Der Antichrist (2):
Die Vorbereitung

 

 

Die fünfte Posaune: Aus Kap. 9, 1-12

Als der fünfte Engel in die Posaune stieß, sah ich einen Stern, der vom Himmel auf die Erde gefallen war, und ihm wurde der Schlüssel zum Schacht des Abgrunds gegeben. 2 Und er öffnete den Schacht zum Abgrund, und es stieg Rauch aus dem Schacht heraus wie Rauch eines großen Ofens, so daß die Sonne und die Luft vom Rauch aus dem Schacht verfinstert wurden. 3 Und aus dem Rauch kamen Heuschrecken hervor, die über die ganze Erde ausschwärmten, und sie wurden mit Fähigkeiten ausgestattet, die auch irdische Skorpione haben. ( ... )
7 Und die Heuschrecken waren Pferden ähnlich, die zum Krieg gerüstet sind. Auf ihren Köpfen hatten sie Kronen, die schimmerten, als ob sie aus Gold wären, und ihre Gesichter waren wie Menschengesichter. 8 Sie hatten Haare wie Frauenhaare, und ihre Zähne waren wie die von Löwen. ( ... )
11 Als König hatten sie über sich den Engel des Abgrunds, der auf hebräisch Abaddon und auf griechisch Apollyon heißt. ( ... )

9, 1: Wie bereits oben erklärt, ist ein vom Himmel auf die Erde gefallener Stern ein Symbol des christlichen Lehrertums, das seine "himmlische Gesinnung" verloren hat. Ausdrücklich ist hier jedoch von einem Stern die Rede, mit dem anscheinend ein Lehrer der Kirche gemeint ist, dem durch sein hohes Amt eine herausragende Stellung innerhalb der Christenheit zukommt. Diese hochgestellte Persönlichkeit empfängt nun den Schlüssel zum Schacht des Abgrunds. Dieser Abgrund ist der Aufenthaltsort der Dämonen, die nach dem Verlust ihrer himmlischen Herrscherstellung ihren Wohnsitz bis zum Tag des Gerichts in der Finsternis haben.
Der Empfang der Schlüssel des Himmelreichs war einst Petrus zugesagt worden. Dem unmittelbaren Wortsinn nach sind hiermit Vollmacht und Auftrag der Apostel umschrieben, anderen Menschen den Eingang in das Reich Gottes zu verschaffen bzw. zu verwehren. Verbunden mit der Verwaltung dieses Schlüsselamtes ist der Besitz besonders herausragender geistlicher Kräfte und Erkenntnisse. Diese werden nun von der abtrünnig gewordenen christlichen Lehrerschaft, aus der ein einzelner hervorragt, in grober Weise pervertiert: nicht nur, daß der Weg ins Himmelreich nicht mehr gewiesen wird, sondern die anvertrauten Gaben werden auch noch dazu verwandt, bösen Geistern den Zugang in die Bereiche des kirchlichen Lebens zu verschaffen.

9, 2: Der Rauch, der nach der Öffnung des Schachts wie von einem großen Ofen, d.h. aus loderndem Feuer hervorgehend, aufsteigt, ist das Sinnbild dämonisch inspirierter Lehren, die mit satanischem Feuereifer verbreitet und vorgetragen werden. Dadurch wird zunächst die Luft, d.h. die geistliche Lebensatmosphäre der Christenheit, in so starkem Maße verfinstert, daß schließlich auch die Sonne des christlichen Lebens, nämlich Christus, kaum mehr sichtbar ist. Somit ist es der Wirksamkeit böser Geister, denen Tür und Tor geöffnet wird, zuzuschreiben, daß das geistliche Leben sich in den Tagen der fünften Posaune rapide verfinstert.

