Tagen wiedererweckt habe, sei das Zentrum wahrer Autorität
und Lehre sowie der Einheit der gesamten Kirche.
Das Testimonium wurde zuerst dem Papst, dann dem österreichischem Kaiser, darauf dem
König von Frankreich und schließlich den Fürsten und geistlichen Oberhäuptern aller
christlichen Länder überreicht. Im Anschluß daran sollte die eigentliche Aufgabe
beginnen, nämlich die verschiedenen Teile der Kirche durch die Wiederherstellung der
Einheit und die Rückführung zu den ursprünglichen Grundlagen im Glauben zu stärken und
auf das Wiederkommen Christi vorzubereiten. Dieses Vorhaben scheiterte jedoch, da die
führenden Geistlichen dieser Bewegung von den Repräsentanten der damaligen Kirchen nicht
als wahre Apostel Christi anerkannt, sondern vielmehr als gefährliche Sektierer
eingestuft wurden. So entstand eine weitere christliche Gemeinschaft, und da in vielen
Fällen die Exkommunikation derer erfolgte, die ihre Sympathie für das Anliegen der
Bewegung bekundeten, sah man sich zur Gründung eigener Gemeinden genötigt.
Knapp sechsundsechzig Jahre lang wirkten die Apostel, indem sie weltweit Gemeinden
gründeten, die in ihrer Ausgestaltung als Muster für die ganze Kirche hätten dienen
sollen. Doch wie einst Johannes, der letzte und größte Prophet des Alten Bundes, der dem
ersten Kommen Christi den Weg bereitet hatte, von den führenden Vertretern der jüdischen
Parteien abgelehnt wurde, so sahen sich auch die Leiter der katholisch-apostolischen
Gemeinden von den damaligen Repräsentanten der Kirchen verkannt, was auch letztlich
trotz anfänglicher großer Enttäuschung in den Reihen der Bewegung keine
Verwunderung mehr hervorrief; war doch kein vorhergehender Abschnitt der bisherigen
Heilsgeschichte mit einer umfassenden Bekehrung aller, die ihm angehörten, abgeschlossen
worden, sondern stets mit der Sammlung eines "treuen Überrestes". Alle, die
sich dem Ruf zur Umkehr hartnäckig widersetzt hatten, traf am Ende Gottes gerechtes
Gericht, während die davon verschont gebliebenen dazu auserwählt gewesen waren, in der
darauffolgenden Periode der Heilsgeschichte bei der weiteren, schrittweisen Verwirklichung
des göttlichen Heilsplanes mitzuwirken.
Als der letzte Apostel F. Woodhouse im Jahre 1901 starb, ohne daß sich die anfängliche
Hoffnung der Gemeinden auf Christi Wiederkunft erfüllt hätte, konnten keine weiteren
Amtsträger ordiniert werden, da hierzu ausschließlich die Apostel berechtigt waren. So
nahm die Anzahl der ordinierten Bischöfe, Priester und Diakonen nach und nach ab. Heute
leben die Mitglieder der katholisch apostolischen Gemeinden in völliger
Zurückgezogenheit und feiern aufgrund der fehlenden Ämter nur noch Gebetsgottesdienste.
Dennoch verstehen sich die Mitglieder der Gemeinden, die in der Regel an den
Gottesdiensten der vorhandenen Ortsgemeinden teilnehmen, als eine auf ihren Herrn wartende
Gemeinschaft. Starken Auftrieb erhielt ihre Hoffnung durch Weissagungen, die schon in der
zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts immer wieder darauf hinwiesen, daß es nach dem
Niedergang des bestehenden Errettungswerkes eine Fortsetzung zur Zeit der letzten großen
Verfolgung unter der Herrschaft des Antichristen geben werde.
1 Und mir wurde ein Rohr gegeben, das einem Meßstab glich, wobei jemand sagte: Steh auf und miß den Tempel und den Altar und die in ihm anbeten. 2 Aber den äußeren Vorhof laß aus und miß ihn nicht; denn er ist den Heiden preisgegeben, und sie werden die heilige Stadt zweiundvierzig Monate lang zertreten. 3 Ich aber werde meinen zwei Zeugen den Auftrag geben, daß sie tausendzweihundertsechzig Tage lang, mit Säcken bekleidet, weissagen sollen. 4 Diese sind die zwei Ölbäume und die zwei Leuchter, die vor dem Herrn der Erde stehen. 5 Wenn jemand ihnen Schaden zufügen will, wird Feuer aus ihrem Munde kommen und ihre Feinde verzehren ja, wenn jemand ihnen Schaden zufügen will, soll er auf diese Weise getötet werden. 6 Die zwei Zeugen haben die Macht, den Himmel zu verschließen, so daß während der Tage ihrer Weissagung kein Regen fällt, und sie haben auch die Macht, die Wasser in Blut zu verwandeln und alle möglichen Plagen über die Erde kommen zu lassen, sooft sie wollen.
11, 1: Johannes wird nun angewiesen, mittels eines Rohres den Tempel,
den Altar und die im Tempel Anbetenden zu messen. Dieser symbolisch zu verstehende Auftrag
ist identisch mit dem Weissagen der zwei Zeugen. Als Meßstab bzw. als Grundlage ihrer
zeugnishaften Verkündigung dient dabei die verschlungene Buchrolle, d.h. das Wort Gottes,
das in seiner Ganzheit verstanden und ins geistliche Leben aufgenommen wurde. Es geht bei
der Messung somit um die umfassende Anwendung der biblischen Schriften auf das kirchliche
Leben. Denn mit dem auszumessenden Tempel ist nicht etwa das Heiligtum des alten, sondern
der aus "lebendigen Steinen" bestehende Tempel des neuen Bundes gemeint.
Johannes steht hier wie schon angedeutet sinnbildlich für gottgesandte
Boten, die mit apostolischer Vollmacht ausgerüstet sind, nämlich für die zwei Zeugen,
die von ihrem himmlischen Herrn den Auftrag bekommen, die Ordnungen und Lebensformen der
verschiedenen Kirchen und Glaubensgemeinschaften im Lichte der Heiligen Schrift zu
beurteilen. Dabei wird besondere Aufmerksamkeit auf den Altar, d.h. auf die Gestalt des
Gottesdienstes gerichtet. Natürlich werden auch die im Tempel Anbetenden nicht
übergangen: Der geistliche Lebensstil der Getauften wird in Augenschein genommen und am
der untrüglichen Richtschnur des Wortes Gottes gemessen.
Der beschriebene Meßvorgang beschränkt sich, wie später deutlicher zu sehen sein wird, nicht allein auf eine "Bestandsaufnahme". Vielmehr dient er zur Erstellung eines Planes, nach dem der Tempel des Neuen Bundes in seiner ursprünglichen Gestalt wiederaufgebaut werden soll. Den Boten Gottes ist also auch die Aufgabe anvertraut, Lehre, Leben, Kultus und Verfassung der Kirche durchgreifend zu reformieren. Alles soll dem einst von Gott gegebenen Maßstab entsprechen, damit am Ende des Zeitalters der Kirche in kurzer Zeit eine große Schar Getaufter zu einem Tempel errichtet, darin geistlich heranreifen und auf die nahe Wiederkunft ihres Herrn vorbereitet werden kann.
11, 2: Ausdrücklich wird betont, daß der Vorhof des Tempels nicht
gemessen werden soll. Zum Verständnis dieser Aussage sind einige erklärende Bemerkungen
notwendig. Der Alte Bund gestattete allein den Priestern den Eintritt ins Heilige, d.h. in
den vorderen Teil der Stiftshütte bzw. des Tempels. Während sie dort täglich ihren
Dienst verrichteten, brachte das Volk seine Opfer im Vorhof dar, und zwar auf dem
kupfernen Brandopferaltar. Das Allerheiligste dagegen durfte nur einmal im Jahr am großen
Versöhnungstag der Hohepriester betreten, und zwar nicht ohne das vorgeschriebene
Opferblut, das sowohl für seine eigenen Sünden als auch die des ganzen Volkes Sühne
schaffte und so den Weg in die unmittelbare Nähe Gottes eröffnete.
Der alttestamentliche Hohepriester ist der Typus des einzigen und wahren Hohenpriesters
nach der Ordnung Melchisedeks, der durch sein eigenes Blut in das himmlische Heiligtum
einging und dadurch eine ewige Erlösung erwarb. Es war das große Versöhnungsopfer
Christi, sein stellvertretendes Sühneleiden, das dem gesamten Volk des Neuen Bundes,
vermittelt durch die Taufe, eine priesterliche Weihe verschaffte, die, den Vorhof
zurücklassend, den Zugang ins Heilige ermöglichte. Der kirchliche Gottesdienst findet
deshalb im Bild gesprochen nicht mehr im "Vorhof" statt, vielmehr
sind alle Getauften berufen, in das "Heilige" einzugehen und Gott "im Geist
und in der Wahrheit" anzubeten. Allerdings ist die Kirche im Verlauf ihrer Geschichte
wie auch seinerzeit das Volk des Alten Bundes auf seine Weise den an sie
gestellten Erwartungen nicht gerecht geworden. Zu allen Zeiten waren es nur wenige
Gläubige, die wahrhaftig "ins Heilige eintraten".
Das Heilige, d.h. der vordere Teil des Tempels bzw. der Stiftshütte, war nur durch einen Vorhang vom Allerheiligsten getrennt. Die Einrichtungsgegenstände des Heiligen sind die exakten Typen bzw. Symbole des priesterlichen Dienstes der Kirche:
1. Der siebenarmige Leuchter mit seinen brennenden Öllampen weist auf die Aufgabe der gesamten Kirche hin, kraft des Heiligen Geistes der ganzen Welt wahres Licht und Leben zu spenden.
2. Der Schautisch mit den Broten, die wöchentlich vom Hohenpriester und dessen Söhnen verzehrt wurden, ist ein Vorbild der christlichen Abendmahlsfeier.
3. Der goldene Räucheraltar unmittelbar vor dem Vorhang zum Allerheiligsten symbolisiert die Gebete und Fürbitten der Kirche, die als "süßer Wohlgeruch zu Gott emporsteigen".
Wie ferner die Priester des Alten Bundes sich vor dem Betreten des Heiligen in dem Waschbecken vor dem Eingang ins Heilige reinigen mußten, so werden auch alle, die sich auf den Namen des dreieinigen Gottes taufen lassen, durch Wasser und den Heiligen Geist "gereinigt" und dadurch zu Mitgliedern des königlichen und priesterlichen Gottesvolkes gemacht.
