Die Hure Babylon und das Tier

 

 

1. Die Frau auf dem Tier  17, 1-6

1 Und es trat einer von den sieben Engeln mit den sieben Schalen zu mir und sprach: Komm her, ich will dir das Gericht über die große Hure zeigen, die an vielen Wasserläufen sitzt 2 und mit der die Mächtigen der Erde Unzucht getrieben haben, so daß die auf der Erde Wohnenden vom Wein ihrer Unzucht betrunken geworden sind. 3 Und er versetzte mich im Geist in eine Wüste. Dort sah ich eine Frau auf einem scharlachroten Tier sitzen, das mit Namen der Lästerung bedeckt war und sieben Köpfe und zehn Hörner hatte. 4 Und die Frau war in Purpur und Scharlach gekleidet und reich mit Gold, Edelsteinen und Perlen geschmückt. Sie hatte auch einen goldenen Becher in ihrer Hand, doch der war voll von Abscheulichkeiten und dem Schmutz ihrer Unzucht, 5 und auf ihrer Stirn stand ein geheimnisvoller Name geschrieben: "Babylon die Große, die Mutter der Huren und der Abscheulichkeiten auf Erden". 6 Und ich sah, daß die Frau vom Blut der Heiligen und vom Blut der Zeugen Jesu betrunken war. Und als ich sie sah, verwunderte ich mich über die Maßen.

17, 1: Einer der sieben Engel, die die Zornschalen ausgegossen hatten, zeigt Johannes das zum Gericht reif gewordene große Babylon, das dem Seher zunächst als eine auf einem Tier reitende Hure vor Augen gestellt wird. Im Anschluß daran folgt eine Deutung dieser Vision. Eine Hure ist in der prophetischen Sprache das Symbol für das Unzucht treibende Volk Gottes, das sich von seinen Wegen und Geboten entschlossen abgewandt hat, um sich auf die Lebensart und die götzendienerischen Praktiken heidnischer Völker einzulassen. Wie das Gottesvolk des Alten Bundes so ist auch das des Neuen Bundes dazu berufen, seinem "himmlischen Ehemann" eine "treue Frau" zu sein; sie ist jedoch im Laufe der Jahrhunderte zu einer mörderischen großen Hure geworden.

Wer ist die große Hure? Immer wieder ist die Behauptung aufgestellt worden, ausschließlich bestimmte Teile der Gesamtkirche seien mit ihr zu identifizieren. Oder aber die weltweite Gemeinde Gottes sei mit der Hure gleichzusetzen, wobei allerdings die Ankläger niemals müde werden, zu beteuern, daß die eigene Konfession hier ausgenommen und allein als die "reine Brautgemeinde" anzusehen sei. Tatsache ist jedoch, daß sich geistliche Hurerei, d.h. Abfall vom "himmlischen Bräutigam" ausnahmslos in allen Teilen der Kirche findet. Von Anfang an ist "Unkraut unter den Weizen gesät worden", das schon bald aufging und im Laufe der Jahrhunderte Verwirrung und Verunreinigung in Lehre und Leben der Kirche stiftete. Auch die Bildung neuer Kirchen hat hier keine Abhilfe geschaffen, denn die Gründer neuer Konfessionen sind der großen Stadt der Verwirrung nicht entkommen. Sie haben lediglich innerhalb der alten Grenzen Babylons neue Häuser gebaut. Die hier beschriebene große Hure ist zunächst ein Bild für die Kirche im letzten Stadium ihres Abfalls. Sie ist identisch mit der Gesamtheit aller Konfessionen bzw. aller Getauften, die in der Zeit des Endes die wahren Boten Gottes verkennen und sich zur "Kirche" des Antichristen formieren, die alles geistlich Unreine im höchsten nur denkbaren und praktikablen Maße in sich vereinigen wird.

Doch nicht allein in bezug auf diese "Endgestalt" der großen Hure, sondern auch im Rückblick auf die vergangenen Jahrhunderte der Kirchengeschichte wird gesagt, daß die große Hure an vielen Wasserläufen sitzt. Die Deutung dazu wird Vers 15 gegeben: Die Wasserläufe sind Völker und Scharen und Nationen und Sprachen. Damit wird unterstrichen, daß nicht an einen besonderen Teil der Kirche zu denken ist. Vielmehr weist der universale Einfluß der Hure auf die gesamte Christenheit hin, deren verderbliches Treiben von jeher die weit verzweigten Arme der Völkerwelt verunreinigt hat.

17, 2: Die Kardinalsünde der Hure besteht darin, mit den Mächtigen der Erde Unzucht getrieben zu haben. Immer wieder hat es zwischen "Thron und Altar", zwischen den Führern der Kirche und den Mächtigen dieser Erde, höchst ungesunde Verbindungen gegeben, die die primäre Zuordnung des Volkes Gottes auf ihren himmlischen Herrn auf krasseste Weise verleugneten. Dies ist nichts anderes als geistlicher Ehebruch: Unzucht, die die Betrunkenheit der auf Erden Wohnenden, d.h. der Massen der irdisch gesinnten Getauften, zur Folge hat; denn an die Stelle geistlicher Wachsamkeit und Nüchternheit sowie geduldigen Wartens auf die Wiederkunft Christi tritt nun - nicht selten verbunden mit dem ausschweifenden Genießen irdischen Wohllebens - die schwärmerische Idee, schon vor der von Gott bestimmten Zeit das verheißene Friedensreich aufrichten zu können. Mitnichten wird hier der Wein der rechten Lehre und der Freude im Heiligen Geist genossen, vielmehr ist es der Wein der Unzucht, der das geistliche Leben zunächst lähmt und am Ende tötet.