9, 3: Die Menschen, die aus dem Rauch kommen, d.h. durch Lehren der Dämonen inspiriert und verunreinigt sind, werden mit Heuschrecken verglichen. Sie sind also hemmungslose Zerstörer des geistlichen Lebens der Christenheit: in unzählbar großen Scharen werden sie am Vorabend der Herrschaft des Antichristen, und zwar noch vor dem Ereignis der Entrückung, aktiv. Ergänzt wird das symbolische Heuschreckenbild durch den Stachel, mit dem die geistlichen Zerstörer, Skorpionen gleich, ihren Zeitgenossen schmerzende Wunden zufügen können. Es sind solche Wunden, die durch das Gift unbarmherziger Kritik und schamlosen Spottes, die sich auf die altehrwürdigen Wahrheiten des christlichen Glaubens richten, in den ungefestigten Gläubigen hervorgerufen werden. ( ... )

9, 7.8: Die Heuschrecken haben Menschengesichter. Sie werden sich also als Freunde und Beglücker der Menschen ausgeben und hervorragendes Geschick darin besitzen, mit schmeichlerischen Worten die Sympathie und das Vertrauen der Massen zu gewinnen. Ferner weisen die Heuschrecken Haare wie Frauenhaare auf. Das Haupthaar ist Sinnbild der Unterordnung, hier unter alle selbstgeschaffenen Ordnungen und Prinzipien, die die Heuschrecken in ihrer emanzipatorischen und autonomistischen Grundeinstellung streng einhalten. Die Löwenzähne zermalmen dabei mit der unwiderstehlichen Kraft ihrer aggressiv-verurteilenden Kritik alles, was sich ihnen in den Weg stellt. ( ... )

9, 11:  Erst wenn die Heuschrecken ihr groß angelegtes Zerstörungswerk beendet haben, tritt ihr König sichtbar in Erscheinung, und er wird nicht zögern, die Führungsposition in dem mächtigen Heer einzunehmen. Der Anführer der Heuschrecken wird hier der Engel aus dem Abgrund genannt, weil er als Bote und Werkzeug des Teufels mit dämonischen Kräften ungeheuren Ausmaßes erfüllt sein wird. Sein Name wird in hebräischer und griechischer Sprache genannt: Abaddon bzw. Apollyon. Beidemal bedeutet er dasselbe, nämlich "Verderber" oder auch "Zerstörer". Diesem Engel aus dem Abgrund, dem Antichristen, wird es - nicht allein vom Satan, sondern auch von Gott - gegeben werden, das Werk der Zerstörung der Kirche als Institution sowie aller noch vorhandenen christlichen Lebensordnungen konsequent durchzuführen. De facto wird somit das Christentum eine Zeitlang auf Erden abgeschafft sein.
Schwerer als das Werk der äußeren wiegt jedoch das der inneren Zerstörung. Denn alle, die dem letzten "großen Führer" bis zum Ende folgen, werden mit ihm in den Abgrund ewigen Verderbens stürzen, aus dem kein Entrinnen mehr geben wird. Trotz des immensen Zerstörungspotentials sind die Gerichte der fünften Posaune nur die Vorläufer der eigentlichen "großen Drangsal". Erst mit dem Beginn der sechsten Posaune wird der Antichrist sichtbar in Erscheinung treten und auf den weiteren Gang der Dinge direkten Einfluß nehmen können. Mit dem nun folgende zweiten Wehe tritt das "Geheimnis der Bosheit" in sein vorletztes Entwicklungsstadium ein. ( ... )

Die sechste Posaune 9, 13-21

13 Und als der sechste Engel in die Posaune stieß, hörte ich eine Stimme aus den vier Hörnern des goldenen Altars, der vor Gott steht, 14 die sprach zu dem Engel, der die Posaune hatte: Binde die vier Engel los, die am großen Strom Euphrat gebunden sind!

9, 13+14: Der Altar, der vor Gott steht, wurde bereits im vorangehenden Kapitel erwähnt. Die vier Hörner, die an der Oberseite als Ecken aufgesetzt sind, symbolisieren die Macht der Fürbitte Christi. Bis zum Eintreten des dritten Wehe stiegen die Gebete der Gläubigen von allen "vier Ecken der Welt" zum Himmel auf, und am hier vorgestellten goldenen Altar wurden sie durch Christus zusammengefaßt und Gott dargebracht. Doch nun, nach dem Blasen der sechsten Posaune, scheint der Kraftfluß der Fürbitten unterbrochen zu sein, denn dieselbe Stimme, die die Gebete zusammenfassend darbrachte und dadurch die Winde der göttlichen Strafgerichte noch zurückhielt, erteilt nun den Befehl, die vier Engel, die am großen Strom Euphrat gebunden sind, loszubinden.