Wenn der Vorhof nicht gemessen wird, dann will dies besagen: Die lauen
und nahezu geistlich toten "Vorhof-Christen" werden während der Zeit der
sechsten Posaune (noch) nicht berücksichtigt. Sie werden sich allen geistlichen
Einwirkungen entziehen; denn nur solche werden den zwei Zeugen folgen, die bereits
"ins Heilige eingegangen", d.h. durch die Praxis des Glaubens schon ein
"Tempel Gottes" geworden sind. Auch wenn diese "Heiligtum-Christen"
nicht zu den Entrückten gehören, so werden sie doch allesamt solche sein, die am
Räucheraltar, am Schaubrottisch und am goldenen Leuchter nicht achtlos vorübergegangen
sind: Gottesdienst, Gebet, Abendmahl und das Praktizieren der Nächstenliebe in Wort und
Tat sind schon ein mehr oder weniger fester Bestandteil ihres Lebens geworden oder doch
zumindest nichts Unbekanntes. Sie lassen sich von den apostolischen Boten Gottes willig
messen, d.h. ansprechen, belehren und in die wahre Gemeinde der Endzeit aufnehmen.
Demgegenüber wird der Vorhof den Heiden preisgegeben. Mit anderen Worten heißt dies: Die
"Vorhof-Christen", die dem Tempel Gottes mutwillig den Rücken gekehrt und sich
damit von ihrem himmlischen Herrn losgesagt oder doch zumindest sehr weit entfernt haben,
widersetzen sich beharrlich dem Ruf zur Umkehr, so daß sie den Heiden, d.h. dem
Antichristen und seinen Anhängern, ausgeliefert sind. Die massiven antichristlichen
Einflüsse werden schließlich zur Zertretung, zur gänzlichen Zerstörung des geistlichen
Lebens oder aber soweit dies noch möglich ist zur Umkehr und wahren
Gotteserkenntnis führen.
Die Zeit der Zertretung des Tempelvorhofs, der trotz seiner Randlage doch noch zum
Tempelbezirk und damit zur heiligen Stadt zählt, wird 42 Monate dauern. Dieser
Zeitabschnitt entspricht den im folgenden Vers genannten tausendzweihundertsechzig Tagen,
in denen die zwei Zeugen dem Antichristen und seiner Anhängerschaft zunächst erfolgreich
widerstehen werden.
11, 3: Die zwei Zeugen haben den Auftrag, tausendzweihundertsechzig
Tage lang, mit Säcken bekleidet, zu weissagen. Weissagen meint hier nicht das Ausüben
der prophetischen Rede im engen Sinne, sondern die vollmächtige Verkündigung des
Evangeliums vom nahe bevorstehenden Reich Gottes. Damit verbunden ist der eindringliche
Ruf zur Umkehr, der nur noch eine kurze, von Gott vorherbestimmte Zeit an alle Getauften
ergehen wird.
Die Säcke, mit denen die zwei Zeugen bekleidet sind, sind Ausdruck der Trauer über den
beklagenswerten Zustand des Volkes Gottes auf Erden. Gleichzeitig unterstreicht diese
Kleidung auch den Bußcharakter der Verkündigung, die in aller Dringlichkeit zur Umkehr
von den bisherigen Wegen aufruft.
11, 4: Die zwei Zeugen werden Ölbäume genannt, weil sie mit dem Öl des Geistes Gottes im höchsten Maß, das für sterbliche Menschen denkmöglich ist, erfüllt sein werden. Wie hellstrahlende Leuchter werden sie das klare und wegweisende Licht Gottes in die geistliche Nacht ihrer Zeit hineinwerfen. Sie stehen vor dem Herrn der Erde, sind Sendboten des höchsten Herrschers, dem allein sie Rechenschaft über die Ausrichtung ihres Auftrages zu geben haben. Gleichzeitig enthält diese Aussage die Andeutung, daß die zwei Zeugen dem göttlichen Anspruch des Antichristen, der tatsächlich so etwas wie die Ausgeburt des "Gottes dieser Welt" und in diesem Sinne ebenfalls der Herr der Erde sein wird, eine Zeitlang erfolgreich Widerstand leisten werden.
11, 5: Das aus dem Munde der zwei Zeugen kommende Feuer, das ihre Feinde verzehren wird, bezeichnet zunächst die kraftvollen Worte, die im "Feuer-Eifer" für den wahren "Herrn der Erde" ausgesprochen werden. Der Überzeugungskraft und dem Wahrheitsgehalt dieser Worte gegenüber sind die Anhänger des Antichristen zunächst völlig machtlos. Ihre Vorwürfe und Anfeindungen erweisen sich bei näherem Hinsehen als haltlos und falsch. Darüber hinaus wird das verzehrende Feuer auch im mehr buchstäblichen Sinne den Worten gleichen, die Petrus an Ananias und Saphira richtete: Nachdem sie den Heiligen Geist belogen hatten, trafen sie die Worte des Petrus so unmittelbar und kraftvoll, daß sie beide augenblicklich und im buchstäblichen Sinne tot zu Boden sanken.
11, 6: Die zwei Zeugen haben die Macht, den Himmel zu verschließen, so daß kein Regen fällt, und sie haben auch die Macht, die Wasser in Blut zu verwandeln und alle möglichen Plagen über die Erde kommen zu lassen. Wie Elia mit seinem Gebet den Himmel verschloß, so daß in dieser Zeit weder Tau noch Regen fiel, so werden auch die zwei Zeugen denen, die sich dem Antichristen unterwerfen, alle belebenden Kräfte und Wirkungen des Heiligen Geistes entziehen. Und wie Mose den Ungehorsam des Pharao bestrafte, so tun es auch die zwei Zeugen mit dem Unglauben ihrer Widersacher: Sie verwandeln den Strom ihrer Taufgnade in Blut, d.h. in brudermörderischen Haß, der letztendlich zum völligen geistlichen Tod führen wird.
Nach einer alten und heute noch vertretenen Ansicht sind mit den zwei
Zeugen Henoch und Elia gemeint, die nach alttestamentlicher Aussage nicht gestorben und
deshalb möglicherweise von Gott für ein besonderes Zeugniswerk auf Erden, nach dem sie
den Märtyrertod erleiden sollen, vorgesehen sind. Tatsächlich sind Henoch und Elia
Vorbilder besonderer Taten Gottes, die während des Zeitalters der Kirche ihre Erfüllung
finden sollen und teilweise schon gefunden haben. Dennoch ist die Deutung der zwei Zeugen
auf die persönliche Rückkehr alttestamentlicher Heiliger reine Spekulation, die jeder
weiteren biblischen Grundlage entbehrt.
Die Bezeichnung der zwei Zeugen als die "zwei Ölbäume" verweist zunächst auf
den alttestamentlichen Propheten Sacharja. Nach der Rückkehr der Juden aus dem
babylonischen Exil hat er folgende Vision: Er sieht einen goldenen Leuchter und über
diesem ein Ölgefäß, das durch sieben Röhren mit den sieben Lampen des Leuchters
verbunden ist. Zu beiden Seiten des Leuchters steht je ein Ölbaum; diese produzieren das
Öl, das dann über das Gefäß in die Lampen des Leuchters fließt. Auf Sacharjas Bitte
nach einer Erklärung gibt ein Engel die Antwort: "Dies ist das Wort des Herrn an
Serubabel: Nicht durch Macht und nicht durch Kraft, sondern durch meinen Geist soll es
geschehen, spricht der Herr der Heerscharen." Daraufhin fragt Sacharja noch einmal
gezielt nach den Ölbäumen, woraufhin der Engel sagt, daß es sich um die beiden
Gesalbten handelt, die bei dem Herrn der ganzen Erde stehen.
Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß der goldene Leuchter sinnbildlich für das Volk
Israel steht, das berufen ist, Licht und Leben aus Gott unter allen Völkern der Erde zu
verbreiten. Doch an diesem Beruf ist Israel gescheitert. Statt Licht zu verbreiten, trat
es die Gebote mit Füßen, betete fremde Götter an und mußte schließlich nach
vielfachen Warnungen durch die Propheten siebzig Jahre in der babylonischen
Gefangenschaft verbringen. Der aus königlichem Geschlecht stammende Serubabel, den Kyros
538 v. Chr. zum Statthalter über die Provinz Judäa einsetzte, war es dann, der zusammen
mit dem Hohenpriester Josua die zurückkehrenden Juden nach Jerusalem führte. Nach der
Wiederaufnahme des Gottesdienstes begann im Jahr 537 der Wiederaufbau des Tempels, der
bald darauf durch feindliche Aktionen ins Stocken geriet. Erst der Zuspruch der Propheten
Haggai und Sacharja konnte zum Weiterbau motivieren.
Wenn Sacharja auf die Frage nach dem goldenen Leuchter die Antwort bekommt: "Nicht
durch Macht und nicht durch Kraft, sondern durch meinen Geist", dann ist damit
gesagt: Die Wiederherrichtung des goldenen Leuchters bzw. die Wiedereinsetzung Israels in
seinen königlichen und priesterlichen Beruf, die mit dem Neuaufbau des Tempels unlösbar
verbunden ist, wird keinesfalls durch die natürliche Kraft einzelner oder vieler Menschen
bewerkstelligt werden, sondern Gott selbst hat sich dazu zwei Menschen, nämlich die zwei
Ölbäume, ausersehen, durch deren Dienst das gesamte Volk mit dem Geist des Lichtes und
der Kraft erfüllt werden soll. Hiermit sind zweifellos Josua und Serubabel gemeint, die
als die zwei Gesalbten zwei mit Gottes Geist in besonders reichem Maße erfüllte
Boten vor dem "Herrscher der ganzen Erde", nämlich dem Perserkönig
Kyros, stehen, der auf Gottes Geheiß den Auftrag zur Rückkehr nach Jerusalem und zum
Wiederaufbau des Tempels erteilt.
Die Vision Sacharjas bezieht sich somit zunächst auf das Volk Israel, hat aber darüber
hinaus auch eine Bedeutung für das geistliche Israel, nämlich die Kirche. Das Werk der
zwei Zeugen der Endzeit, die Wiederaufrichtung der Kirche auf ihren ursprünglichen
Grundlagen, ist mit der Tätigkeit der alttestamentlichen "zwei Ölbäume" nicht
nur vergleichbar, es geschieht vielmehr in genauer Entsprechung zu diesem Typus. Auch in
den Tagen des Antichristen stehen die zwei Zeugen vor diesem "Herrn der Erde",
und sie werden, auch gegen dessen Willen, die Rückführung des Volkes Gottes aus der
jahrhundertelangen "babylonischen Gefangenschaft", d.h. aus der Zerrissenheit
der einen Kirche in unzählige Konfessionen und Sondergemeinschaften, die in unheilvoller
Weise Geist und "Fleisch" miteinander vermischt und auf diese Weise zahlreiche
Verirrungen in Lehre, Leben und auch im Gottesdienst der Kirche verursacht haben, in die
Wege leiten. Mehr noch: Sie werden den Bau des neutestamentlichen Tempels zu seiner
Vollendung führen, damit das Volk des neuen Bundes das sein kann, wozu Gott es berufen
hat: Ein königliches und priesterliches Volk, das als die eine heilige katholische und
apostolische Kirche, als Gottes Haus, in dem er wohnt, als der goldene Leuchter, der allen
Licht und Leben spendet, im künftigen Reich Gottes die gesamte auf Erden lebende
Menschheit auf seinen Wegen führt und ihr seinen Segen mitteilt.
