Die 144 000 Versiegelten (1) |
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1. Die Versiegelung der Hundertvierundvierzigtausend 7, 1-81 Danach sah ich vier Engel, die an den vier Ecken der Erde standen und die vier Winde der Erde zurückhielten, denn noch sollte kein Wind über die Erde, das Meer oder irgendeinen Baum hereinbrechen. 2 Und ich sah einen anderen Engel vom Aufgang der Sonne heraufkommen, der hatte das Siegel des lebendigen Gottes, und er rief mit lauter Stimme den vier Engeln zu, denen es gegeben war, die Erde und das Meer zu beschädigen: 3 Beschädigt weder die Erde noch das Meer noch die Bäume, denn erst müssen wir die, die unserem Gott dienen, mit einem Siegel auf ihren Stirnen kennzeichnen. 4 Und ich hörte die Zahl derer, die mit dem Siegel gekennzeichnet wurden: Es waren hundertvierundvierzigtausend Versiegelte aus allen Stämmen der Söhne Israels: 5 aus dem Stamm Juda zwölftausend, aus dem Stamm Ruben zwölftausend, aus dem Stamm Gad zwölftausend, 6 aus dem Stamm Asser zwölftausend, aus dem Stamm Naftali zwölftausend, aus dem Stamm Manasse zwölftausend, 7 aus dem Stamm Simeon zwölftausend, aus dem Stamm Levi zwölftausend, aus dem Stamm Isaschar zwölftausend, 8 aus dem Stamm Sebulon zwölftausend, aus dem Stamm Joseph zwölftausend und aus dem Stamm Benjamin zwölftausend Versiegelte. Auf den Abschluß des sechsten Siegels folgt nicht sofort das abschließende siebte, sondern ein "gnädiges Zwischenspiel". Zunächst wird geschildert, wie solchen Gläubigen, die durch das Beben der französischen Revolution aus ihrem geistlichen Schlaf aufgeschreckt wurden, vor der Ausführung des schon eingeleiteten Gerichts der volle Segen Christi mitgeteilt wird. 7, 1: Nach den tiefgreifenden und umwälzenden Ereignissen in Frankreich treten an den vier Ecken der Erde, d.h. überall in der christlichen Welt, vier Engel hervor, die die vier Winde des Gerichtes, das mit der Öffnung des sechsten Siegels bereits eingesetzt hat, zunächst noch festhalten. Die Zahl vier versinnbildlicht die Universalität des Geschehens, das sich aber vor allem in den durchs Christentum geprägten Ländern Europas abspielt: Engel, wachgerufene gläubige Menschen hier und dort sind es, die nicht allein durch ihre Gebete und Fürbitten, sondern auch durch ihr tatkräftiges Engagement die Winde der bevorstehenden zerstörerischen Gerichte vorerst noch zurückhalten können, um die Erde, das Meer und die Bäume zu schützen. Während die Erde - das feste Land, das den hin- und herwogenden Wassermassen eine Grenze setzt - die staatlichen und kirchlichen Ordnungen im Sinnbild darstellt, umschreibt das Meer das Leben in der Völkerwelt. Die Bäume stehen dagegen für Menschen, die als einzelne oder im Kollektiv durch ihr Amt oder ihre soziale Stellung aus der Allgemeinheit der Volksmassen herausgehoben sind. Im kirchlichen Bereich sind sie auf die verschiedenen Konfessionen sowie auf theologische Richtungen und Schulen zu deuten. Alle diese Einrichtungen sollten von den vier Winden des Gerichts vorerst verschont bleiben, und tatsächlich gelang es in den Jahrzehnten nach der französischen Revolution, die gründliche Demontage aller christlichen Werte und Ordnungen, die auch über die Grenzen Frankreichs hinaus vorgesehen war, abzuwenden. 7, 2+3: Der andere Engel symbolisiert ein Werk inmitten der Christenheit, das wie das zuvor erwähnte ebenfalls von menschlichen Boten Gottes ausgeführt wird, aber von den Aufgaben der zu Beginn des Abschnitts erwähnten vier Engel unterschieden werden muß. Der Engel kommt vom Aufgang der Sonne herauf. Nicht die geographische Herkunft wird hier benannt, vielmehr liegt ein Hinweis auf den göttlichen Ursprung des hier beschriebenen "Engel-Werkes" vor, denn die Sonne ist auch hier ein Christussymbol. Der andere Engel bezeichnet somit Boten, die Christus vor seinem zweiten Kommen aussendet und mit der Vollmacht ausstattet, die Diener Gottes mit einem Siegel auf ihren Stirnen zu kennzeichnen. Bei diesem Siegel handelt es sich um ein Kennzeichen, das den Empfänger nicht allein