Der Name des Flusses, an dem die Engel bis zu diesem Zeitpunkt festgehalten wurden, läßt Rückschlüsse auf den Charakter dieser vier Engel zu. Offenbar handelt es sich um satanisch inspirierte Sendboten, denn im Gegensatz zum durch Jerusalem fließenden Jordan, in dem Jesus getauft wurde und der ein Bild des geistlichen Lebens ist, mit dem das geistliche Jerusalem getränkt wird, ist der durch Babylon fließende Euphrat das Sinnbild pseudogeistlicher und verderbenbringender geistlicher Wasserquellen. Schon viele Jahrhunderte lang hatte es am Euphrat, am Strom menschlicher Weisheit, Wissenschaft und Kunst, dämonisch inspirierte Sendboten gegeben, doch waren diese, solange die Fürbitte der treuen Gläubigen noch aufstieg, in ihrer Wirksamkeit stark eingeschränkt. Jetzt aber ist alles "Aufhaltende" hinweggetan: Die Entrückung der Erstlinge zum himmlischen Berg Zion hat den Weg für die vier Engel freigemacht, die jetzt ihr schädigendes Werk, das den Menschen den Tod bringt, ungehindert ausführen können. Die Engel werden also im Verlauf der sechsten Posaune mit großem Eifer eine satanisch gesteuerte Spiritualität vorantreiben, mittels derer das Babylon der Endzeit seinen geistlichen Durst stillen wird.

Bei den vier Engeln ist zunächst durchaus an vier Dämonenführer zu denken, die im Bereich der unsichtbaren Welt über Heere riesigen Ausmaßes befehligen. Weil aber nicht nur Gott, sondern auch Satan seine "Engel" auf Erden aussenden kann, ist zu erwarten, daß auch dort die vier Engel, die Boten aus dem Abgrund, in Erscheinung treten werden. In Pervertierung der vier urchristlichen Ämter werden sie inmitten der Christenheit als Anführer einer schnell um sich greifenden Bewegung das Zerstörungswerk der "Heuschrecken" vollenden und die Massen der dem christlichen Glauben Entfremdeten dem Antichristen zuführen:

1. Falsche Apostel: Genial begabte Führer großer Volksmassen, vielleicht sogar ganzer Völker, die mit Autorität und unerschütterlichem Selbstbewußtsein zur Unterwerfung unter den letzten großen Führer der Menschheit anleiten werden, dem sie selbst absolut hörig sind.

2. Falsche Propheten: Medial veranlagte Männer und Frauen, die in der Kraft Satans und mit erstaunlichen Effekten und sensationellen Wundertaten die Massen zu verblüffen und auf ihre Seite zu ziehen verstehen.

3. Falsche Evangelisten: Exzellente Redner, die in populärer Sprache und rhetorisch profihaft das neue und zugleich "einzig wahre und letztgültige Evangelium" verkünden, das aber weder zum Glauben an den Gekreuzigten, noch zur Vorbereitung auf dessen persönliche Wiederkunft auffordert. Es wird vielmehr seinem letzten großen Gegenspieler den Weg bereiten, dem unbedingtes Vertrauen und ungeteilter Gehorsam entgegenzubringen sei.

4. Falsche Hirten und Lehrer: Männer - und sicher auch Frauen - mit zarterem Gemüt, die einfühlsam und mit viel natürlicher Menschenliebe ausgestattet, jedoch gleichzeitig mit erbittertem Haß oder auch sträflicher Gleichgültigkeit gegenüber dem wahren Gott und seinem Christus erfüllt sind.

Der Antichrist (3): Seine Erscheinung