Zum Verständnis der Eigenart der zwei Zeugen trägt weiter der alttestamentliche
Grundsatz bei, daß zu einem gültigen und beweiskräftigen Zeugnis vor Gericht zwei
Zeugen notwendig waren. Jesus hat dies nicht allein anerkannt, sondern auch auf zwei
Zeugen für die Wahrheit seines Anspruches und die Vollmacht seiner Sendung verwiesen,
nämlich auf sich selbst und auf seinen Vater.
Nach der Himmelfahrt Jesu sollten ebenfalls zwei Zeugen für die Fortführung seiner Sache
auf Erden und deren Beglaubigung wirksam sein: zum einen der am Pfingsttag herabgekommene
Heilige Geist, der sich in besonderer Weise durch die Worte der urchristlichen Propheten
äußerte, zum anderen die bekennenden Nachfolger Jesu, und zwar vornehmlich die, die er
zu seinen Aposteln, d.h. zu seinen unmittelbaren Gesandten gemacht hatte. Männer mit
apostolischer Autorität, Weisheit und Erkenntnis sowie die wirkkräftige Gegenwart des
Heiligen Geistes in Propheten und anderen charismatisch begabten Gemeindemitgliedern
dies doppelte Zeugnis war es, das dem Glauben der frühen Kirche Kraft, Frische und
Lebendigkeit verlieh. Nach dem Verlust des Apostelamtes und dem weitgehenden
Dahinschwinden der charismatischen Gaben in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten
hatte die sich bald weltweit ausbreitende Kirche zu allen Zeiten lange und schwere
Durststrecken durchzustehen; doch jetzt, in den letzten Tagen, nämlich während der Zeit
der sechsten Posaune, soll durch das Auftreten der zwei Zeugen auf allen Gebieten des
kirchlichen Lebens eine intensive geistliche Neubelebung erfolgen. Das doppelte Zeugnis
wird in kraftvoller Weise wieder hervortreten: Zunächst wird der Heilige Geist sein
Schweigen brechen, und nicht nur von einzelnen Gläubigen, sondern von der Gesamtheit der
Gemeinde wird die Stimme der Weissagung ausgehen und auch Gehör finden. Überall in der
Christenheit werden die Gaben und Kräfte des Heiligen Geistes, wirkmächtig wie in der
frühen Zeit der Kirche, hervortreten. Gleichzeitig werden mit geistlicher Weisheit und
Erkenntnis erfüllte und vom Herrn der Kirche selbst berufene Boten auftreten, die das
kirchliche Leben ordnen, so daß der Tempel Gottes auf seinen ursprünglich ihm
verliehenen Grundlagen erbaut und noch vor der Ankunft Christi vollendet werden kann.
Ganz abgesehen von dieser Deutung ist die Zweizahl der Zeugen sicher auch im
buchstäblichen Sinn zu verstehen. Im Lukasevangelium wird von siebzig Jüngern Jesu
berichtet, die er, mit seiner Vollmacht ausgerüstet, wie Lämmer mitten unter die Wölfe
sendet. Ausdrücklich wird vermerkt, daß diese siebzig Jünger jeweils zu Zweien
auszogen, um den Menschen solcher Orte, die Jesus später persönlich aufsuchen wollte,
die Botschaft vom nahe bevorstehenden Reich Gottes zu verkündigen. Nach
katholisch-apostolischer Auffassung hat dieser Bericht endgeschichtliche Bedeutung. Der
erwähnte Sturz Satans wird eines der ersten Ereignisse in der Zeit des sechsten
Posaunengerichtes sein, und auch die "Ernte", die die siebzig Jünger einbringen
bzw. durch ihre Verkündigung vorbereiten sollen, verweist auf die erste Hälfte der
großen Drangsal und die "große Ernte", die von den zwei Zeugen "gesammelt
und in die Scheune des Himmels eingebracht" wird. An der Spitze der unzählbaren
Zeugenschar werden siebzig mit apostolischer Vollmacht ausgestattete Männer stehen, die
während der Zeit des Antichristen zu Zweien ausgehen, um der Christenheit den Weg zu
zeigen, der aus Babel, der großen Stadt der Verwirrung, herausführt.
Das Werk der zwei Zeugen kann wie folgt thesenartig zusammengefaßt werden:
1. Sie sind Boten prophetischen Charakters, d.h. sie verkünden und bezeugen autoritativ den Willen Gottes im vollen und unverfälschten Sinn.
2. Ihre Zweizahl betont das hohe Maß der Wichtigkeit, Zuverlässigkeit und Vollmacht ihres von Gott erteilten Auftrags.
3. Der Wirkungsbereich der zwei Zeugen ist die Kirche, und zwar in den Tagen der sechsten Posaune, d.h. in dem Zeitabschnitt, der unmittelbar auf die Entrückung der Erstlinge folgt und den Gerichten der sieben Zornschalen vorausgeht.
4. Ihre Aufgabe ist die Sammlung und Wiederherstellung der Gemeinde Christi, und zwar nach einem exakt vorgegebenen Maßstab, der sich nach den ursprünglich von Gott gestifteten Grundlagen der Kirche richtet.
5. Als Gottes "Ölbäume" sind sie mit einem überaus hohen Maß geistlicher Kraft ausgestattet, vermöge derer sie zur Bekräftigung ihres zeugnishaften Auftrages auch Wunder tun können. Dabei wird gerade auch der Entzug der Segnungen Gottes die Einladung, die rettende "Arche der Endzeit" zu betreten, dringlich machen.
6. Ihr Zeugnis wird polarisierend wirken. Sie werden sich dadurch erbitterte Feinde schaffen, und der Riß der Trennung wird durch alle Kirchen und christlich geprägten Gemeinschaften hindurchgehen.
7. Die Aufgabe der zwei Zeugen hat nicht allein prophetischen, sondern auch priesterlichen, pastoralen und sogar apostolischen Charakter. Dabei werden sie schwache Menschen sein, von Ängsten und Zweifeln geplagt. Nur durch die Kraft des ihnen innewohnenden Geistes werden sie in der Lage sein, ihren Auftrag zu erfüllen.
8. Nach der Ausführung ihres Auftrages werden sie "getötet": Alle Kraftwirkungen des Heiligen Geistes werden ihnen entzogen, so daß sie wie einst ihr Herr zum Gespött ihrer Feinde werden. Nach dieser genau festgelegten Zeit der Prüfung werden sie durch Gottes Geist neu belebt und vor den Augen ihrer Feinde zum Himmel auffahren.
9. Das Wirken der zwei Zeugen wird sich in der dunkelsten Stunde, die jemals über die auf Erden lebenden Menschen gekommen ist, am Ende nicht als Gericht und Zerstörung, sondern als Gottes gnädiges Rettungshandeln erweisen.
6 Und ich sah einen anderen Engel hoch oben mitten im Himmel fliegen, der hatte denen, die auf der Erde wohnen, eine ewiggültige Heilsbotschaft zu verkünden. Sie war für die Menschen aller Völker, Rassen, Sprachen und Kulturen bestimmt. 7 Der Engel rief mit lauter Stimme: Fürchtet Gott und gebt ihm die Ehre, denn die Stunde seines Gerichts ist gekommen. Betet den an, der den Himmel, die Erde, das Meer und die Wasserquellen gemacht hat. 8 Dann folgte ein zweiter Engel, der rief: Gefallen, gefallen ist Babylon, die Große, die allen Völkern vom Wein ihrer Unzucht zu trinken gab und damit Gottes Zorn über sie brachte.
(...) 14, 8: Ein zweiter Engel erscheint, um ebenfalls vom Zenit aus,
d.h. für alle Menschen deutlich vernehmbar, die Botschaft vom Fall Babylons auszurichten.
Babylon, die Stadt der Sprachenverwirrung, später Hauptstadt des babylonischen
Weltreiches, gilt im Alten Testament als Sinnbild und Inbegriff der gottfeindlichen Macht,
die mit ihren Göttern unweigerlich zu Fall kommen wird.
Während in Kapitel 17 u.18 die vom Glauben abgefallene "Kirche" des
Antichristen ausdrücklich als "Hure Babylon" bezeichnet wird, umschreibt
Babylon, die Große im vorliegenden Kontext vorerst nur das Ergebnis des kontinuierlich
fortgeschrittenen Kirchenzerfalls, der im Laufe der Jahrhunderte verheerende Folgen
gezeitigt hatte: Keine geordnete Stadt Gottes ist entstanden, sondern eine Stadt der
Verwirrung, nämlich des Gewirrs miteinander streitender Konfessionen und Gemeinschaften,
deren Vertreter allen Völkern immer wieder vom Wein ihrer Unzucht zu trinken gaben, der
den Zorn Gottes über sie brachte: Mit glühender und unersättlicher Leidenschaft haben
sie das Volk Gottes mit verderbenbringender Irrlehre erfüllt. Anstatt auf ihren Herrn zu
blicken, der seine baldige Wiederkunft versprochen hatte, suchten sie Schutz und Hilfe bei
den weltlichen Herrschern, ja verbündeten sich zeitweise sogar mit ihnen und reizten
dabei durch das Beispiel ihres selbstherrlichen Machtstrebens und diesseitsverhafteten
Denkens sowie zu laxer oder auch zu strenger Lebensführung viele Gläubige zum Abfall.
Nach der Wegnahme der Erstlinge wird der Antichrist unverhüllt hervortreten, und es wird
ihm in kürzester Zeit gelingen, die althergebrachten kirchlichen Ordnungen und Strukturen
zu zerstören; doch werden sich als Ergebnis der völligen Neuordnung nun zwei Lager
gegenüberstehen, nämlich die antichristliche Welteinheits-"Kirche", d.h. die
Hure Babylon im engeren Sinn, und die bekennende Gemeinde, die sich unter der Leitung der
zwei Zeugen formieren wird. Quer durch alle Konfessionen hindurch wird diese Sichtung der
Getauften verlaufen und die "Spreu vom Weizen trennen". Der Fall Babylons wird
somit in zweifacher Hinsicht erfolgen: Zunächst werden - zu Beginn der siebenjährigen
Drangsal - die herkömmlichen Strukturen des kirchlichen Lebens zerschlagen; erst danach
beginnt der eigentliche und weitaus schwerer wiegende Zerstörungsprozeß, der das
geistliche Leben der Anhänger des Antichristen, die sich in einer universalen
Reichskirche formiert haben werden, vollkommen vernichtet, so daß Babylon zu einem
Gefäß aller bösen Geister und unreinen Vögel werden wird.