als Eigentum Gottes ausweist, sondern ihn auch vor den folgenden Gerichten, die im Verlauf des siebten Siegels über die Christenheit hereinbrechen, bewahrt. Auftrag und Wirken dieses anderen Engels stehen mit dem beim Propheten Maleachi erwähnten "Aufgehen der Sonne der Gerechtigkeit" und dem herrlichen Kommen des großen "Engels des Bundes" sowie seines "Boten, der ihm den Weg bereiten soll", in einem engen Zusammenhang. Diesen letztgenannten Boten nennt Maleachi auch den "Propheten Elia, der vor dem großen und schrecklichen Tag des Herrn erscheinen" werde. Nun ist die Erfüllung dieser Weissagung im Auftreten und Wirken Johannes des Täufers unmittelbar vor dem ersten Kommen Jesu bereits Geschichte geworden; womit aber eine weitergehende Erfüllung dieser Prophetie nicht ausgeschlossen ist. Mehr noch: sie ist vor dem zweiten Kommen Christi, auf das "der große und schreckliche Tag des Herrn" zweifellos Bezug nimmt, zu erwarten. Auch im frühchristlichen Sprachgebrauch ist von einer Versiegelung, die mit der vom anderen Engel vorgenommenen Handlung in engem sachlichen Zusammenhang steht, die Rede. Sie umschreibt nicht etwa, wie vielfach angenommen, eine durch die christliche Taufe vermittelte Geistesgabe, sondern sie bezieht sich auf die allein den Aposteln vorbehaltene Vollmacht, bereits getauften Gläubigen die Hände zur Übermittlung besonderer Gaben des Heiligen Geistes aufzulegen. Aus dieser urchristlichen Segenshandlung läßt sich der Brauch der Firmung bzw. der Konfirmation eindeutig nachweisen, der jedoch nach dem Abgang der Apostel nur mehr durch Bischöfe und später in den protestantischen Kirchen durch den Pastorenstand vollzogen werden konnte. In der Aussendung des anderen Engels mit der Vollmacht der Versiegelung steckt deshalb der Hinweis, daß Christus seiner Kirche in der Zeit der Erweckung nach der französischen Revolution Boten sendet, die mit apostolischer Vollmacht ausgestattet sind. Zu den vier Engeln, die die vier Winde der Erde festhielten, bilden die vier Engel, denen es gegeben war, die Erde und das Meer zu beschädigen, den Gegenpart. Sie sind ebenfalls menschliche Boten, und zwar solche des Widersachers Gottes, die am Ende des 18. Jahrhunderts als entschiedene Feinde Christi "den unfruchtbar gewordenen Feigenbaum des entarteten Christentums zu fällen begonnen haben." Andererseits gilt auch: diese Vertreter und Anhänger der großen Revolution hatten sich als Boten Gottes daran gemacht, mit dem Fällen des "Baumes der Christenheit" das Werk des Scharfrichters auszuführen. Allein die Fürbitte des Weingärtners hat die Fortsetzung des gerechten Gerichtes verhindert. Der Eigentümer des Weinberges gewährte eine letzte Gnadenfrist und unternahm den letzten Versuch, die tiefgreifenden Schäden der Gemeinde Christi zu beheben: Es wurden Boten ausgesandt, die durch ihre Bußpredigt "tiefe Spatenstiche ausführten", um die Wurzeln des todkranken Baumes von dem Unrat, der sich im Laufe vieler Jahrhunderte, angesammelt hatte, zu befreien. Eine umfassende Heilung aller Schäden hatte Christus seiner Kirche angeboten, um sie auf seine baldige Wiederkunft vorzubereiten und sie vor den angekündigten Gerichten durch eine "Versiegelung", d.h. durch die Erfüllung mit den Gaben und Kräften seines Heiligen Geistes, zu schützen. Erst dann würde der Sturm der endzeitlichen Gerichte in voller Kraft losbrechen und Erde, Meer und Bäume beschädigen können, wenn die Vollzahl der zu Versiegelnden erreicht wäre. 7, 4-8: Die Anzahl der Versiegelten beträgt hundertvierundvierzigtausend, d.h. zwölf mal zwölftausend aus allen Stämmen der Söhne Israels, die in den Versen 5-8 namentlich aufgezählt werden. Die Einteilung des Alten Bundesvolkes in zwölf Stämme hat demnach auch für das Volk des Neuen Bundes eine Bedeutung. Es geht um die symbolische Repräsentation einer besonderen Auswahl - nämlich der "Erstlinge" der "großen Ernte Gottes" - aus dem ganzen geistlichen Israel, das wie das leibliche aus zwölf "Stämmen" besteht.
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