17, 3: (...) In der Wüste, in die Johannes im Geist versetzt wurde, erblickt er eine Frau, die auf einem scharlachroten Tier sitzt. In nicht mehr zu überbietender Klarheit stellt diese Symbolik die oben beschriebene ehebrecherische Verbindung zwischen der Kirche und der antichristlichen Weltmacht der letzten Tage dar. Das Tier erscheint in scharlachroter Farbe, die auf die Farbe des Blutes und damit auf den grausamen und menschenmörderischen Charakter des antichristlichen Weltreiches hinweist. Bemerkenswert ist, daß hier nicht der Kapitel 12, 3 auf den Drachen bezogene Ausdruck "feuerrot" verwandt wird, der die höchste Steigerungsform blutgierigen Eifers darstellt - ist doch der Drache der "Mörder von Anfang", dessen unbändiger "Feuer-Eifer" auch andere entzünden und mit Durst nach Blut erfüllen will. Auch das Scharlachrot des Tieres deutet diese menschenmörderische Gesinnung an, allerdings in einer abgeschwächten Form; denn das Tier, das antichristliche Weltreich mit dem persönlichen Antichristen an seiner Spitze, ist lediglich ein Werkzeug im Dienst des großen Menschenverderbers. Es hat seine Grausamkeit nicht aus sich selbst hervorgebracht, hat das Böse nicht erfunden, sondern seine gottfeindliche Gesinnung ist eine erworbene Eigenschaft; deshalb tritt sie hier in der abgeschwächten Form des Scharlachrot zu Tage.

(...)

17, 5: Auf ihrer Stirn trägt die Frau sichtbar ihren Namen geschrieben: Babylon, die Große. Der Begriff Babylon bedeutet soviel wie "Verwirrung" oder "Vermengung" und bezieht sich auf die Vermischung von geistlichen mit ungeistlichen Elementen, die das Wesen der Kirche im Endstadium ihres Abfalls kennzeichnet. Die Große deutet dabei das hohe, ja höchstmöglich denkbare Maß der Verwirrung an, in die die "Kirche" des Antichristen am Ende geraten wird. Babylon wird weiter die Mutter der Huren und der Abscheulichkeiten der Erde genannt. Eine Kirche, die mit weltlichen Herrschern "Unzucht" treibt und auf diese Weise "Ehebruch" begeht, wird immer wieder nur Huren, d.h. unreine Tochterkirchen aus ihrem Schoß hervorbringen. Tatsächlich haben sich alle Abscheulichkeiten, alle geistlichen Mißbildungen, die damit verbunden sind, seit frühchristlicher Zeit auf der Erde, in der gesamten christlichen Welt, fortgepflanzt. Der ungeistliche Konfessionalismus mit all seinen theologischen Einseitigkeiten und Verzerrungen sowie das materialistische Denken der Neuzeit haben den Blick auf den wiederkommenden Herrn verstellt. Diese Hurerei wird kein Ende nehmen - es sei denn, Gott selbst gebietet dem hoffnungslosen und unheilbaren Zustand Einhalt.

17, 6: Johannes sieht es der Frau an, daß sie betrunken ist; sie scheint auf dem Tier, das sie trägt, unsicher hin und her zu schwanken. Allerdings steht sie nicht unter dem Einfluß eines alkoholischen oder sonstigen Rauschmittels, sondern sie ist betrunken vom Blut der Heiligen und der Zeugen Jesu, das sie - im Bilde gesprochen - offenbar reichlich in sich aufgenommen hat.

Der Anblick der betrunkenen Frau löst bei Johannes eine Verwunderung über die Maßen aus. Es handelt sich hier um das gleiche Erstaunen, das der Prophet Jesaja im ersten Kapitel seines Buches zum Ausdruck bringt: "Wie geht das zu, daß die treue Stadt zur Hure geworden ist. Sie war voll Recht, und Gerechtigkeit wohnte darin; nun aber sind Mörder in ihr!"

Zweifellos ist das Blut, das die Hure getrunken hat, zunächst ein Hinweis auf die blutigen Verfolgungen der tatsächlichen oder vermeintlichen Ketzer, die auf das Konto der römischen Kirche gehen. Nur allzu oft haben ihre Vertreter die wahrhaftigen Zeugen Jesu zu Tode gefoltert.

Allerdings wird man bei einer solchen Aufrechnung die übrigen Konfessionen nicht ausnehmen dürfen. Wenn auch Inquisition, blutige Verfolgung und die Aufrichtung von Scheiterhaufen hier eher die Ausnahme bildeten, so wurde dennoch reichlich von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, auf Glaubensgeschwister mit dem Schwert lieblos vorgebrachter Anklagen und Verurteilungen einzuschlagen. Immer wieder hat es Zeugen Jesu, mutige Männer und Frauen gegeben, die zwar nicht die ganze Erkenntnis der Wahrheit besaßen, es aber dennoch wagten, die verschiedenen Stadtteile Babylons zu betreten, um dort ihre Stimme gegen Verdrehung, Vereinseitigung, Mißbrauch und Unterschlagung der göttlichen Wahrheit zu erheben. Und immer wieder wurden diese Zeugen - und werden es bis heute - verspottet, unterdrückt und mundtot gemacht wie einst der Prophet Jeremia: "Kommt, laßt uns ihn mit seinen eigenen Worten schlagen und nichts geben auf alle seine Reden!

Noch vor der Wiederkunft Jesu wird an die Christenheit unüberhörbar der Aufruf ergehen, sich radikal von der "großen Hure" zu trennen: Der Auszug aus Babylon

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