1 Und es trat einer von den sieben Engeln mit den sieben Schalen zu mir und sprach: Komm her, ich will dir das Gericht über die große Hure zeigen, die an vielen Wasserläufen sitzt 2 und mit der die Mächtigen der Erde Unzucht getrieben haben, so daß die auf der Erde Wohnenden vom Wein ihrer Unzucht betrunken geworden sind. 3 Und er versetzte mich im Geist in eine Wüste. Dort sah ich eine Frau auf einem scharlachroten Tier sitzen, das mit Namen der Lästerung bedeckt war und sieben Köpfe und zehn Hörner hatte. 4 Und die Frau war in Purpur und Scharlach gekleidet und reich mit Gold, Edelsteinen und Perlen geschmückt. Sie hatte auch einen goldenen Becher in ihrer Hand, doch der war voll von Abscheulichkeiten und dem Schmutz ihrer Unzucht, 5 und auf ihrer Stirn stand ein geheimnisvoller Name geschrieben: "Babylon die Große, die Mutter der Huren und der Abscheulichkeiten auf Erden". 6 Und ich sah, daß die Frau vom Blut der Heiligen und vom Blut der Zeugen Jesu betrunken war. Und als ich sie sah, verwunderte ich mich über die Maßen.
17, 1: Einer der sieben Engel, die die Zornschalen ausgegossen hatten,
zeigt Johannes das zum Gericht reif gewordene große Babylon, das dem Seher zunächst als
eine auf einem Tier reitende Hure vor Augen gestellt wird. Im Anschluß daran folgt eine
Deutung dieser Vision.
Eine Hure ist in der prophetischen Sprache das Symbol für das Unzucht treibende Volk
Gottes, das sich von seinen Wegen und Geboten entschlossen abgewandt hat, um sich auf die
Lebensart und die götzendienerischen Praktiken heidnischer Völker einzulassen. Wie das
Gottesvolk des Alten Bundes so ist auch das des Neuen Bundes dazu berufen, seinem
"himmlischen Ehemann" eine "treue Frau" zu sein; sie ist jedoch im
Laufe der Jahrhunderte zu einer mörderischen großen Hure geworden.
Wer ist die große Hure? Immer wieder ist die Behauptung aufgestellt worden,
ausschließlich bestimmte Teile der Gesamtkirche seien mit ihr zu identifizieren. Oder
aber die weltweite Gemeinde Gottes sei mit der Hure gleichzusetzen, wobei allerdings die
Ankläger niemals müde werden, zu beteuern, daß die eigene Konfession hier ausgenommen
und allein als die "reine Brautgemeinde" anzusehen sei. Tatsache ist jedoch,
daß sich geistliche Hurerei, d.h. Abfall vom "himmlischen Bräutigam"
ausnahmslos in allen Teilen der Kirche findet. Von Anfang an ist "Unkraut unter den
Weizen gesät worden", das schon bald aufging und im Laufe der Jahrhunderte
Verwirrung und Verunreinigung in Lehre und Leben der Kirche stiftete. Auch die Bildung
neuer Kirchen hat hier keine Abhilfe geschaffen, denn die Gründer neuer Konfessionen sind
der großen Stadt der Verwirrung nicht entkommen. Sie haben lediglich innerhalb der alten
Grenzen Babylons neue Häuser gebaut. Die hier beschriebene große Hure ist zunächst ein
Bild für die Kirche im letzten Stadium ihres Abfalls. Sie ist identisch mit der
Gesamtheit aller Konfessionen bzw. aller Getauften, die in der Zeit des Endes die wahren
Boten Gottes verkennen und sich zur "Kirche" des Antichristen formieren, die
alles geistlich Unreine im höchsten nur denkbaren und praktikablen Maße in sich
vereinigen wird.
Doch nicht allein in bezug auf diese "Endgestalt" der großen Hure, sondern auch
im Rückblick auf die vergangenen Jahrhunderte der Kirchengeschichte wird gesagt, daß die
große Hure an vielen Wasserläufen sitzt. Die Deutung dazu wird Vers 15 gegeben: Die
Wasserläufe sind Völker und Scharen und Nationen und Sprachen. Damit wird unterstrichen,
daß nicht an einen besonderen Teil der Kirche zu denken ist. Vielmehr weist der
universale Einfluß der Hure auf die gesamte Christenheit hin, deren verderbliches Treiben
von jeher die weit verzweigten Arme der Völkerwelt verunreinigt hat.
17, 2: Die Kardinalsünde der Hure besteht darin, mit den Mächtigen der Erde Unzucht getrieben zu haben. Immer wieder hat es zwischen "Thron und Altar", zwischen den Führern der Kirche und den Mächtigen dieser Erde, höchst ungesunde Verbindungen gegeben, die die primäre Zuordnung des Volkes Gottes auf ihren himmlischen Herrn auf krasseste Weise verleugneten. Dies ist nichts anderes als geistlicher Ehebruch: Unzucht, die die Betrunkenheit der auf Erden Wohnenden, d.h. der Massen der irdisch gesinnten Getauften, zur Folge hat; denn an die Stelle geistlicher Wachsamkeit und Nüchternheit sowie geduldigen Wartens auf die Wiederkunft Christi tritt nun - nicht selten verbunden mit dem ausschweifenden Genießen irdischen Wohllebens - die schwärmerische Idee, schon vor der von Gott bestimmten Zeit das verheißene Friedensreich aufrichten zu können. Mitnichten wird hier der Wein der rechten Lehre und der Freude im Heiligen Geist genossen, vielmehr ist es der Wein der Unzucht, der das geistliche Leben zunächst lähmt und am Ende tötet.
17, 3: (...) In der Wüste, in die Johannes im Geist versetzt wurde, erblickt er eine Frau, die auf einem scharlachroten Tier sitzt. In nicht mehr zu überbietender Klarheit stellt diese Symbolik die oben beschriebene ehebrecherische Verbindung zwischen der Kirche und der antichristlichen Weltmacht der letzten Tage dar. Das Tier erscheint in scharlachroter Farbe, die auf die Farbe des Blutes und damit auf den grausamen und menschenmörderischen Charakter des antichristlichen Weltreiches hinweist. Bemerkenswert ist, daß hier nicht der Kapitel 12, 3 auf den Drachen bezogene Ausdruck "feuerrot" verwandt wird, der die höchste Steigerungsform blutgierigen Eifers darstellt - ist doch der Drache der "Mörder von Anfang", dessen unbändiger "Feuer-Eifer" auch andere entzünden und mit Durst nach Blut erfüllen will. Auch das Scharlachrot des Tieres deutet diese menschenmörderische Gesinnung an, allerdings in einer abgeschwächten Form; denn das Tier, das antichristliche Weltreich mit dem persönlichen Antichristen an seiner Spitze, ist lediglich ein Werkzeug im Dienst des großen Menschenverderbers. Es hat seine Grausamkeit nicht aus sich selbst hervorgebracht, hat das Böse nicht erfunden, sondern seine gottfeindliche Gesinnung ist eine erworbene Eigenschaft; deshalb tritt sie hier in der abgeschwächten Form des Scharlachrot zu Tage. (...)
17, 5: Auf ihrer Stirn trägt die Frau sichtbar ihren Namen
geschrieben: Babylon, die Große. Der Begriff Babylon bedeutet soviel wie
"Verwirrung" oder "Vermengung" und bezieht sich auf die Vermischung
von geistlichen mit ungeistlichen Elementen, die das Wesen der Kirche im Endstadium ihres
Abfalls kennzeichnet. Die Große deutet dabei das hohe, ja höchstmöglich denkbare Maß
der Verwirrung an, in die die "Kirche" des Antichristen am Ende geraten wird.
Babylon wird weiter die Mutter der Huren und der Abscheulichkeiten der Erde genannt. Eine
Kirche, die mit weltlichen Herrschern "Unzucht" treibt und auf diese Weise
"Ehebruch" begeht, wird immer wieder nur Huren, d.h. unreine Tochterkirchen aus
ihrem Schoß hervorbringen. Tatsächlich haben sich alle Abscheulichkeiten, alle
geistlichen Mißbildungen, die damit verbunden sind, seit frühchristlicher Zeit auf der
Erde, in der gesamten christlichen Welt, fortgepflanzt. Der ungeistliche Konfessionalismus
mit all seinen theologischen Einseitigkeiten und Verzerrungen sowie das materialistische
Denken der Neuzeit haben den Blick auf den wiederkommenden Herrn verstellt. Diese Hurerei
wird kein Ende nehmen - es sei denn, Gott selbst gebietet dem hoffnungslosen und
unheilbaren Zustand Einhalt.
17, 6: Johannes sieht es der Frau an, daß sie betrunken ist; sie
scheint auf dem Tier, das sie trägt, unsicher hin und her zu schwanken. Allerdings steht
sie nicht unter dem Einfluß eines alkoholischen oder sonstigen Rauschmittels, sondern sie
ist betrunken vom Blut der Heiligen und der Zeugen Jesu, das sie - im Bilde gesprochen -
offenbar reichlich in sich aufgenommen hat.
Der Anblick der betrunkenen Frau löst bei Johannes eine Verwunderung über die Maßen
aus. Es handelt sich hier um das gleiche Erstaunen, das der Prophet Jesaja im ersten
Kapitel seines Buches zum Ausdruck bringt: "Wie geht das zu, daß die treue Stadt zur
Hure geworden ist. Sie war voll Recht, und Gerechtigkeit wohnte darin; nun aber sind
Mörder in ihr!"
Zweifellos ist das Blut, das die Hure getrunken hat, zunächst ein Hinweis auf die
blutigen Verfolgungen der tatsächlichen oder vermeintlichen Ketzer, die auf das Konto der
römischen Kirche gehen. Nur allzu oft haben ihre Vertreter die wahrhaftigen Zeugen Jesu
zu Tode gefoltert.
Allerdings wird man bei einer solchen Aufrechnung die übrigen Konfessionen nicht ausnehmen dürfen. Wenn auch Inquisition, blutige Verfolgung und die Aufrichtung von Scheiterhaufen hier eher die Ausnahme bildeten, so wurde dennoch reichlich von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, auf Glaubensgeschwister mit dem Schwert lieblos vorgebrachter Anklagen und Verurteilungen einzuschlagen. Immer wieder hat es Zeugen Jesu, mutige Männer und Frauen gegeben, die zwar nicht die ganze Erkenntnis der Wahrheit besaßen, es aber dennoch wagten, die verschiedenen Stadtteile Babylons zu betreten, um dort ihre Stimme gegen Verdrehung, Vereinseitigung, Mißbrauch und Unterschlagung der göttlichen Wahrheit zu erheben. Und immer wieder wurden diese Zeugen - und werden es bis heute - verspottet, unterdrückt und mundtot gemacht wie einst der Prophet Jeremia: "Kommt, laßt uns ihn mit seinen eigenen Worten schlagen und nichts geben auf alle seine Reden!
13 Als der Drache sah, daß er auf die Erde hinabgeworfen war, verfolgte er die Frau, die das männliche Kind geboren hatte. 14 Doch der Frau wurden die zwei Flügel des großen Adlers gegeben, damit sie an den für sie bestimmten Ort in der Wüste fliegen könnte, um dort eine Zeit und zwei Zeiten und eine halbe Zeit ernährt zu werden; hier war sie vor dem Angriff der Schlange sicher. 15 Da schoß die Schlange aus ihrem Rachen Wasser wie einen Strom hinter der Frau her, um sie darin zu ertränken. 16 Doch die Erde half der Frau, indem sie ihren Mund öffnete und den Strom, den der Drache aus seinem Rachen ausgestoßen hatte, verschlang. 17 Da geriet der Drache in große Wut über die Frau, und er ging hin, um mit den übrigen ihrer Nachkommen Krieg zu führen, die die Gebote Gottes hielten und das Zeugnis Jesu bewahrten.
12, 13+14: Der Drache verfolgt nun die Frau, die das Kind geboren hat.
Nachdem der Teufel endgültig aus dem Himmel auf die Erde geworfen ist, konzentriert er
sich darauf, seinen Zorn an der dort verbliebenen Gemeinde auszulassen. Aber diese steht
nicht schutzlos da: Der Frau werden die zwei Flügel des großen Adlers gegeben, mit denen
sie in die Wüste fliegt, um dort dreieinhalb Zeiten ernährt zu werden.
Dieser Vorgang umschreibt die Sammlung der großen Schar durch die zwei Zeugen in den
dreieinhalb Jahren der sechsten Posaune. Durch die Wegnahme der Erstlinge aufgeschreckt,
sucht nun eine große Anzahl bis dahin halbherziger Christen Schutz vor der Schlange,
deren verführerisches Spiel sie nun durchschauen. Mittels seiner zwei Zeugen wird Gott
selbst der große Adler sein, unter dessen Flügeln die nach der Entrückung
Zurückgebliebenen vor den Angriffen Satans Schutz finden.
Die beiden Flügel sind über die gegebene Deutung hinaus ein Hinweis auf die
wiederhergestellten kirchlichen Ordnungen, die sich auf die beiden
"Hauptflügel" des apostolischen und des prophetischen Amtes stützen. Nur mit
diesen beiden wird sich die Kirche während der Tage der sechsten Posaune in
"himmlische Höhen" erheben können.
Die Flügel tragen die Frau zu einem Zufluchtsort in der Wüste: Alle, die unter den
"Flügeln" der zwei Zeugen Schutz suchen, werden ins gesellschaftliche Abseits
gedrängt. Auch wird die Ernährung, d.h. die geistliche Zurüstung, die die jetzt
entstehende Gemeinde auf das Kommen ihres Herrn vorbereitet, inmitten der Zerstörung der
bisherigen kirchlichen Ordnungen erfolgen. Dabei wird sie vor dem Angriff der Schlange
sicher sein. Trotz größter Anstrengungen wird es dem Teufel zunächst nicht gelingen,
das Werk der zwei Zeugen zu behindern.
(...)
4: Und ich hörte eine andere Stimme aus dem Himmel rufen: Mein Volk, geh hinaus aus Babylon, damit du keinen Anteil an ihren Sünden hast und nicht von den Plagen, die über sie hereinbrechen, getroffen wirst. 5 Denn ihre Sünden haben sich bis zum Himmel aufgetürmt, und nun zieht Gott sie für die Ungerechtigkeiten, die sie begangen hat, zur Verantwortung. (...)
18, 4+5: Die andere Stimme aus dem Himmel, die anscheinend aus dem Mund
eines Engels kommt, steht mit dem V.1 erwähnten "Engel" in engster Verbindung,
weist also auf die Boten Gottes hin, die dort nur indirekt erwähnt werden, nämlich auf
die zwei Zeugen, deren besonderes Wirken weiter oben bereits ausführlich erklärt wurde.
In den Tagen der sechsten Posaune fordern sie den treuen Überrest in Babylon eindringlich
und unmißverständlich auf, die Stadt der Verwirrung zu verlassen, um dem herannahenden
Gericht zu entgehen: Geh hinaus aus Babylon, damit du keinen Anteil an ihren Sünden hast
und nicht von den Plagen, die über sie hereinbrechen, getroffen wirst.
Diese dringliche Mahnung zur Absonderung war bis zu diesem Zeitpunkt der Ruf der Sekten,
die - selbst mit dem "babylonischen Verwirrungsvirus" in seiner bösartigsten
und hartnäckigsten Form infiziert - schon vor der Zeit die großen Kirchen bzw. einzelne
Konfessionen mit der großen Stadt Babylon im Endstadium ihres Abfalls gleichsetzten. Doch
erst jetzt, in der ersten Hälfte der siebenjährigen Drangsal, werden sich Babylons
Sünden bis zum Himmel aufgetürmt haben, so daß Gott nicht länger zögert, sie für die
begangenen Ungerechtigkeiten zur Verantwortung zu ziehen. Und erst jetzt soll der treue
Überrest nicht mehr in Babylon bleiben und "der Stadt Bestes suchen", sondern
kompromißlos die Trennung vollziehen, denn die Plagen der siebten Posaune, von denen die
treuen Gläubigen nicht getroffen werden sollen, stehen nun unmittelbar bevor.
(...)
Als sich nach der Sintflut das Urvolk der Menschheit in Babel durch den Bau eines Turmes, dessen Spitze bis in den Himmel reichen sollte, einen Namen machen wollte, traf es ein ebenso eigenartiges wie einschneidendes Gericht: Gott verwirrte die bis dahin einheitliche Sprache, so daß deren viele entstanden und folglich eine gegenseitige Verständigung nur noch unter großen Mühen möglich war. Auch die soziale Geschlossenheit büßte das Urvolk der Menschheit auf diese Weise ein, denn die verschieden sprechenden Teile der damaligen Menschheit trennten sich voneinander, und jede Gruppe beschritt ihren eigenen Weg. Dies war die Geburtsstunde der verschiedenen Völker sowie der vielfältigen Spielarten und Ausprägungen des Heidentums. Das urgeschichtliche Babylon als Typus des abtrünnigen Gottesvolkes weist die folgenden Kennzeichen auf:
1. Die Vermischung von Geist und "Fleisch".
2. Das unbändige Bestreben, sein zu wollen wie Gott.
3. Die Verwirrung der einen Sprache des Volkes Gottes.
4. Die Zertrennung des einen Volkes Gottes.
Die exakten Merkmale dieser babylonischen Verwirrung finden sich
antitypisch inmitten der Christenheit. Als die große Mehrheit der Gläubigen
"irdischer Gesinnung" verfiel und danach trachtete, sich schon vor der
Wiederkunft Christi "einen Namen zu machen", d.h. mit Hilfe der weltlichen
Herrscher zu Macht und Ansehen zu gelangen, verwirrte Gott die bisherige "gemeinsame
Sprache" der Christen: Spaltungen entstanden, und jede Teilkirche ging ihren eigenen
Weg. Die ursprünglich eine, heilige, allumfassende apostolische Kirche wurde zu einem
Konglomerat sich widersprechender Konfessionen, die aufgrund verschiedener geistlicher
Sprachen bzw. Akzente einander nicht mehr "verstehen" konnten.
Dieser Zustand war seit den Anfängen ein "Babel der Verwirrung", aber erst am
Ende dieser Entwicklung wird "Babylon, die Große", stehen, die verhängnisvolle
Vermengung von göttlicher Wahrheit mit Irrtum und Lüge, von himmlischer Gesinnung mit
weltlicher Politik, von geistlichem Leben mit ganz und gar unheiligen Motiven, kurz: von
Geist mit Fleisch. Wie es nach der urgeschichtlichen Sprachenverwirrung und Teilung den
Menschen verwehrt blieb, die Menschheit in den ursprünglichen Zustand zurückzuführen,
so werden auch alle von Menschen erdachten Pläne fehlschlagen, den ursprünglichen
Zustand der Kirche in ihrer anfänglichen Reinheit und Kraft des geistlichen Lebens
wiederherzustellen.
Weiteren Aufschluß über diesen degenerierten Zustand der Kirche gibt das babylonische
Exil des jüdischen Volkes im 6. Jahrhundert vor Chr.: Wie ein Großteil des
alttestamentlichen Volks Gottes für 70 Jahre in ein Land verschleppt wurde, aus dem es
sich selbst weder befreien konnte noch sollte, so ist auch das Volk des neuen Bundes für
eine von Gott bestimmte Zeit in eine "babylonische Gefangenschaft" geraten, der
es aus eigener Kraft nicht entkommen kann. Versuche, dies dennoch zu erreichen, haben wohl
zur Gründung neuer Konfessionen und Sekten geführt, nicht aber den tief verwurzelten
Schaden der Kirche geheilt. Im Gegenteil: Die Verwirrung hat stetig zugenommen. Nur Gott
selbst kann seine Kirche aus diesem geistlichen Babylon befreien, und dies wird er gewiß
tun. Zu einem Zeitpunkt, der nur ihm bekannt ist, wird er sein Volk zur kompromißlosen
Absonderung von der großen Hure Babylon auffordern.
Der erste Typus dieser "Auszugs- und Rettungsaktion" findet sich im ersten Buch
Mose: Lot und seine Familie werden aus Sodom herausgeführt, bevor Feuer vom Himmel fällt
und die gottlosen Städte im Jordantal vernichtet. In ähnlicher Weise floh auch die
urchristlich-jüdische Gemeinde aus Jerusalem, um einen Unterschlupf in der östlich des
Jordan gelegenen Stadt Pella zu finden, bevor die Römer Jerusalem nach schweren Kämpfen
eroberten und zerstörten.
Als das aufschlußreichste Vorbild der Rückkehr und Befreiung des neuen Bundesvolkes aus
der "Stadt der Verbannung" können die Umstände des babylonischen Exils im
sechsten vorchristlichen Jahrhundert angesehen werden. Die verschleppten Juden wurden
damals ausdrücklich vor solchen falschen Propheten gewarnt, die ein baldiges Ende der
Gefangenschaft ankündigten. Die Weggeführten sollten nicht etwa versuchen, sich aus
eigener Kraft zu befreien, sondern sie sollten es sich in Babylon wohnlich einrichten,
Söhne und Töchter zeugen, "der Stadt Bestes suchen" und für sie zum Herrn
beten. Er selbst, Gott, würde zu seiner Zeit den Tag der Befreiung heraufführen und alle
Zerstreuten in ihre Heimatorte zurückbringen, und zwar wenn für Babel siebzig Jahre voll
wären. Wie dem Gottesvolk des alten, so ist es auch dem des neuen Bundes nicht gelungen,
vor dem Ablauf dieser festgesetzten Frist dem geistlichen Babel zu entfliehen. Die
Versuche, die Kirche gemäß ihrer ursprünglichen und wahren Ordnung wiederherzustellen
und zur geistlichen Kraft der ersten Zeit zurückzuführen, sind sämtlich gescheitert.
Neue Konfessionen brachten - und bringen es bis auf den heutigen Tag - lediglich neue
Häuser in die alte Stadt hinein, die der Verwirrung nicht etwa entgegensteuern, sondern
nur noch steigern - ganz zu schweigen von den Sekten, die mit der Erhebung eines
christlichen Exklusivanspruches und der groben Verzerrung und Verfälschung von
Grundwahrheiten des Glaubens ganze Stadtteile in Babylon bevölkern, deren Betreten schon
immer mit höchster geistlicher Lebensgefahr verbunden war.
In dem geradezu beschwörenden Unterton, der mit aller Dringlichkeit zum Bleiben in
Babylon mahnt, liegt somit für das Volk des neuen Bundes der deutliche Hinweis: Es ist
Gottes Wille, daß die Gläubigen - solange dies nur irgend möglich ist - dem Teil der
Kirche treu bleiben, dem sie schon immer angehörten. Hier ist für sie der Ort, "der
Stadt", d.h. der angestammten Konfession "Bestes zu suchen" und für sie
zum Herrn zu beten. Und sicher sollte auch genau hier der Ort sein, über den traurigen
Zustand Babels und die Schuld, die die Christenheit im Laufe der vielen Jahrhunderte
diesbezüglich auf sich geladen hat, nachzudenken, sie zu beklagen und Gott um Hilfe
anzurufen - bis zu dem Tag, an dem Gott seine rettende Hand zur Herausführung aus der
Stadt der Verwirrung bieten würde.
Dies geschah in besonderer Weise in der Zeit der Reformation und dann weiterführend
während der Tage des sechsten Siegels. Im Blick auf die sich daran anschließende
Entwicklung kann es nur als tragisch und verhängnisvoll bezeichnet werden, daß diese
Reformbewegung des 19. Jahrhunderts von der großen Mehrheit der Getauften nicht als
gottgewirkt erkannt wurde. In diesem Sinne ist sie gescheitert, denn das ihr gesteckte
Ziel der Rückführung der weltweiten Kirche zu ihren ursprünglichen Grundlagen schlug
fehl. Ein weiteres, auf die ebengenannte Bewegung aufbauendes Werk wird folgen, und zwar
in einer Zeit, in der der Abfall in der Kirche sein bis dahin höchstes Ausmaß erreicht
haben wird, nämlich in den Tagen der sechsten Posaune. Erst jetzt und keinen Tag früher,
wenn die Kirche im wahrsten Sinne des Wortes zu einer Wohnstatt dämonischer Geisterheere
geworden sein wird, ist für den treuen Überrest Babylons der Zeitpunkt gekommen, die
Stadt zu verlassen. Der Aufruf, sich aus den bisherigen kirchlichen Bindungen entschlossen
und rigoros zu trennen, wird durch besondere Boten Gottes in einer Zeit, in der die
Kirchenführer den Antichristen freudig begrüßen werden, klar und unmißverständlich
erfolgen.
Eine dezidierte "Theologie der Heiligen Schrift" haben die katholisch-apostolischen Theologen nicht erstellt. Dennoch sind in den zahlreichen Schriften eindeutige Aussagen gemacht worden, die im Folgenden thesenartig aufgeführt sind:
Der Kanon der biblischen Schriften ist als vollständig anzusehen. Seine Integrität darf weder durch Hinzufügen noch durch Auslassen einzelner Schriftstellen oder gar ganzer Bücher angetastet werden. Die Apokryphen gehören nicht zum Alten Testament, denn nur die Bücher des jüdischen Kanons sind von Christus und den Aposteln als Wort Gottes angeführt und somit bestätigt worden.
Die ganze Schrift Alten und Neuen Testaments ist als inspiriert bzw.
"von Gottes Geist eingegeben" zu betrachten. Allerdings kann der unmittelbare
und eigentliche Prozeß der "Inspiration" nur bei dem nach Gottes Bild
geschaffenen Menschen stattgefunden haben, wobei dessen Freiheit und Denkvermögen nicht
etwa als beeinträchtigt oder gar ausgeschlossen zu denken sind. Vielmehr hat sich der
Heilige Geist im Vollzug der Inspiration der ganzen Kraft des menschlichen Denk- und
Erinnerungsvermögens bedient.
Eine Inspiration der einzelnen biblischen Bücher, Abschnitte oder auch Worte der Bibel
kann - im oben beschriebenen Sinne - vertreten werden; allerdings ist ein zu eng gefaßtes
Verständnis der Verbalinspiration abzulehnen. Nicht selten wird das menschliche Element
bei der Abfassung der biblischen Schriften zu wenig berücksichtigt. Auf diese Weise
offenbart sich ein nach intellektueller Sicherheit strebender, ja teilweise an Aberglauben
grenzender Rationalismus, der als Ausdruck geistlicher Verarmung zu werten ist. Nicht
vergessen werden darf, daß die Bibel wohl von der Fleisch-, niemals aber von einer
"Buch-Werdung" Gottes spricht. Die "Unfehlbarkeit der Schrift" im
absoluten Sinne ist deshalb eine unsinnige Vorstellung. Kein Verfasser einer biblischen
Schrift erhebt darauf Anspruch, außerdem sprechen auch die vielfach variierenden
Textüberlieferungen dagegen. Spannungen und nicht auflösbare Widersprüche in
Randaussagen und besonders in mehrfach überlieferten Ereignissen sind daher möglich.
"Unfehlbar" und hinreichend klar und deutlich sind allerdings die in der Schrift
überlieferten grundlegenden "Heilstatsachen".
Die verschiedenen Schriften und Abschnitte der Bibel haben zweifellos
unterschiedlichen Stellenwert; dennoch wäre die Heilige Schrift ohne die - nach
menschlichem Urteil - "weniger wichtigen" Abschnitte unvollständig. Sie
enthält deshalb, genauer gesagt, nicht etwa wichtige und unwichtige, sondern
"wichtige und sehr wichtige" Teile.
Die Schriften der Bibel sind verschiedenen Phasen, Situationen und Bedingungen
heilsgeschichtlicher Erfahrung zuzuordnen. Nichtsdestoweniger ist die Bibel die eine,
heilige und vollkommene Urkunde der göttlichen Offenbarung, ja ein majestätischer
Wunderbau. Die Einheit der Schrift ist in Gott selbst und in seinem Heilsplan für die
Menschheit und die Erde verbürgt, der Jesus Christus zum Mittelpunkt hat.
Die Heilige Schrift ist für die Kirche das Wort Gottes, weil sie eine
grundlegende - wenn auch nicht die grundlegende - Beziehung zur Kirche besitzt, und zwar
für alle Zeiten ihrer Existenz unter allen möglichen Umständen ihrer Lage. Diese
Beziehung, die von Gott selbst vermittelt wurde, ist seitens der Lehrer der Kirche, den
zeitgeschichtlichen Umständen entsprechend, immer wieder neu zu erheben und in Anwendung
zu bringen.
Obwohl der Heilige Geist bei der Abfassung der biblischen Schriften mitwirkte, waren die
Autoren doch keine willenlosen Werkzeuge; vielmehr schrieben sie mit eigener persönlicher
Verantwortung, wandten alle von Gott verliehenen natürlichen Kräfte und Fähigkeiten an
und erforschten mit der größten Sorgfalt Gottes Handeln in der Geschichte. Eine
Erforschung der sprachlichen, geschichtlichen, theologischen und auch
verfasserspezifischen Eigenheiten der biblischen Bücher ist deshalb nicht nur legitim,
sondern sogar dringend geboten. Klicken Sie hier, um die katholisch-apostolische
Beurteilung der historisch-kritischen Bibelauslegung kennenzulernen!
Bei der Erforschung der biblischen Schriften sind nach bestem Wissen
und Gewissen die Verstandeskräfte einzusetzen, und zwar auf dem durch den Heiligen Geist
und den Glauben gewiesenen Weg. Dabei darf die Mitte der Schrift, nämlich Christus, das
vor Grundlegung der Welt zur Schlachtung bestimmte Lamm, nicht aus den Augen gelassen
werden. Auch Skopus, historische Situation und Absicht einer jeden Schrift bzw. eines
jeden Abschnittes oder Verses der Schrift sind unter der Berücksichtigung des jeweiligen
Kontextes zu beachten. Ferner haben die Einleitungswissenschaften und auch historische
Kritik wie Text-, Literar- und gattungsgeschichtliche Forschung ihre Berechtigung.
Die Kritik der Bibel ist allerdings dann abzulehnen, wenn mit der wissenschaftlichen
Erforschung eine rationalistisch-skeptische Grundtendenz verbunden ist, die eine
unsachgemäße Engführung zur Folge hat. Die in der theologischen Wissenschaft oft
einseitig angewandte "historisch-kritische Methode" hat durch die
Infragestellung der Autorität der Bibel beträchtlichen Schaden angerichtet.
Im Jahre 1898 faßte E. Troeltsch die drei Grundprinzipien der sog. "historischen
Methode in der Theologie" zusammen:
1. Das Prinzip der Kritik sieht die kritische Vernunft des Menschen als die letztgültige Gerichtsinstanz, vor der sich die Bibel zu verantworten hat.
2. Das Prinzip der Analogie erklärt solche Wunder für unmöglich, die sich im Horizont der modernen und allgemeinen Welterfahrung nicht nachvollziehen lassen.
3. Das Prinzip der Korrelation schließt grundsätzlich aus, daß Gott oder sonstige Kräfte aus einer jenseitigen Welt in den innerweltlichen Kausalzusammenhang eingreifen können.
Ganz offensichtlich werden hier an die Heilige Schrift ihr nicht
gemäße und sachfremde Kriterien herangetragen, deren einseitige Anwendung zur Verzerrung
und Verkürzung der theologischen Wahrheit führen muß: So wird außer acht gelassen,
daß die kritische Vernunft des Menschen infolge des Sündenfalls grundsätzlich fehlbar
ist und niemals als Hauptkriterium der Wahrheitsfindung dienen kann. Andererseits ist
Auslegung der Schrift ohne Anwendung der Vernunft nicht möglich; sie hat sich aber der
Offenbarung der göttlichen Wahrheit, die der Vernunft keineswegs immer einleuchtet,
unterzuordnen.
Weiter ist zu bedenken: Die Prinzipien der Analogie und der Korrelation grenzen die
Möglichkeiten Gottes, die immer größer als das rationale Fassungsvermögen des Menschen
sind, unzulässig ein. So bleibt unberücksichtigt, daß Naturgesetze immer nur insoweit
gültig sein können, als keine anderen, nicht in diesen Gesetzen angegebenen, Kräfte
wirksam sind. Sachgemäß im Blick auf die Heilige Schrift wie überhaupt auf
Ereignisse der Geschichte ist allein das "Prinzip der historischen
Redlichkeit", das auch solchen Phänomenen gegenüber prinzipiell offen ist, die der
kritischen Vernunft zwar nicht unmittelbar einsichtig, aber dennoch eindeutig und
nachhaltig bezeugt sind.
Die grundlegenden Glaubenstatsachen sind trotz der kritischen Ergebnisse mancher
theologischen Schulen in keiner Weise als gefährdet anzusehen, da sie durch die Predigt
der Apostel, das stete Zeugnis des Heiligen Geistes und die Erfahrung der Gläubigen
hinreichend gestützt und bezeugt sind. Dem Glauben an die Schöpfung Gottes aus dem
Nichts, an die Inkarnation, den stellvertretenden Sühnetod und die leibliche Auferstehung
und Wiederkunft des ewigen Gottessohnes sowie die zukünftige Erlösung der Gläubigen ist
es ein Geringes, wenn nicht alle biblischen Aussagen sei es im Blick auf die Zeit
vor der Sintflut, die jüdische Geschichte oder die in den Evangelien bezeugten Ereignisse
in Einklang gebracht werden können.
Es kann hier nicht näher dargelegt werden, daß die Wahrheit des biblischen
Offenbarungszeugnisses im wissenschaftlichen Sinne weder zu beweisen noch zu widerlegen
ist. Nur dem Glaubenden erschließt sich diese Wahrheit, nicht im Sinne eines
"äußeren", wohl aber eines "inneren Beweises". Ist doch der Glaube
ein "Überführtsein von der Wirklichkeit solcher Dinge, die nicht gesehen werden
können."
Es ist ein Irrtum, anzunehmen, das "Zeugnis Gottes für die
Welt" sei in erster Linie die Heilige Schrift, war dieses doch stets - und ist es bis
heute - ein "lebendiges", d.h. durch Menschen vermitteltes Zeugnis. Die
Schriften der Bibel sind lediglich Berichte dieses Zeugnisses, nicht das Zeugnis selbst.
Dieses wird vielmehr durch die Kirche verkörpert. Als "stellvertretende
Gesandte" ihres himmlischen Herrn, dem die höchste Zeugnisfunktion zukommt,
existierte und agierte sie bereits vor der Kanonisierung aller biblischen Schriften. Die
Kirche - und nicht etwa die Bibel - ist Hüterin der Schätze und der Weisheit Gottes. Sie
ist auch die lebendige Erklärerin und Auslegerin des "Gesetzes des Lebens", das
in der Schrift "nur" enthalten ist. Andererseits wird die Kirche ihr Zeugnis,
d.h. all ihre Handlungen und Verlautbarungen, niemals losgelöst von der Schrift, sie
verkürzend, entstellend oder überbietend, ausüben dürfen. Es geht also nicht um die
Alternative Schrift oder Kirche, sondern um die richtige Verhältnisbestimmung.
Zwei ungesunde Extreme traten im Katholizismus und im Protestantismus hervor: Während der
römische Klerus den Laien den freien Zugang zur Bibel versperrte und auf diese Weise
deren notwendige Korrektur- und Normfunktion unterband bzw. auf sich selbst übertrug,
verfiel man im Protestantismus, der die Bibel aus ihrer langen Gefangenschaft befreit
hatte, in das gegenteilige Extrem. Man erhöhte sie dermaßen, daß man sich zu der
Behauptung versteigen konnte, sie sei imstande, sich selbst auszulegen und bedürfe
deshalb nicht der Beglaubigung, Verdeutlichung und Auslegung durch Kirche und Tradition.
Die Schrift - und nur sie - sei als Richterin, Richtschnur, Maßstab und Prüfstein der
kirchlichen Lehre zu betrachten. Kurz: man traute der Bibel als solcher tatsächlich zu,
der Kirche das leisten zu können, was im Anfang Christus selbst bzw. in seinem Auftrag
die Apostel ausrichteten. So nahm im Protestantismus die Bibel faktisch die Stelle der
Kirche bzw. des kirchlichen Amtes ein. Richtig an dieser extremen Position ist, daß
alles, was in der Kirche geschieht, der Norm der Schrift entsprechen muß, dennoch hätte
das Pendel - im Gegenzug zum Katholizismus - nicht soweit ausschlagen dürfen, daß die
Bibel als Buch das kirchliche Amt und die durch dieses ergehende lebendige Auslegung und
Anrede Gottes in ihrer Bedeutung verdunkelt oder gar verdrängt. Der Ausleger der
biblischen Schriften ist letztlich der Heilige Geist, doch dieser ist nach Gottes Ordnung
- trotz aller geschehenen Mißbräuche im Katholizismus und anderswo - zuallererst in den
rechtmäßig ordinierten Dienern der Kirche wirksam.
Allein unter der Voraussetzung, daß mit Lehrautorität begabte
Menschen in der Kirche tätig sind, wurden ihr die Schriften des Neuen Testaments
anvertraut. Enthält dieses doch weder systematische Lehrgebäude, noch ist es in der
Lage, auf alle Fragen, die Lehre und kirchliches Leben betreffen, hinreichende Antworten
zu geben. Die Kirchengeschichte des Protestantismus beweist denn auch zur Genüge die
Unzulänglichkeit des sola-scriptura-Prinzips, behaupten doch alle Konfessionen
protestantischer Herkunft, ihre Lehre stimme mit der Bibel überein. Und wie
selbstverständlich verteidigen alle Kirchen der Reformation ihre Einseitigkeiten und
Irrtümer mit der Bibel. Das sola-scriptura-Prinzip muß in der Praxis schon allein
deshalb versagen, weil die Leiter der Kirchen nicht "allein die Bibel sprechen
lassen" können. Vielmehr kommen sie nicht umhin, die Schrift auszulegen und darüber
zu entscheiden, inwiefern diese oder jene Lehre mit der Bibel übereinstimmt oder nicht.
Die eigentliche Frage zielt deshalb auf Personen ab: Wer hat Auftrag und Vollmacht, die
Lehre der Kirche verbindlich zu formulieren?
Der "alleinigen Autorität der Heiligen Schrift" im Protestantismus bzw. der
faktischen Vollmacht eines jeden Theologieprofessors oder Pfarrers, seine persönlichen
Ansichten als allgemeine Kirchenlehre zu verkünden, steht der Anspruch des Papstes bzw.
des römischen Klerus auf universalkirchliche Lehrautorität gegenüber. Niemand kann
jedoch bis heute beweisen, daß Petrus oder ein anderer Apostel das Bischofsamt in Rom
bekleidete. Auch wenn dies so gewesen wäre, so wäre doch allein das bischöfliche und
nicht das apostolische Amt auf die Nachfolger übergegangen; denn ein Apostel kann zwar
einen Bischof, nicht aber einen Apostel in sein Amt einsetzen.
Auch ökumenische Konzile sind nicht autorisiert, verbindliche Kirchenlehre
festzuschreiben. Wie die Versammlung vieler Priester keinen Bischof macht, so auch nicht
die Versammlung vieler Bischöfe einen Apostel. Ein Konzil ist nur dann berechtigt, neben
der Ausübung beratender Tätigkeit verbindliche Gesetze zu erlassen, wenn Apostel den
Vorsitz führen. Andernfalls wird der Gefahr, daß die Kirche zur Demokratie und die
Stimmenmehrheit von Menschen zur Verkünderin der ewigen Wahrheit wird, kaum zu wehren
sein. Im übrigen haben die verschiedenen Konzile nicht selten einander widersprochen und
waren die Entscheidungen von der Wahl des Versammlungsorts und dem Gelingen oder
Mißlingen listiger Anschläge abhängig.
Schrift und Tradition stehen nicht etwa gleichrangig nebeneinander,
sondern diese ist an der Norm jener zu messen. Allerdings darf dabei nicht übersehen
werden daß die Kirche im Prozeß der Kanonisierung die maßgebliche Rolle gespielt hat,
gab es doch anfangs noch keine geschlossene Sammlung biblischer Schriften. Also konnte
zumindest in der frühen Zeit der Kirche "die Bibel" ganz sicher nicht die
Richtschnur des Glaubens sein. Die Kirche entschied dann später über Anzahl und Echtheit
der biblischen Bücher, doch gibt die Bibel keinen Aufschluß darüber, ob die Kirche
richtig entschieden hat.
Überlieferungen, die dem Geist und dem Buchstaben der Schrift nicht widersprechen,
dürfen nicht a priori abgelehnt werden. Ein kultischer Purismus, der allein das gelten
lassen will, was durch die Schrift belegt werden kann, widerspricht nicht nur der
Erfahrung und der Praxis der Kirche in allen ihren Teilen, er leugnet auch, daß die
Kirche trotz ihres Verfalls noch immer der Tempel des heiligen Geistes, das Gefäß der
Wahrheit Gottes und der Schauplatz ist, auf dem mit seinem Handeln zu rechnen ist.
Der Strom geistgewirkter Tradition wird so lange fließen, wie die Kirche sich "in
der Welt" zu bewähren hat. Allerdings ist ein überspannter Traditionalismus
abzulehnen, der jede kirchliche Überlieferung gedankenlos hütet. Schon allein deshalb
sind die Überlieferungen der Kirche fehlerhaft bzw. entstellt, weil ihr seit dem Beginn
des ersten Jahrhunderts das apostolische Amt fehlt, dessen privilegierte Aufgabe es ist,
Traditionen zu sichten, zu prüfen, zu erklären, zu bewahren und, wenn es dem Herrn der
Kirche notwendig erscheint, auch neu zu empfangen, wobei - wie schon erwähnt - der Boden
der Heiligen Schrift nicht verlassen werden darf. Ein der Kirche neu geschenkter Apostolat
hätte also - der zeitgeschichtlichen Situation entsprechend - nicht nur die Aufgabe,
alles in der weltweiten Kirche vorhandene Gute und Wahre anzuerkennen und an den richtigen
Platz zu stellen; auch das, was im Verlauf der vergangenen Jahrhunderte an kirchlichen
Lehren, Ordnungen und Gebräuchen entstellt wurde, verloren gegangen oder niemals zur
notwendigen Entfaltung gekommen ist, müßte von den Aposteln neu geordnet bzw. der Kirche
wiedergegeben werden.
Die drei altkirchlichen Glaubensbekenntnisse sind nicht nur als
allgemein anerkannte Zeugnisse der Wahrheit, sondern auch als in Krisenzeiten der Kirche
bewährte "Bollwerke" aller Achtung wert. Wer von ihnen abweicht, befindet sich
im Irrtum, und wer sie geringschätzt oder sie entbehren zu können meint, verschmäht,
was der Heilige Geist von Anfang an die Kirche gelehrt hat.
Allerdings erfordert der Fortschritt der Kirchengeschichte nicht nur die aktuelle
Interpretation der alten Symbole, auch die Formulierung neuer Bekenntnisse ist je nach
Situation notwendig. So konnten die strittigen Fragen der Reformationszeit durch die drei
altkirchlichen Symbole nicht mehr geschlichtet werden. Und angesichts dessen, was es heute
zu bekennen gilt, sind die einander widersprechenden Bekenntnisse jener Epoche ebenso
unzureichend, wie es die alten Symbole zur Zeit der Reformation waren. Die Bekenntnisse
der Alten Kirche können deshalb das Lehramt der Kirche nicht ersetzen, zu dessen Aufgaben
sowohl die Erklärung der alten als auch die Formulierung neuer Bekenntnisse gehört.
Solche sollten jedoch über die drei altkirchlichen hinaus nicht verbindlich gemacht
werden, denn wer sich engstirnig auf ein Sonderbekenntnis verpflichtet, fördert so nicht
nur die unheilvolle Zertrennung des einen Leibes Christi, er bringt damit letztlich auch
zum Ausdruck, daß er sich nicht länger als zur katholischen, d.h. allumfassenden,
Gemeinschaft der Kirche gehörend versteht. Vielmehr bekennt er sich auf diese Weise zu
einer sektiererischen Abspaltung.
Angesichts der Vielzahl der christlichen Konfessionen mit ihren jeweiligen
Sonderbekenntnissen führt dies, konsequent weitergedacht, zu dem Paradoxon: Die weltweite
Kirche, deren Mitglieder einerseits alle zu einem Leib getauft sind - und die von Gott
ohne Berücksichtigung der jeweiligen Sonderbekenntnisse auch so angesehen werden - sie
ist doch, letztlich infolge des Verlustes des apostolischen Amtes, ein in viele Teile, ja
unzählige "Sekten" zerrissener Leib. Es ist tröstlich, daß Gott dem
"kranken Leib" das Heilmittel nicht vorenthalten hat. Und wenn es auch zunächst
abgelehnt wurde - er weiß Mittel und Wege, die zwar manche Schmerzen nicht ersparen, aber
am Ende doch zur vollkommenen Gesundung führen werden.
Prolog 1, 1-3
Einleitung 1, 4-8
Erster Hauptteil:
"Was du gesehen hast" (Kap. 1, 19) 1, 9-20
I. Die Vision des erhöhten Christus inmitten der sieben
goldenen Leuchter 1, 9-18
Exkurs 1: Das Reich Gottes und die Kirche
Exkurs 2: Der Menschensohn
II. Der Auftrag an Johannes 1, 19
III. Das Geheimnis der sieben Sterne und der sieben
goldenen Leuchter 1, 20
Exkurs 3: Die Entstehung des Bischofsamtes
in der frühen Kirche
Zweiter Hauptteil: "Das, was (jetzt schon) ist": Die sieben Sendschreiben 2, 1 - 3, 22
I. An die Gemeinde in Ephesus 2, 1-7
Exkurs 4: Wesen und Aufgabe des apostolischen Amtes
II. An die Gemeinde in Smyrna 2, 8-11
III. An die Gemeinde in Pergamon 2, 12-17
IV. An die Gemeinde in Thyatira 2, 18-29
Exkurs 5: Die frühchristliche Gnosis
V. An die Gemeinde in Sardes 3, 1-6
VI. An die Gemeinde in Philadelphia 3, 7-13
VII. An die Gemeinde in Laodizea 3,14-22
Dritter Hauptteil: "Was danach geschehen wird" (1,19) 4, 1 - 22, 5
I. Die sieben Siegel 4, 1 - 8, 6
A. Trostvoller Ausblick: Der Thron Jesu Christi
inmitten der erlösten
Menschheit 4,1-11
Exkurs 6: Die katholisch-apostolischen Gemeinden
B. Das Buch mit den sieben Siegeln und das Lamm vor
dem Thron 5,1-14
C. Die ersten vier Siegel 6, 1- 8
1. Das erste Siegel 6,
1+2
2. Das zweite Siegel 6,
3+4
3. Das dritte Siegel 6,
5+6
4. Das vierte Siegel 6,
7+8
D. Das fünfte Siegel 6, 9-11
E. Das sechste Siegel 6, 12-17
F. Erster "gnädiger Zwischenakt": Die beiden
Visionen
zwischen dem sechsten und dem
siebten Siegel 7, 1-17
1. Die Versiegelung der
Hundertvierundvierzigtausend 7, 1-8
Exkurs 7: Die geistliche Bedeutung der israelitischen Stammesnamen
2. Die große Schar vor dem Thron
Gottes 7, 9-17
G. Die Öffnung des siebten Siegels und die Vorbereitung
auf das Blasen der sieben
Posaunen 8, 1-6
II. Die Sieben Posaunen 8, 7 - 11, 19
A. Die ersten vier Posaunen 8, 7-12
1. Die erste Posaune 8,
7
2. Die zweite Posaune
8, 8+9
3. Die dritte Posaune 8,
10+11
4. Die vierte Posaune
8, 12
Exkurs 8: Die geistliche Bedeutung der ersten sieben
ägyptischen Plagen
B. Der dreifache Weheruf 8, 13
Exkurs 9: Die geistliche Bedeutung der letzten drei
ägyptischen Plagen
C. Die fünfte Posaune 9, 1-12
D. Die sechste Posaune 9, 13-21
E. Zweiter "gnädiger Zwischenakt": Die beiden
Visionen zwischen
der sechsten und der siebten
Posaune 10,1 - 11,14
1. Der starke Engel und das
geöffnete Buch 10, 1-11
Exkurs 10: Zum Verständnis der Heiligen Schrift
2. Die zwei Zeugen 11,
1-14
Exkurs 11: Die zwei Zeugen
F. Das Blasen der siebten Posaune und die
feierliche Begrüßung ihrer
Tage 11, 15-19
1. Die mächtigen Stimmen im Himmel
nach dem Blasen der
siebten
Posaune 11, 15
2. Das Gebet der vierundzwanzig
Ältesten 11, 16-18
3. Die Öffnung des Tempels im
Himmel 11, 19
III. Rückblick: Die Bedrohung des Volkes Gottes und seine
Errettung in der Zeit des Endes Kap. 12, 1 -
14, 20
A. Die Frau, der Drache und das Kind 12, 1-6
Exkurs 12: Die mosaischen Reinigungsvorschriften für neugeborene
Jungen und Mädchen
B. Der Kampf Michaels mit dem Drachen 12, 7-12
C. Die Flucht der Frau vor dem Drachen 12,
13-17
D. Das Tier aus dem Meer 12,18 - 13,10
E. Das Tier aus der Erde 13, 11-18
F. Die dreifache Errettung des Gottesvolkes
14,1-20
1. Die Schar der
"Erstlinge": Das Lamm und die
Hundertvierundvierzigtausend auf dem Berg Zion 14, 1-5
Exkurs 13: Die Erntebestimmungen im dritten Mosebuch
2. Die "große
Ernte": Die Botschaft der drei Engel während der Zeit
der
sechsten Posaune 14, 6-16
3. Die "Nachlese":
Die große Kelter des Zornes Gottes 14, 17-20
IV. Die sieben Zornschalen 15, 1 - 16, 21
A. Das Vorspiel im Himmel: Die Vorbereitung auf das
Ausgießen
der Schalen 15, 1-8
B. Das Ausgießen der sieben Zornschalen 16, 1-21
1. Die erste Schale 16, 1-2
2. Die zweite Schale 16, 3
3. Die dritte Schale 16, 4-7
4. Die vierte Schale 16, 8-9
5. Die fünfte Schale 16,
10-11
6. Die sechste Schale 16,
12-16
7. Die siebte Schale 16,
17-21
V. Die großen Ereignisse der Endzeit und die neue Welt Gottes
17, 1 - 22, 5
A. Die Hure Babylon und das Tier 17, 1-18
1. Die Frau auf dem Tier 17,
1-6
2. Das Tier mit den sieben Köpfen
und den zehn Hörnern
17, 7-14
3. Das Gericht Gottes über die
Hure, ausgeführt durch das Tier
mit den
zehn Hörnern 17, 15-18
B. Das Gericht über Babylon 18, 1-24
1. Der Ruf des Engels: Babylon,
eine Behausung der Dämonen
18, 1-3
2. Die Stimme aus dem Himmel:
"Geht hinaus aus Ihr, mein Volk"
18, 4-8
Exkurs 14: Die babylonische Gefangenschaft der Kirche
3. Die Klagen über den Untergang
Babylons 18, 9-19
4. Der freudige Zuruf an die
Himmelsbewohner 18, 20
5. Die symbolische Vernichtung
Babylons und der trostlose
Zustand
danach 18, 21-24
C. Der Triumph im Himmel und die Hochzeit des Lammes 19,
1-9
D. Die Reaktion des Sehers auf die Botschaft des Engels 19,
10
E. Das Gericht über das Tier und seine Streitmacht 19,
11-21
F. Das Tausendjährige Reich und die erste Auferstehung 20,
1-6
Exkurs 15: Das Tausendjährige Reich
G. Das Endgericht über Satan 20, 7-10
Exkurs 16: Die Weissagungen über Gog und Magog
H. Die allgemeine Auferstehung und das Weltgericht 20,
11-15
I. Der neue Himmel und die neue Erde 21, 1-8
Exkurs 17: Die Wohnung Gottes bei den Menschen
J. Das neue Jerusalem 21, 9 - 22, 5
1. Die Einleitung der Vision 21,
9+10
2. Die Gesamtschau des neuen
Jerusalem 21, 11-14
3. Die Formen und Maße des neuen
Jerusalem 21, 15-17
4. Die Baustoffe des neuen
Jerusalem 21, 18-21
5. Die einzigartige Herrlichkeit des
neuen Jerusalem 21, 22-23
6. Das Leben der Völker im ewigen Licht
des neuen Jerusalem
21, 24-27
7. Der Thron Gottes als ewige Quelle des
Lebens 22, 1-5
Der Schluß des Buches und seine Beglaubigung 22, 6 -21
Ephesus: Die Kirche im ersten
Jahrhundert
Smyrna: Die Kirche unter den
Bischöfen und während der Zeit der großen Verfolgungen
Pergamon: Die Kirche in Verbindung mit dem Staat
Thyatira: Das Papsttum
Sardes: Der
Protestantismus
Philadelphia: Der Wiederaufbau der Kirche auf ihren ursprünglichen
Grundlagen
Laodizea: Die Kirche im zwanzigsten Jahrhundert